Wien (idw) - Ein Wissenschafterteam an der Technischen Universität (TU)Wien hat gemeinsam mit Partnern
aus Italien, Spanien, England und Österreich, im Rahmen eines von der EU geförderten Projektes, den Prototyp
eines kleinen, handlichen, innovativen Notrufsystems entwickelt, das Hilfe anfordert, bevor es zum Schlimmsten
kommt. Das Neuartige dabei: der Alarm wird automatisch ausgelöst, ohne dass ein Alarmknopf betätigt werden
muss.
Mehr Sicherheit und Unabhängigkeit für ältere und bewegungseingeschränkte Personen. So lauteten
die grundsätzlichen Anforderungen bei der Entwicklung eines innovativen und vor allem praktikablen Notrufsystems
für ältere und behinderte Menschen.
Das wissenschaftliche Rezept der High-Tech-"Uhr", die an der TU Wien entwickelt wurde, lautet: der Benutzer,
d.h. der potenzielle Notfall-Patient, steht im Mittelpunkt. 70 potentielle Benutzer und 36 PflegerInnen sowie Experten
von Service-Zentren (z. B. der Johanniter Unfall Hilfe in Wien, sowie von Einrichtungen in Italien, Spanien und
England) wurden innerhalb von 3 Jahren nach ihren Wünschen und Bedürfnissen für ein reibungslos
funktionierendes Notrufsystem befragt. In einem ersten Schritt ging es von wissenschaftlicher Seite natürlich
darum, die Fehler und Probleme bereits in der Praxis verwendeter Alarmsysteme ausfindig zu machen, danach um den
erforderlichen high-tech-Quantensprung, der mit der Realisierung von "Supporting Independently Living Citizens"
(SILC) - auch erreicht wurde.
Alarm-Telefone - Probleme in der Vergangenheit
Bei herkömmlichen Notrufsystemen (Alarm-Telefonen, wie sie für Senioren-Notrufsysteme verwendet
werden), muss der Benutzer auf einen Knopf drücken (an einem Armband oder um den Hals getragen), wenn sich
sein Gesundheitszustand verschlimmert, er gestürzt ist, oder aus einem anderen Grund Hilfe benötigt wird.
Durch den Knopfdruck geht ein Telefonanruf im Service-Zentrum ein, der gesandte Code identifiziert den Benutzer
und die Kommunikation wird freigeschaltet.
Das große Handicap derartiger Systeme ist, dass alte Menschen zögern auf den Alarm-Knopf zu drücken,
oftmals zu lange. Bei plötzlichen Verschlechterungen des Gesundheitszustands oder bei Stürzen kann der
Alarm nicht mehr selbst ausgelöst werden. Eine gewisse Verbesserung stellen zusätzliche Geräte dar,
die am Gürtel getragen, bestimmte Arten von Stürzen erkennen und selbsttätig einen Alarm auslösen.
Dazu kommt noch, dass sichergestellt werden muss, dass die Geräte vom Benutzer auch wirklich immer getragen
werden. Das beste System ist aber chancenlos, wenn der erforderliche Alarm nicht rechtzeitig oder gar nicht ausgelöst
wird.
Also musste des Rätsels Lösung ein integriertes System sein, das individuell programmiert werden kann,
den Alarm automatisch auslöst und zuverlässig getragen wird. Was auf den ersten Blick als eher einfache
Lösung aussieht, entpuppt sich im Forschungsdetail als ziemlich kompliziert.
Mit SILC zu einem ungefährdeten Zuhause
Ausgangspunkt der Entwicklung war die Aufschlüsselung der Methoden, die bisher bei marktüblichen
Alarm-Telefonen verwendet wurden. Anschließend wurde die benötigte Funktionalität nach ihrer Bedeutung
gereiht und dann ein Prototyp entwickelt, der allen technologischen Anforderungen gerecht werden musste. Die Geburtsstunde
der "Alarm-Uhr" "Supporting Independently Living Citizens" - SILC, die von der Forschungsgruppe
Rehabilitationstechnik an der TU Wien (fortec) mitentwickelt wurde.
Das ausgeklügelte Ergebnis ist eine kleine Box, die der User auf dem Handgelenk trägt.
© TU Wien |
Sensoren, die in der "Uhr" integriert sind, lösen gegebenenfalls den Notruf aus. Ein optischer Pulsmesser
sowie eine Art Fieberthermometer und ein Feuchtigkeitsmesser sind dazu da, um ständig zu kontrollieren ob
Temperatur, Hautfeuchtigkeit und Puls auf "normalem" Niveau sind. Beschleunigungssensoren liefern Daten
zur Erkennung eines Sturzes. Sollte ein kritischer Zustand erkannt werden, wird der Alarm nach einstellbaren Kriterien
ausgelöst.
Das Schwierige daran ist, dass das System erkennen muss, ob sich ein Arm beispielsweise nur schnell bewegt, weil
man heftig gestikuliert oder ob ein Sturz erfolgt ist. Um Fehlinterpretationen (und damit fälschlich ausgelöste
Alarme) mit Sicherheit ausschließen zu können, wird ein 3D-Algorithmus verwendet, der die typischen
Muster eines Sturzes unabhängig von der Fallrichtung auswertet.
Damit der SILC-Alarm funktioniert, wird er über Bluetooth an eine PC-Basisstation, die über das öffentliche
Telefonnetz an ein Alarm- und Service-Zentrum angeschlossen ist, geleitet.
Dass das entwickelte automatische Notruf-System der TU Wien auch wirklich funktioniert, wurde mit 23 älteren
Personen und 9 Experten aus Österreich und England abschließend getestet. Dadurch haben die TU-Wissenschafter
erneut wichtige Hinweise und Rückschlüsse für die weitere Verbesserung der Prototypen erhalten.
Projektpartner: fortec - TU Wien; Tecwings GmbH, Joanneum Research, Johanniter Unfallhilfe Wien, Stadt Wien; Regione
Veneto; Cardionetics Ltd, Cloudworld Ltd, Knowsley; Callús, CHCVitae. |