Nach EU-Wahl Neuwahlantrag?  

erstellt am
15. 06. 04

 Cap: Regierung nach EU-Wahl handlungsunfähig - SPÖ überlegt Neuwahlantrag
Wahl Mölzers ist blauer Sprengsatz für Regierung - EU-Wahl war auch Urabstimmung in der FPÖ
Wien (sk) - Nachdem die Destabilisierung in der Bundesregierung mit "hohem Tempo" fortschreitet, spitze sich in der SPÖ eine Initiative zu, einen Neuwahlantrag zu stellen, sagte der geschäftsführende SPÖ-Klubobmann Josef Cap angesichts der Auswirkungen der EU-Wahl auf die österreichische Regierung Dienstag (15. 06.) in einer Pressekonferenz. Geeignet für einen derartigen Antrag wären die Julitage im Parlament. "Da werden wir sehen, ob die Bundesregierung bis dahin wieder handlungsfähig ist, und bis dahin werden wir auch austarieren, was die Abgeordneten der anderen Parteien wollen", so Cap. Die Wähler haben jedenfalls ihre Botschaft ausgesandt, denn die Zustimmung für Schwarz-Blau liege seit Sonntag unter 40 Prozent.

Die Wahl des "Repräsentanten des rechts-rechten Spektrums" in der FPÖ, Andreas Mölzer, ist für Cap ein "blauer Sprengsatz sondergleichen" für die Regierung. Denn mit Mölzer "und seinen Kumpanen" werde die Destabilisierung der Bundesregierung weitergehen, und sie werde wohl keine "wirkliche Handlungsfähigkeit" mehr erreichen. Immerhin gehe von Mölzer und Konsorten die Initiative aus, die FPÖ "ins Trockendock" zu bringen und aus der Regierung auszusteigen. Für Cap war die Wahl am vergangenen Sonntag daher auch eine "Richtungs-Urabstimmung" in der FPÖ, da die Mehrheit das rechte Lager mit dieser Perspektive gewählt habe.

"Auf welcher Basis will diese Regierung noch handeln?", fragt sich der gf. SPÖ-Klubobmann. Seit Sonntag liege die Zustimmung für ÖVP und FPÖ unter 40 Prozent. Das sei eine Folgewirkung ihrer Politik, die sich nicht um das Ansteigen der Arbeitslosigkeit kümmert und Reformunfähigkeit in vielen Bereichen beweist. "Am besten wäre, diese Regierung sieht selbst ein, dass sie zurücktreten soll. Das wird sie wohl nicht, sondern sie wird bis zum letzten Tag an ihren Sesseln kleben bleiben", befürchtet Cap. Dabei könne man sich gar nicht vorstellen, wie sie ihre Ministerratssitzungen abhalten. "Der eine redet nur mehr englisch und französisch, weil er für den Kommissionspräsidenten trainiert und die anderen schreiben nur mehr in altdeutscher Schrift, weil sie jetzt wieder eine Mehrheit haben."

Es sei daher nicht absehbar, was morgen oder übermorgen in dieser Regierung passiert, so Cap. "Vielleicht werden sie sich wieder abküssen, vielleicht wird es wieder Blumen geben, oder wenn Schüssel tatsächlich nach Brüssel flüchtet, dann ist das Tor offen für jede Art von Regierungsumbildung, und Mölzer wird vielleicht sogar Minister", sagte der gf. SPÖ-Klubobmann. Der Bundeskanzler könne daher noch so "cool" tun, in der Regierung "ist der blaue Bär" los. Cap sieht die Regierung nach der nun erfolgten Umorientierung in der FPÖ nicht mehr in der Lage, Österreich in der EU mit einer Stimme zu vertreten. Auch in Österreich gebe es noch große Brocken zu erledigen, wie die Pensionsharmonisierung, die Gesundheitsreform oder die Bundesheerreform. "Das bleibt dann alles liegen", befürchtet der SPÖ-Politiker.

Als Zeichen des "Auflösungsprozesses" dieser Regierung wertet Cap auch den "Fluchtgedanken", von dem Kanzler Schüssel beseelt sei. "Das schwarz-blaue Schiff ist im Sinken und Schüssel will nur noch weg und Kommissionspräsident werden", stellte der gf. SPÖ-Klubobmann fest.

 

 Lopatka: Wahlergebnis bestärkt ÖVP in ihrer Europapolitik
Machen Sie sich keine Hoffnungen, Herr Cap!
Wien (övp-pk) - "Machen sie sich keine Hoffnungen, Herr Cap! Die Bundesregierung hat in der Vergangenheit gute Arbeit geleistet und wird dies auch in der Zukunft tun. Auf ihre deutsche Schwesterpartei, die SPD, trifft das freilich nicht zu. Dort können Sie sehen, wie eine Abfuhr seitens der Wähler wirklich aussieht", so ÖVP-Generalsekretär Abg.z.NR Dr. Reinhold Lopatka zu jüngsten Aussagen von Josef Cap. Die Österreichische Volkspartei habe als eine von wenigen Regierungsparteien in Europa Stimmen dazu gewinnen können. "Das sieht für mich nicht nach fehlendem Wählervertrauen aus, im Gegenteil: Das Wahlergebnis bestärkt uns von der ÖVP in unserer Europapolitik", so Lopatka.

Zudem solle Cap sich besser Gedanken über SPÖ-interne Probleme machen. Solange in der SPÖ Aussagen, wie jene von Alfred Gusenbauer und Josef Broukal getätigt würden, müsse sich Cap in erster Linie mit seiner eigenen Partei beschäftigen. "Die Bundesregierung wird jedenfalls weiterhin ihr Programm im Interesse Österreichs umsetzen. Das steht außer Zweifel", so Lopatka abschließend.

 

 Haider: Absage an "nationalliberale Sechsprozent-Kuschelpartei"
Die Öffnung für den "kleinen Mann" habe die FPÖ groß gemacht
Wien (fpd) - Der Kärntner Landeshauptmann Jörg Haider stellte am Dienstag (15. 06.) klar, dass er nicht wieder die Führung der Partei übernehmen werde. In der Partei müssten zuerst die Weichen gestellt werden, in welche Richtung sie gehen wolle, erst dann sollten Personalfragen gelöst werden, erklärte Haider in Richtung jener, die ihn zu einer Rückkehr an die Parteispitze aufgefordert haben.

Er werde jedenfalls einen Weg gehen, der "mein Projekt in Kärnten nicht gefährdet", sagte der erst im Herbst von den Kärntnern mit einem klaren Votum bestätigte Landeshauptmann. Die FPÖ müsse sich nach dem Wahlergebnis zuerst einmal positionieren, eine Gewissenserforschung betreiben, wohin sie gehen wolle. Denn die Partei habe den Österreichern anscheinend keine Antwort auf die vordringlichen europäischen Fragen geben können.

Die FPÖ habe sich bei Temelin und der Atomfrage nicht durchgesetzt, sie habe der Osterweiterung zugestimmt und sie habe bei der Zuwanderung ein Problem, führte Haider als Beispiele an. Seiner Auffassung nach sollte sich die Partei aber auf keinen Fall zu einer "kuscheligen Sechsprozentpartei von nationalliberalen, aufrechten Bürgern" entwickeln. Er habe immer die Linie vertreten, dass sich die Partei "für den kleinen Mann" öffnen müsse. Das habe auch den Aufschwung der Partei unter seiner Obmannschaft bewirkt.

In Richtung ÖVP erklärte Haider, dass sich die Frage nach der Fortsetzung der Koalition danach richten werde, ob große Umbrüche und tief greifende Reformen auf ganz normale, demokratische Weise möglich seien, "ohne dafür die Zeche vom Wähler präsentiert zu bekommen". Denn sonst sehe er die Gefahr, dass Rot-Grün nach der nächsten Wahl eine Mehrheit erreichen und die Früchte des Reformkurses ernten werde.

 

 Alle Wahlziele erreicht und noch dazu fast Europameister
Mölzer schmerzt mehr als Hans-Peter Martin
Wien (grüne) - Alle Wahlziele erreicht und noch dazu fast Europameister - so kommentiert der Grüne Bundessprecher Alexander Van der Bellen das Ergebnis der gestrigen Europa-Wahl für seine Partei. Mit 12,8 Prozent der Stimmen hätten die Österreichischen Grünen sogar ihre deutschen Freunde (11,9 Prozent) überflügelt, was eine "gewisse Befriedigung" vermittelt, meinte Van der Bellen in einer Pressekonferenz. Nur die luxemburgischen Grünen hätten mit 14,6 Prozent ein besseres Ergebnis erzielt. Dass Andreas Mölzer in das Europäische Parlament einzieht, schmerzt die Grünen mehr als der Sensationserfolg von Hans-Peter Martin.

"Hans-Peter Martin wird uns nächste Woche mehr beschäftigen als die nächsten fünf Jahre", sagte der Spitzenkandidat der gestrigen Wahl. Natürlich würde der Populismus Erfolge verzeichnen und dieser Erfolg zeige auch eine gewisse Instabilität der Demokratie. Martin würde von den Missständen leben und das wäre eine schlechte Grundlage, sie zu beseitigen. Solche Phänomene, Stichflammen, die dann nach kurzer Zeit wieder in sich zusammen fallen, gebe es immer wieder, so Voggenhuber.

Viel schmerzlicher ist da der wahrscheinliche Einzug von Andreas Mölzer in das EU-Parlament. Mölzer habe nicht die geringsten Berührungsängste mit den extremsten Nationalisten. Und wenn sich die "Archive öffnen" und Mölzers Aussagen zum Vorschein kommen, dann werde man sich in Europa einmal mehr fragen, was man in Österreich denn sagen müsse, um den Anspruch auf ein öffentliches Amt zu verlieren. Mölzers Einzug ins Europäische Parlament sei jedenfalls kein Beweis dafür, dass die extreme Rechte in Österreich gezähmt wurde, sagte Voggenhuber.

Die Regierungen dürften Europa-Politik nicht mehr "nebenberuflich" machen. Dadurch würden Missstände entstehen, die das Europäische Parlament wieder schwächen würden. Dieser Teufelskreis könne nur von den Regierungen durchbrochen werden. Die Grünen fordern die Regierungen auf, sich auf die Seite der Demokratie, des Verfassungsentwurfes des Konvents, der Menschenrechte und des Atomausstieges zu stellen und dafür zu kämpfen. Daran führe kein Weg vorbei, wenn Europa zu einen Hoffnungsprojekt werden und nicht länger der "Sündenbock" bleiben soll, sagte Voggenhuber.

Eva Lichtenberger wird gemeinsam mit Voggenhuber im Europäischen Parlament tätig sein. Sie will im Verkehrsausschuss arbeiten und sich für den Atomausstieg stark machen. Im österreichischen Parlament wird Wolfgang Zinggl Lichtenberger nachfolgen.
        
zurück