Kriegsfotografie als Propaganda im Ersten Weltkrieg
Wien (pr&d) - Erstmals in der Geschichte des Krieges wird im Ersten Weltkrieg die Fotografie
umfassend als Propagandamittel eingesetzt und so das eigene Nationalgefühl gestärkt und die Kriegsmacht
demonstriert. Dies ist das Ergebnis einer vom Wissenschaftsfonds FWF geförderten fotohistorischen Analyse
des Fotobestandes am Bildarchiv der Österreichischen Nationalbibliothek. Ein Großteil des österreichischen
Bildmaterials wurde vom k. u. k. Kriegspressequartier sogar in Auftrag gegeben und war damit ein gezielt genutztes
Propagandainstrument.
Der systematische Einsatz von Massenmedien im Dienst des Krieges ist spätestens seit dem Zweiten Weltkrieg
bekannt. Neben dem gesprochenen und geschriebenen Wort sollten vor allem Bilder die Stärken der eigenen Kriegsführung
demonstrieren und deren Schwächen kaschieren. Tatsächlich geht ein solcher Medienkrieg aber bereits auf
den Ersten Weltkrieg zurück. Durch die Analyse einer mehr als 33.000 Fotos (Original-Glasplattennegative und
Abzüge) umfassenden Sammlung von Kriegsfotografien lässt sich dieses nun belegen. Der Großteil
der Aufnahmen stammt von ost- und südosteuropäischen Kriegsschauplätzen.
Tote sind Tote des Gegners
Der aus dem Ersten Weltkrieg stammende Foto-Bestand am Bildarchiv der Österreichischen Nationalbibliothek
- es handelt sich im internationalen Vergleich um einen sehr umfangreichen und gut erhaltenen Fundus aus dieser
Zeit - wurde von dem österreichischen Fotohistoriker Anton Holzer erforscht. Mittels einer computerunterstützten
Projektdatenbank wurde eine Bildauswahl mit fotohistorischen Methoden genauer untersucht. Zu den einzelnen Bildern
wurden möglichst viele Informationen - Fotograf, Region, Thematik, historische Hintergründe - gesammelt.
Vergleichsstudien in ost- und südosteuropäischen Archiven lieferten ergänzendes Material. "Anfänglich",
so führt Holzer aus, "wurden die Fotografien vor allem im Vermessungswesen eingesetzt und neben anderen
Medien, etwa der Zeichnung und der Lithografie, zur allgemeinen Dokumentation des Kriegsgeschehens verwendet."
Bald aber erkannte man das Potenzial der Fotografie als Propaganda-Mittel. Fotografien der Kriegsschauplätze
sollten den eigenen Kampf heldenhaft, tapfer und erfolgreich darstellen. Dazu wurden die Aufnahmen einer strengen
Zensur unterworfen. "Viele Aspekte des Krieges durften im Interesse einer zielgerichteten Medien-Propaganda
nicht abgebildet werden. So waren die toten Soldaten auf den Schlachtfeldern immer Tote des Gegners. Die Hinweise
auf eigene Tote blieben indirekt. Abgelichtet wurden nur Beerdigungen und Gedenkfeiern", so Holzer.
Mobilisierung des fotografischen Blicks
Zur Umsetzung dieses Bild-Propaganda-Einsatzes wurden professionelle Fotografen offiziell vom k. u. k. Kriegspressequartier
beauftragt. In der zweiten Kriegshälfte wurden zunehmend auch Amateurfotografen in dieses Propagandanetz eingespannt.
Die zensurierten Aufnahmen wurden an die in- und ausländische Presse weitergereicht, in Ausstellungen gezeigt
und als Fotoplakate ausgehängt. "Auffallend ist, dass diese Fotografen nicht nur den Krieg an der Front
dokumentieren, sondern auch abseits vom Kriegsgeschehen die gewaltige Logistik des Krieges festhalten. In diesen
Fotografien wird die riesige Maschinerie des Krieges sichtbar. Der Erfolg der österreichischen Kriegsanstrengungen
wurde in allen Bereichen vorgeführt. Das zeigen Fotos von Telefon- und Funkanlagen, vom erfolgreichen Bahn-
und Straßenbau, von Nachschublagern sowie von Nahrungsmittellieferungen", erläutert Holzer. Aber
auch auf den Fotos von erbeuteten Waffen und gefangenen Soldaten, von Flüchtlingen und Zwangsarbeitern lässt
sich der propagandistische Blick des Krieges festmachen.
Insgesamt macht das Forschungsprojekt deutlich, wie weit die systematische Einbettung der Kriegsberichterstattung
in den militärischen Apparat zurückreicht. Für den FWF zeigt dieses Projekt, wie rasch Grundlagenforschung
einen tagesaktuellen Bezug herstellen kann und wie wichtig deshalb die Förderung solcher Projekte ist. Denn
der propagandistische Einsatz von Massenmedien erlebt gerade jetzt im Irak-Konflikt einen traurigen Höhepunkt. |