Wien (pk) - In seiner Plenarsitzung am Freitag (25. 06.) behandelte der Österreich-Konvent
die Berichte der Ausschüsse 4 "Grundrechtskatalog" und 8 "Demokratische Kontrollen".
Der Ausschuss 4 habe in seiner bisherigen Tätigkeit jene Stufe an Operationsfähigkeit erreicht, die die
Bedingung der Möglichkeit zur Bewältigung der noch anstehenden Fragen bildet, lautete die Zwischenbilanz
des Vorsitzenden Bernd-Christian Funk. Im Bereich der sozial- und leistungsstaatlichen Garantien stehen noch wesentliche
Vorarbeiten an, gab er allerdings zu bedenken. Einig sei sich der Ausschuss aber darüber, dass ein neuer Grundrechtskatalog
ohne die Gewährleistung sozialer Grundrechte nicht auskommen werden könne, und dass dieser auch Zielbestimmungen
und Gesetzesaufträge enthalten müsse. Klarheit bestehe auch darüber, dass die Gewährleistung
sozialer Grundrechte nicht mit Hilfe der klassischen Grundrechtsbeschwerde bewältigt werden könne, sondern
dass dafür eine neue Form des Rechtsschutzes notwendig sei.
Insgesamt zeichne sich, wie Funk berichtete, eine Nettoreduktion des Gesetzestextes ab. So dürfte etwa das
Staatsgrundgesetz von 1867 als eigener Text verzichtbar sein. Keine Probleme sah Funk bei der Abstimmung des künftigen
österreichischen Grundrechtskataloges mit den Grundrechten der neuen EU-Verfassung.
Christoph Grabenwarter begrüßte das Bekenntnis aller politischen Kräfte zur Aufnahme sozialer Grundrechte
und erwartete allgemein hinsichtlich des Grundrechtskataloges eine Mischung aus europäischer Menschenrechtskonvention
und österreichischen Alt- und Neubeständen. Für sinnvoll erachtet Grabenwarter die Verlängerung
des Mandats des Ausschusses, wobei er sich aber klare politische Vorgaben für die Arbeit wünschte. Dies
würde den "Zug zum Tor" herstellen, ohne dass andererseits die Erwartungen zu hoch geschraubt werden.
Maria Berger verwies ebenfalls auf die Bedeutung der sozialen Grundrechte und konstatierte, der Konvent würde
seinen Auftrag verfehlen, wenn er sich dieser Frage nicht stellte. Die Grundrechte der EU-Verfassung haben nach
Ansicht Bergers jedenfalls ein Mindeststandard zu sein, es müsse aber gelingen, justiziable Teilansprüche
zu verankern, um die Grundrechte individuell durchsetzbar zu machen.
Anna-Maria Hochhauser betonte, die Sicherung gewisser Grundbedürfnisse der Bürger treffe auf das volle
Verständnis seitens der Wirtschaft. Bei der Frage der staatlichen Gewährleistungen im sozialen Bereich
sei aber auch auf die wirtschaftlichen Möglichkeiten abzustellen. Sie plädierte für einen differenzierten
und kombinierten Ansatz von Staatszielbestimmungen, Aufträgen an den Gesetzgeber, institutionellen Garantien
und individuellen Grundrechten. Mit Nachdruck trat sie auch dafür ein, die unternehmerische Freiheit im Grundrechtskatalog
ausdrücklich anzuerkennen. Der bisher diskutierte Verweis auf die Berufsfreiheit erschien ihr dabei nicht
ausreichend.
Johanna Ettl unterstrich, ohne soziale Grundrechte dürfe es am Beginn des 21. Jahrhunderts in Österreich
keinen Grundrechtskatalog geben. Bei diesen Grundrechten müsse es sich aber um echte Rechte und nicht bloß
um blumigen Absichtserklärungen handeln. Mit unverbindlichen Gesetzgebungsaufträgen werde man nicht das
Auslangen finden, warnte sie. Wenn man die Forderung nach sozialen Grundrechten ernst nimmt, dann werde man um
individuell durchsetzbare Rechte nicht herumkommen, stand für Ettl fest. Rechte auf soziale Sicherung mit
angemessenem Schutz im Fall von Krankheit und Alter, adäquate Beschränkungen der Arbeitszeit sowie ein
gerechtes Entgelt sollten selbstverständlich sein. Wer dies alles nicht will, der soll es laut sagen und ebenso
laut begründen, schloss Ettl.
Terezija Stoisits begrüßte den Konsens über das Verbot der aktiven Sterbehilfe und machte auf die
Notwendigkeit der Verankerung eines Rechtes auf würdevolles Sterben aufmerksam. Darüber hinaus forderte
sie eine Klarstellung darüber, dass die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der Fristenlösung unberührt
bleibt. Die Verankerung sozialer Grundrechte in einem Grundrechtskatalog bezeichnete Stoisits als Selbstverständlichkeit.
Wesentliches Anliegen der Grün-Mandatarin war ferner die Aufnahme der Volksgruppenrechte in den Grundrechtskatalog.
Sie zeigte sich optimistisch, dass es gelingen werde, einen Minderheitenschutzartikel in die Verfassung einzubauen,
durch den Österreich in diesem Bereich eine europäische Vorreiterrolle einnehmen werde können.
Johannes Schnizer forderte für die Grundrechte durchsetzbare Ansprüche und sprach sich gegen "lehrbuchartige
Garantien" in der Verfassung aus. Was die sozialen Grundrechte betrifft, sah er keinerlei Widerspruch zu den
klassischen liberalen Grundrechten. Beide Rechte interpretierte er als institutionelle Garantien des Gesetzgebers,
bestimmte Ausgestaltungen zu treffen. Es sei nun Aufgabe des Ausschusses auch für die sozialen Grundrechte
ein entsprechendes Rechtsschutzsystem vorzuschlagen. So könnte nach den Entscheidungen der anderen Höchstgerichte
der Verfassungsgerichtshof angerufen werden, um in einem Feststellungsverfahren über die Verletzung des Grundrechtes
zu entscheiden. Dies müsste nach den Vorstellungen Schnizers mit einer Staatshaftung für den Fall der
Untätigkeit des Gesetzgebers und mit einer Möglichkeit der Verbandsklage verbunden sein.
Ewald Wiederin bemerkte kritisch, die heißen Eisen seien bis jetzt noch nicht angepackt worden. Die Ergebnisse
würden meist auf den Status quo hinzielen, über weite Strecken sei man bei den überkommenen Formulierungen
geblieben. Unglücklich zeigte sich Wiederin über den Vorschlag betreffend das Recht auf Asyl. Der Verweis
auf die Genfer Konvention sei zwar gut gemeint, bringe aber nichts, da diese kein Recht auf Asyl vorsieht.
Christine Gleixner wertete die Bestimmungen der EU-Verfassung über die sozialen Grundrechte als Standards,
die die neue österreichische Verfassung nicht unterbieten, sondern vielmehr ausbauen müsse. Ausdrücklich
begrüßte sie ferner den Konsens über die Ablehnung der aktiven Sterbehilfe und trat für die
Verankerung eines Rechtes auf menschliches Sterben ein. In der Frage der Religionsfreiheit vertrat sie den Standpunkt:
Freie Kirchen in einem freien Land und in einem freien Europa. Wünschenswert wäre in dieser Frage für
Gleixner überdies die Aufnahme einer Dialogklausel in die neue Verfassung.
Grundrechte seien die Basis einer modernen Gesellschaft, unterstrich Angela Orthner. Sie seien ein Vertrag mit
dem Staat und gäben die Sicherheit, worauf sich Bürgerinnen und Bürger verlassen könnten, welche
Rechte sie hätten und wie die Rechte durchsetzbar seien. Leider habe man sich noch nicht auf einen neuen Katalog
einigen können, bedauerte Orthner, der Zwischenbericht lasse aber klar erkennen, wohin die Reise gehe. Manche
Bereiche seien zwar zu wenig diskutiert worden, dennoch zeigte sich Orthner zuversichtlich, einen gemeinsamen Bericht
erreichen zu können, wenn alle Ausschussmitglieder dazu den Willen haben. Eine gute Basis liefere jedenfalls
die EU-Charta der Grundrechte. Abschließend bemerkte Orthner, dass die Frage der sozialen Grundrechte eine
schwierige sei, gleichzeitig bekräftigte sie das Bekenntnis der ÖVP zur Schaffung sozialer Grundrechte.
Johann Rzeszut würdigte anfangs die Leistung des Ausschussvorsitzenden, insbesondere dessen unglaublich konzeptive
Leistung außerhalb der Sitzungen. Dass der Grundrechtsbereich eine Sonderstellung einnehme, habe sich, so
Rzeszut, bereits im Jahr 1920 gezeigt. Grundrechte seien an sich eine Selbstverständlichkeit, konkret ginge
es aber darum, einen Ausgleich im Interessenkonflikt um Rahmenbedingungen zu schaffen. Für ein geordnetes
gesellschaftliches Zusammenleben bedürfe es Persönlichkeit und BürgerInnen, die Eigenverantwortung
übernähmen, was gleichzeitig auch die Verpflichtung auferlege, Schranken zu setzen. Alles in allem sei
man sowohl national als auch supranational gut unterwegs.
Kurt Stürzenbecher konzentrierte sich auf die Volksgruppenrechte, die derzeit äußerst zersplittert
festgelegt seien. Sie sollten daher in geeigneter Weise im Bundesverfassungsgesetz verankert werden, wobei neben
einer inhaltlichen Weiterentwicklung auch eine Vereinheitlichung sinnvoll erscheine. Stürzenbecher schlug
daher vor, ein zentrales Grundrecht zusätzlich zum Diskriminierungsverbot zu schaffen. In diesem Zusammenhang
wies er auf das sozialdemokratische Grundrechtsforum hin, das unter breiter Einbindung der VolksgruppenvertreterInnen
einen Vorschlag ausgearbeitet habe. Einen wichtigen Stellenwert räumte Stürzenbecher in diesem Zusammenhang
den Medien ein. Hinsichtlich des sozialen Grundrechts schloss er sich den Ausführungen Schnizers an und sprach
sich für eine Verankerung der Daseinsvorsorge und öffentlichen Dienstleistungen in geeigneter Form aus. |