Wien (oenb) - Anlässlich der Generalversammlung des Verbandes österreichischer Banken und Bankiers
am Mittwoch (23. 06.) betonte Dr. Klaus Liebscher, Gouverneur der OeNB und EZB-Ratsmitglied,
dass Österreich's Finanzsystem effizient, stabil und schockresistent ist und bezog sich dabei auf die vorläufigen
Ergebnisse des erstmals vom IWF für Österreich durchgeführten „Financial Sector Assessment Program“
(FSAP).
Demnach verfüge der Bankensektor über eine hohe Eigenmittelausstattung und eine gute Ertragskraft, die
wesentlich von der erfolgreichen Expansion der heimischen Kreditinstitute in Zentral- und Osteuropa gestützt
werde. Die Aufsichtsstandards im Banken-, Versicherungs- und Wertpapierbereich sowie jene betreffend Geldwäsche
befänden sich auf internationalem Niveau. Auch die Etablierung einer integrierten Aufsicht entspräche
den hohen internationalen Standards. Die Zusammenarbeit zwischen FMA und OeNB funktioniere gut.
Handlungsbedarf bestehe u.a. bei der Verbesserung der Ertragslage der österreichischen Banken auf dem Heimatmarkt.
Empfehlenswert sei auch die weitere Beobachtung allfälliger Risiken aus Fremdwährungskrediten für
Banken und Kreditnehmer.
Weiters berichtete Gouverneur Liebscher, dass der Basler Ausschuss für Bankenaufsicht Einigung hinsichtlich
der noch offenen Fragen zu Basel II erzielt habe. Er zitierte in diesem Zusammenhang auch aus zwei neuen, wissenschaftlichen
Studien zu den Auswirkungen von Basel II auf Banken sowie kleine und mittlere Unternehmen (KMUs): Laut dem „Barcelona
Report“ von Price Waterhouse Coopers würden durch Basel II die Eigenmittelanforderungen der EU-Banken sinken,
ihre Gewinne steigen und die KMUs mehrheitlich von günstigeren Kreditbedingungen profitieren. Die vom österreichischen
Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit in Auftrag gegebene KMU-Studie komme zu dem Schluss, dass bei
Krediten an KMUs generell mit einer Besserstellung in der Risikogewichtung gerechnet werden könne. Dies gelte
jedoch eher nicht für KMUs mit einem Kreditvolumen über 1 Mio. EUR und eigenkapitalschwache Branchen.
Im übrigen würdigte Gouverneur Liebscher die jüngste Erweiterung der Europäischen Union um
zehn neue Mitglieder als die endgültige Überwindung der politischen und wirtschaftlichen Spaltung Europa's.
Gleichzeitig mahnte er vor allem bei den bisherigen EU-Mitgliedern glaubwürdige Schritte zur Verbesserung
ihrer Wirtschaftsstrukturen und zur Verringerung der zunehmenden fiskalischen Ungleichgewichte ein. Dies würde
nicht nur die Rahmenbedingungen für die sich graduell abzeichnende, konjunkturelle Erholung in Europa verbessern,
sondern auch die europäische Integrationspolitik nachhaltig stützen.
Gouverneur Liebscher wies darauf hin, dass das derzeit sehr niedrige Zinsniveau und die damit günstigen Finanzierungsbedingungen
der Unternehmen kein Hindernis für die wirtschaftliche Entwicklung darstellt.
Jüngsten politischen Zurufen, die sich indirekt gegen die Unabhängigkeit des Eurosystems richteten, erteilte
er hingegen eine klare Absage. |