Gusenbauer:
Alternative heißt SPÖ oder ÖVP
"Schüssel zerbröselt schon wieder eine Regierung weg" – "FPÖ
im Auflösungsprozess"
Wien (sk) - Die Zuspitzung der politischen Auseinandersetzung auf die Alternativen SPÖ und ÖVP
konstatiert SPÖ-Vorsitzender Alfred Gusenbauer. "Es gibt zwei Projekte in Österreich": Einserseits
das SPÖ-Projekt, das u.a. für Pensionsharmonisierung, hohe Versorgung im Gesundheitswesen und aktive
Wirtschaftspolitik steht, andererseits die ÖVP, die im Gegensatz dazu Pensionskürzungen, eine Zwei-Klassen-Medizin
und Untätigkeit gegen die Arbeitslosigkeit betreibt, so Gusenbauer am Sonntag (20. 06.)
in der ORF-"Pressestunde". Zur Situation der Regierung sprach Gusenbauer von einer "schlechten Bilanz"
und völlig fehlender "innerer Stabilität". "Zum zweiten Mal bröselt Schüssel
eine Regierung unter der Hand weg"; die FPÖ befinde sich in einem "Auflösungsprozess".
Demgegenüber sei das programmatische Profil der SPÖ heute wesentlich schärfer als vor vier Jahren,
auch personell sei die SPÖ heute "deutlich besser aufgestellt".
Der Regierung weist Gusenbauer eine "schlechte Bilanz" aus: In allen "Hauptfächern" –
Pensionsharmonisierung, Gesundheitspolitik, Arbeitsmarktpolitik – müsse man ein "klares Nicht genügend"
austeilen, so der SPÖ-Vorsitzende. Wenn sich die Krise der Regierung weiter so zuspitze, "dass überhaupt
nichts mehr geht", dann schließe die SPÖ auch einen Neuwahlantrag nicht aus. "Wir werden sehen,
ob es im Herbst ein zweites Knittelfeld gibt."
Als Hauptproblem der FPÖ sieht Gusenbauer, dass "man nicht gleichzeitig in einer Regierung und außerhalb
sein kann". "Die FPÖ steht in der Tür, kann sich nicht entscheiden hineinzugehen oder draußenzubleiben,
und im Luftzug fliegen ihr die Wähler davon", verbildlichte Gusenbauer. Auch die Zuspitzung der politischen
Auseinandersetzung zwischen SPÖ und ÖVP mache es für die FPÖ viel schwieriger.
Zur Performance der einzelnen Regierungsmitglieder sagte Gusenbauer, dass "manche ihre Sache besser machen,
bei anderen hat man den Eindruck, sie haben kapituliert"; "es gibt Ausreißer nach oben und nach
unten". So habe etwa der scheidende Justizminister Böhmdorfer versucht, "einen Rest von Rationalität
zu bewahren", auch bei Verkehrsminister Gorbach und Umweltminister Pröll sieht Gusenbauer Positives:
"Auf der negativen Seite der Skala" sieht der SPÖ-Vorsitzende Arbeitsminister Bartenstein, "der
meint, es ist das Beste, gar nichts gegen die Arbeitslosigkeit zu tun" und Bildungsministerin Gehrer, die
auf den Unis "ein Chaos" verursacht habe.
"FPÖ als Steigbügelhalter der ÖVP"
Angesprochen auf künftige Koalitionsoptionen sagte Gusenbauer, dass die prinzipielle Frage sein werde, welche
Partei – SPÖ oder ÖVP – die stärkste bei der nächsten Nationalratswahl ist; es sei "eine
österreichische Unart, das Fell des Bären schon vor den Wahlen zu verteilen". Freilich empfehle
sich die FPÖ, die sich "im Auflösungsprozess befindet" und von den Wählern eine schwere
Absage bekommen hat, nicht gerade für eine Regierungsbeteiligung. Die FPÖ habe sich sachpolitisch zwar
manchmal SPÖ-Positionen angenähert, "in der Stunde der Wahrheit", bei Abstimmungen im Parlament,
agiere sie aber immer als "Steigbügelhalter der ÖVP". Als "sehr gut" bezeichnete
Gusenbauer sein Verhältnis zu Van der Bellen; er schätze die Zusammenarbeit mit den Grünen im Parlament
außerordentlich, es sei gut, dass sich die Grünen zu einer eigenständigen, selbstbewussten Partei
entwickelt hätten.
SPÖ-Parteitag: "Werde als Parteivorsitzender und Kanzlerkandidat kandidieren"
Beim kommenden Parteitag der SPÖ im Herbst werde er - auf Basis der guten politischen Bilanz und
aller gewonnenen Wahlen - als Parteivorsitzender und Kanzlerkandidat kandidieren, bekräftigte Gusenbauer.
Das politische Profil der Sozialdemokratie sei heute "viel schärfer" als noch vor vier, fünf
Jahren, auch personell sei die SPÖ heute breiter. Angesprochen auf Beliebtheitswerte verwies Gusenbauer darauf,
dass man in der Opposition oft auch "der Überbringer schlechter Nachrichten" sei; "wesentlich
sind aber die Wahlen, und da ist es uns doch gut gelungen, über die Rampe zu bringen, was wir wollen",
so Gusenbauer mit Hinblick auf die fünf gewonnen Wahlen des letzten Halbjahres. So sei etwa bei der EU-Wahl
das Antreten des ehemaligen SP-Spitzenkandidaten Martin "eine enorme Hypothek" gewesen; dass die SPÖ
in dieser Situation mandats- und stimmenstärkste Partei geworden ist, "hat selbst mich überrascht".
Angesprochen auf die Aussage von der "Pogrom-Stimmung" wiederholte Gusenbauer seine Klarlegung, dass
es "überspitzt beschrieben" um die Darstellung einer "aufgehetzten Stimmung" gegangen
sei. "Es ist inakzeptabel, wenn 1,8 Millionen SPÖ-Wahler taxfrei als Vaterlandsverräter bezeichnet
werden".
Als "unglaubliche Verleumdung" bezeichnete Gusenbauer Aussagen von Hans-Peter Martin über angebliche
ungeklärte "Geldflüsse" zur SPÖ. Diese Andeutungen seien "unerhört, unmoralisch
und eines Abgeordneten nicht würdig", die SPÖ werde den Rechtsweg beschreiten.
Gesundheitsreform: Partnerschaftsmodell der SPÖ tauglicher als Ausgrenzungsmodell der Bundesregierung
"Nur auf Basis von Veränderungen der Pensionskürzungen von 2003 kann es zu einer Harmonisierung
kommen", meinte Gusenbauer und übte in der Frage der Pensionsreform heftige Kritik an der FPÖ, die
jetzt das vertrete, wofür sich die SPÖ bereits vor einem Jahr eingesetzt hat: "Die FPÖ hat
sich in dieser Frage selbst aus dem Rennen genommen". Für Gusenbauer ist klar: "Gleichen Beiträgen
müssen gleiche Leistungen gegenüberstehen". Auch das integrative Gesundheitsmodell der SPÖ
war Thema der "Pressestunde": Ein Konzept, das keine "Zwei-Klassen-Medizin" bedeutet, das gleich
hohe Gesundheitsvorsorge für alle - unabhängig vom Einkommen - ermöglicht und das nicht zentralistisch
organisiert ist.
"Die Pensionskürzungsreform des Jahres 2003 akzeptieren wir nicht", betonte Gusenbauer. Es sei nicht
akzeptabel, dass jeder zweite, der heuer in Pension geht, Kürzungen vom bis zu zehn Prozent hinnehmen muss.
Gusenbauer verwies auf das Pensionsmodell der SPÖ, welches Harmonisierung und Reform in einem beinhalte. Gusenbauers
Forderung: "Gleichen Beiträgen müssen gleiche Leistungen gegenüberstehen". Harmonisierung
muss heißen: "Ein Pensionssystem für alle Österreicherinnen und Österreicher, das nach
den selben Grundsätzen funktioniert". Gusenbauer kritisierte im Rahmen der Diskussion um die Pensionsreform
das Verhalten der FPÖ: "Wenn eine Partei jeden Tag etwas anderes sagt, als sie tut, wird man hier zu
keinem Konsens kommen".
"Es gibt Berufsgruppen, von denen man nicht verlangen kann, dass sie bis 65 arbeiten", unterstrich der
SPÖ-Vorsitzende. Hier bedürfe es dringend Sonderegelungen, zum Beispiel für Schwerarbeiter und Schichtarbeiter.
"Natürlich kann es Harmonisierungs-Verlierer geben", so Gusenbauer, aber gerade im Öffentlichen
Dienst werde es "jede Menge Harmonisierungs-Gewinner" geben, wenn man die Harmonisierung "ordentlich"
macht, sagte Gusenbauer. Nicht alle, die im Öffentlichen Dienst tätig seien, würden soviel verdienen
wie die ASVG-Höchstpension, obwohl sie höhere Beiträge als jeder Privatangestellte zahlen müssten.
Gusenbauer forderte auch einen "Solidarbeitrag" von hohen- und Höchstpensionen, um die Pensionen
von heute arbeitenden Menschen zu finanzieren.
Gesundheitsreform: "Das Maß an Selbstbehalten hat in Österreich Obergrenze erreicht"
Was Selbstbehalte betreffe, liege Österreich im europäischen Spitzenfeld, kritisierte Gusenbauer.
Selbstbehalte würden keine Probleme lösen, diese Ansicht vertrete auch die OECD, da Selbstbehalte keine
Finanzierungsprobleme lösen und nur zusätzliche Zugangsbarrieren zum Gesundheitssystem darstellen, welche
für die Gesamtqualität absolut schädlich seien, so Gusenbauer. Es sei notwendig, eine Gesundheitsreform
durchzuführen, die jetzt alle Strukturreformen angeht, betonte Gusenbauer.
Das SPÖ-Konzept spricht sich klar gegen die Zwei-Klassen-Medizin aus und sieht eine gleich hohe Gesundheitsversorgung
für alle Menschen unabhängig vom Einkommen vor. Gusenbauer sprach sich dafür aus, "gesamtösterreichische
Ziele" zu definieren, auf Landesebene aber "größtmögliche Freiheit der handelnden Akteure"
zu gewähren. "Die Erfüllung der Leistungsziele muss einer klaren Prüfung und Evaluierung unterzogen
werden", so ein weiterer Aspekt des SPÖ-Gesundheitsmodells. Das SPÖ-Modell sei integrativ und beziehe
alle Leistungserbringer ein. Die Ärzte hätten sich klar gegen das Regierungsmodell von Gesundheitsagenturen
ausgesprochen, da dies ein Modell der "Ausgrenzung" sei. "Unser Partnerschaftsmodell ist bedeutend
tauglicher", ist Gusenbauer überzeugt. |
Lopatka: SPÖ-Chef konzept- und inhaltsleer
Erfolge von Rauch-Kallat, Gehrer und Bartenstein widerlegen seine Pauschalkritik
Wien (övp-pk) - "Die von vielen SPÖ- Spitzenfunktionären, wie zuletzt auch vom
ehemaligen SPÖ- Vizekanzler Androsch, geäußerten Vorbehalte betreffend der Führungsstärke
Gusenbauers, konnte dieser in der ORF- Pressestunde nicht entkräften", so ÖVP-Generalsekretär
Abg.z.NR Dr. Reinhold Lopatka am Sonntag (20. 06.). "Der immer stärker unter
Druck stehend SPÖ-Vorsitzende wirkte nicht nur nervös, er hinterließ auch einen konzept- und inhaltsleeren
Eindruck."
Die Kritik an Gesundheitsministerin Maria Rauch-Kallat, Bildungsministerin Elisabeth Geher und Arbeitsminister
Martin Bartenstein wies Lopatka entschieden zurück, denn "sie wird von den Fakten eindeutig widerlegt".
Entgegen den Aussagen Gusenbauers werde durch das ÖVP-Modell der Gesundheitsagenturen niemand ausgegrenzt
sondern alle im Gesundheitswesen Tätigen eingebunden. Gehrer habe die größte Universitätsreform
erfolgreich umgesetzt und auch die bisherige Arbeit von Bartenstein könne sich sehen lassen. "Bei den
Arbeitslosenzahlen befinden wir uns im europäischen Vergleich auf Platz zwei und bei der Jugendarbeitslosigkeit
haben wir europaweit sogar die niedrigste Arbeitslosenquote zu verzeichnen", sagte der ÖVP-Generalsekretär.
In diesem Zusammenhang wies Lopatka auch darauf hin, dass es im Vergleich zu Mai 1998, als es noch eine sozialdemokratische
Arbeitsministerin gab, heute um rund 3.400 Arbeitslose weniger und um rund 120.000 Beschäftigte mehr gibt.
Auch die Mittel für Arbeitsmarktpolitik wurden seit damals nahezu verdoppelt und betragen heute rund 1,5 Milliarden
Euro.
Bedauerlich fand Lopatka, dass Gusenbauer auch diesmal eine weitere Chance ungenützt ließ, sich für
seine untragbare Pogrom- Aussage zu entschuldigen. "Dieser Stil darf in der Politik nicht einreißen,
und schon gar nicht zum politischen Repertoire von Parteivorsitzenden zählen", so Lopatka abschließend. |
Scheibner: "Gusenbauer hat keine Konzepte für eine dynamische Arbeit für Österreich"
Nachfolge Fiedlers: "Es gibt keine Packelei zwischen FPÖ und ÖVP"
Wien (fpd) - Auch heute in der ORF-Pressestunde präsentierte sich SPÖ-Chef Gusenbauer
wieder einmal als "reiner Ankündigungspolitiker", dem Visionen, Konzepte und Reformvorschläge
für Österreich fehlen. Mit diesen Worten kommentierte FPÖ-Klubobmann Abg. Herbert Scheibner den
Auftritt von Alfred Gusenbauer in der Pressestunde.
Daß Gusenbauer keine Konzepte für eine "dynamische Arbeit für Österreich" habe,
zeige sich ganz klar bei seiner Linie in der Frage der Pensionsharmonisierung, die er in Wahrheit aufschieben möchte
und diese zu einem Junktim mit der ersten bereits beschlossenen Stufe der Pensionsreform mache. "Für
uns kommt ein Aufschieben der Harmonisierung nicht in Frage, denn wir halten an dem Zeitplan fest, daß bis
zum Ende des Sommers das Harmonisierungspaket geschnürt wird, damit im Herbst dann die parlamentarischen Verhandlungen
beginnen und die neuen Bestimmungen mit 1. Jänner 2005 in Kraft treten können", betonte Scheibner.
Scharf wies Scheibner die Aussagen Gusenbauers zurück, wonach es eine Packelei zwischen FPÖ und ÖVP
betreffend der Nachfolge von RH-Präsidenten Fiedler geben solle. "Diese Vorgangsweise mag wohl ein Mechanismus
aus der alten SP/VP-Koalition sein, aber für die FPÖ ist es wichtig, daß der beste Kandidat auch
RH-Präsident werden soll. Auch ist es bezeichnend für die SPÖ, daß diese einen hervorragenden
Fachmann, wie Dr. Josef Moser, schon vor dem Hearing versucht, hier schlecht zu machen. Im übrigen hat die
FPÖ zwei Kandidaten für das Hearing nominiert", so Scheibner an die Adresse Gusenbauers.
Gusenbauer sei ebenso gut beraten nicht immer über andere Parteien zu urteilen, denn bisher habe sich die
SPÖ selbst unter seiner Führung nicht wirklich konstruktiv gezeigt. "Gusenbauer muß zuerst
einmal dafür Sorge tragen, daß seine Partei eine staatstragende Rolle im Parteienspektrum Österreichs
einnimmt und nicht nur parteipolitisches Hick-Hack betreibt. Auch kann gerade Gusenbauer selbst nicht wirklich
Interesse an Neuwahlen haben, da er in seiner SPÖ derzeit nicht unumstritten ist. Auf alle Fälle kann
ich den SPÖ-Chef beruhigen, die nächste Nationalratswahl wird es erst zum regulären Termin im Jahre
2006 geben", schloß Scheibner. |