Wien (pk) - Mit einer ausführlichen aktuellen Aussprache begann der Außenpolitische Ausschuss des Nationalrats
seine Sitzung vom Mittwoch (30. 06.). Bundesministerin Benita Ferrero-Waldner skizzierte
dabei die vier Schwerpunkte ihres Ressorts in der nächsten Zukunft.
Die Prioritäten der österreichischen Außenpolitik, so Ferrero-Waldner, lägen gegenwärtig
am Balkan. Sie sei in Wien bereits mit dem Außenminister von SCG, Vuk Draskovic, zusammengetroffen und habe
Makedonien besucht, im Herbst wolle sie nach Albanien und nach Serbien-Montenegro reisen. Es sei von besonderer
Wichtigkeit, so die Außenministerin, nach der EU-Erweiterung und der Vorbereitung des nächsten Erweiterungsschrittes,
der für 2007 geplant sei, nun diese Region zu konsolidieren. Dabei komme auch dem Kosovo eine besondere Bedeutung
zu. Generell handle es sich hier um die wichtigste Initiative der regionalen Partnerschaft.
Hinsichtlich des Irak meinte das Regierungsmitglied, es sei erforderlich, dass man an der Befriedung und am Wiederaufbau
dieses Landes mitwirke, zumal es jetzt eine entsprechende Sicherheitsrats-Resolution gebe und die Verwaltung auch
offiziell in den Händen der Interimsregierung liege. Daneben komme auch dem Nahen Osten weiterhin eine wichtige
Rolle zu, an der Road Map müsse weitergearbeitet werden.
Einen weiteren Schwerpunkt sah die Ministerin im Abrüstungsbereich, wo vor allem das Engagement gegen Antipersonenminen
fortgesetzt werden solle. Menschenrechte, menschliche Sicherheit und der Kampf gegen den Menschenhandel bildeten
weitere zentrale Themen, so Ferrero-Waldner.
Hinsichtlich des EU-Verfassungsvertrages merkte die Ministerin an, es sei erfreulich, dass die Grundrechtscharta
jetzt verbindlich geworden sei. In institutionellen Fragen habe man tragfähige Kompromisse erzielt, auch sozialpolitische
Aspekte fänden entsprechende Berücksichtigung. Österreich habe sich hier prominent eingebracht und
wichtige Erfolge erzielt, was auch für die Gebiete Tier- und Umweltschutz, Struktur- und Ressourcenpolitik
gelte.
Schließlich kam die Ressortleiterin noch auf das Thema Frauenförderung im Außenamt zu sprechen,
wo sie darauf verwies, dass der Frauenanteil seit ihrem Eintritt in das Ressort fast verdoppelt wurde, dass auch
der Anteil bei den Leitungsfunktionen substantiell gestiegen sei. In diesen Belangen sei ihr Ressort "weit
über der Quote".
In einer Fragerunde wollte Abgeordneter Michael Spindelegger (V) wissen, wie die konkreten Details bei der Beistandsgarantie
aussähen. Prinzipiell, so Spindelegger, habe man bei der europäischen Verfassung einen wichtigen Durchbruch
erzielt, und das sei der wichtigste Punkt für die österreichische Außenpolitik zu diesem Zeitpunkt
gewesen. Zudem thematisierte der Abgeordnete die regionale Partnerschaft. Abgeordneter Josef Cap (S) fragte nach
dem Selbstverständnis der österreichischen Außenpolitik. Welche Rolle spiele Österreich international
wirklich? Cap vermisste entsprechende Aktivitäten und hinterfragte Entwicklung und Zukunft der regionalen
Partnerschaft.
Abgeordneter Reinhard E. Bösch (F) fokussierte in seiner Wortmeldung auf den Verfassungsentwurf und wollte
wissen, wie es mit einer plebiszitären Absegnung dieses Entwurfes stehe. Dieser Aspekt wurde auch von Abgeordneter
Ulrike Lunacek (G) angesprochen, die zudem ein Demokratiedefizit innerhalb der EU ortete, das nach wie vor gegeben
sei. Hinsichtlich der Frauenförderung im Außenamt meinte Lunacek, hier sei die Kurve nach 1995 merklich
abgeflacht, die großen Anstiege beim Frauenanteil seien zuvor erzielt worden. Schließlich wollte Lunacek
wissen, welche Schwerpunkte Österreich während seines Ratsvorsitzes 2006 zu setzen gedenke.
Abgeordneter Walter Murauer (V) meinte, der Schwerpunkt Südosteuropa sei sehr zu begrüßen, die
österreichische Außenpolitik sei dort zu finden, wo sie gebraucht werde. Er dankte der Ministerin für
ihr Engagement. Abgeordneter Caspar Einem (S) fragte nach Österreichs Position in der Kosovo-Frage und nach
den Bestellungskriterien für den österreichischen EU-Kommissar. Abgeordneter Herbert Scheibner (F) brachte
seine Sichtweisen über die weitere Vorgangsweise im Kosovo, im Irak und im Nahen Osten ein, wobei er vor zu
großem Optimismus im Kosovo warnte und meinte, Österreich habe eine Brückenfunktion zwischen der
EU und den Ländern im Nahen Osten, die es nützen sollte.
Ministerin Ferrero-Waldner erklärte, die regionale Partnerschaft sei von Anfang an auf lange Perspektive angelegt
gewesen, man befinde sich jetzt in der zweiten Phase, in der man innerhalb der EU zusammenarbeite. Der südosteuropäische
Raum sei daher der logische nächste Schwerpunkt, weil Österreich dort gut angesehen sei. Hinsichtlich
des Kosovo sei es zu früh, sich hier schon festzulegen, eine Lösung könnte eine Dezentralisierung
auf Gemeindeebene sein, wie dies in Makedonien gemäß dem Ohrid-Abkommen bereits praktiziert werde. Daneben
müsse man aber auch weiterhin andere Optionen prüfen.
Österreich bringe sich in allen Ratsgremien umfassend ein, meinte Ferrero-Waldner, die sich mit der Regelung
zur Beistandsgarantie zufrieden zeigte, die man auch mit Irland, Schweden und Finnland im Vorfeld akkordiert habe.
Die Ministerin nannte konkrete Details des Verfassungsentwurfs und wies u.a. darauf hin, dass das Europäische
Parlament auf 750 Mitglieder vergrößert werden solle, wodurch auch die kleinsten Staaten mindestens
sechs Abgeordnete stellen würden und so in allen Ausschüssen vertreten wären. Persönlich meine
sie, eine Annahme des Verfassungsvertrages mit der verfassungsmäßigen Mehrheit im Nationalrat sei ausreichend,
eine europaweite Volksbefragung wäre eine Alternative, die aber schwierig zu bewerkstelligen sei, zumal manche
Länder dieses Instrumentarium gar nicht kennen würden.
Hinsichtlich des österreichischen Kommissars meinte Ferrero-Waldner, es sei nun am Kommissionspräsidenten,
die einzelnen Portfolios zusammenzustellen, dann müsse man sich fragen, wer eigne sich wofür. Zu den
Schwerpunkten des österreichischen Ratsvorsitzes zählte die Ministerin den EU-Lateinamerika-Karibik-Gipfel,
das Treffen der EU mit den USA und Kanada, einen EU-Russland-Gipfel, die Zukunft des Balkans und die Nachbarschaftspolitik
der EU mit der Ukraine und dem Kaukasus sowie die weitere Vertiefung der Beziehungen mit den asiatischen Partnern. |
Eine Serie internationaler Abkommen
Einstimmig angenommen wurde ein bilaterales Abkommen mit Jordanien zur gegenseitigen Hilfeleistung bei
Katastrophen und schweren Unglücksfällen. Dieses Übereinkommen schafft den entsprechenden völkerrechtlichen
Rahmen für derartige Fälle. Es umfasst auch vorbeugende Maßnahmen, definiert u.a. die entsprechenden
Kontaktstellen und erleichtert den Grenzübertritt für Hilfskräfte im Katastrophenfall.
Ohne Diskussion angenommen wurden die beiden folgenden Punkte der Tagesordnung. Das betrifft zum einen die Beendigung
des aufgrund aktuellerer rechtlicher Bestimmungen innerhalb der EU, des EWR und bilateraler Übereinkommen
gegenstandslos gewordene Abkommen über die gegenseitige Anerkennung von Prüfungszeugnissen und Konformitätsnachweisen
mit der Schweiz sowie zum andern ein Übereinkommen zwischen den Vertragsstaaten des Übereinkommens zur
Gründung einer Europäischen Weltraumorganisation und der Europäischen Weltraumorganisation über
den Schutz und Austausch von der Geheimhaltung unterliegenden Informationen. Die Unterzeichnung dieses Abkommens
durch Österreich bedeutet, dass Österreichische WissenschaftlerInnen und Unternehmen gleichberechtigten
Zugang zu wichtigen Ausschreibungen und Aufträgen der ESA, insbesondere für Galileo, das weltweite unabhängige
europäische Radionavigationsnetz, erhalten.
Nach kurzer Debatte, in der nach einer Intervention von Ausschuss-Obmann Schieder klargestellt wurde, dass es sich
in der Materie ausschließlich um Maßnahmen innerhalb der EU handle, wurde dem
Übereinkommen, mit dem Österreich EU-Recht - das EU-Truppenstatut - übernimmt und die Rechtsstellung
der zum Militärstab der EU für die Erfüllung der so genannten Petersberger Aufgaben abgestellten
Personen geregelt wird, sowie dem Übereinkommen zwischen den EU-Mitgliedsländern betreffend einen gegenseitigen
Anspruchsverzicht der EU-Mitgliedsländer im Falle von Schäden bei EU-Krisenbewältigungsoperationen
außerhalb der Mitgliedsstaaten einstimmig die Zustimmung erteilt.
Im Januar 2004 wurde von den Mitgliedsstaaten der EU ein Mechanismus zur Verwaltung der Finanzierung der gemeinsamen
Kosten der Operationen der EU mit militärischen oder verteidigungspolitischen Bezügen namens "Athena"
eingerichtet. Ein eigener Rechtsakt regelt nun die erforderlichen Privilegien und Immunitäten im Zusammenhang
mit "Athena". Der entsprechenden Vorschlag erteilte der Ausschuss ohne Debatte einhellig die Zustimmung.
Ein weiteres Abkommen regelt die Assoziation zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten
einerseits und der Republik Chile andererseits. Für die EU ist Chile ein wichtiger Exportmarkt, und da das
Land weder Vollmitglied des MERCOSUR noch der Andengemeinschaft ist, bedarf es - wie im Falle Mexikos - zur Erweiterung,
Erleichterung und Vertiefung der Beziehungen eines eigenen bilateralen Abkommens. In der Debatte über die
Vorlage sprach SP-Abgeordnete Christine Muttonen die Frage der Minderheitenrechte, insbesondere der indigenen Bevölkerung,
sowie das Thema der zur Zeit der Diktatur verschwundenen Personen an. Abgeordnete Ulrike Lunacek (G) äußerte
Bedenken hinsichtlich des in das Abkommen integrierten Investitionsschutzabkommens und stellte einen Zusammenhang
mit den nach den Jahren der Militärdiktatur noch nicht wieder hergestellten gewerkschaftlichen Strukturen
in Chile her. Außerdem kritisierte sie das "demokratiepolitische Defizit" beim Zustandekommen des
Abkommens sowie umweltpolitische Mängel.
Außenministerin Benita Ferrero-Waldner hingegen sieht in dem Abkommen einen Beitrag gerade zur Förderung
der Demokratie in Chile sowie - im Sinne eines "Modellabkommens" - in ganz Lateinamerika. In Richtung
Abgeordneter Muttonen erklärte sie, Minderheitenrechte wie die Frage der indigenen Bevölkerung seien
nicht in dem Abkommen thematisiert, aber im Zusammenhang mit Menschenrechten inkludiert. Das Abkommen fand bei
der Abstimmung eine Mehrheit.
Ein Antrag der Grünen, dass hinsichtlich der Schulden des Irak die Legitimität bzw. Illegitimität
von Forderungen geprüft und illegitime Forderungen zur Gänze erlassen werden sollen, wurde auf mit Hinweis
darauf, dass ein gleich lautender Antrag dem Finanzausschuss vorliege, mit Mehrheit vertagt.
Nach kurzer Debatte, in der die Abgeordneten Petra Bayr (S), Karin Hakl (V) und Ulrike Lunacek (G) ihrer Freude
über die Vierparteien-Einigung auf einen gemeinsamen Antrag Ausdruck gaben, der für rasches Handeln gegen
massive Menschenrechtsverletzungen sowie Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sudan eintritt, wurde dieser Antrag
einstimmig angenommen.
Ausschussobmann Peter Schieder verabschiedete in dieser Sitzung zwei Mitglieder des Gremiums: Evelin Lichtenberger,
die in das Europäische Parlament, und Eduard Mainoni, der auf die Regierungsbank wechselt. |