Morak im NR: Schritt zur Sicherung des Medienstandortes Österreich
Wien (pk) - Der Inhalt, noch mehr aber die Vorgangsweise beim Zustandekommen eines Mediengesetzes,
bestimmte am Freitag (09. 07.) den Beginn der Debatte im Nationalrat. SP-Klubobmann
Dr. CAP kritisierte die "unverständliche Eile" bei dem Gesetz, das nicht im Ausschuss diskutiert
worden sei und das eine neue gesetzliche Regelung für den ORF bedeute. Schon jetzt gebe es ausreichende Kontrollmöglichkeiten;
es seien daher weder der Inhalt der Novelle noch die Eile dabei verständlich. Cap, der eine wirtschaftliche
Benachteiligung des ORF konstatierte, sieht in der Vorlage ein "eklatantes Misstrauensvotum" gegenüber
ORF-Generaldirektorin Lindner. KommAustria und Bundeskommunikationssenat, die Cap als "Metternichbehörde"
apostrophierte, könnten Druck auf den ORF ausüben, und dem werde jetzt auch noch materieller Druck hinzu
gefügt.
Die SPÖ hätte es zwei Mal abgelehnt, aus der so genannten Metternichbehörde eine unabhängige
Behörde zu machen, konterte Abgeordnete Dr. BAUMGARTNER-GABITZER (V). Mit der Vorlage würden bundesweite
Privatradios und damit eine wichtige Bereicherung der österreichischen Radiolandschaft ermöglicht. Lizenzen
seien im Auslaufen, es brauche stabile Rahmenbedingungen, rechtzeitiges Agieren sei daher angezeigt, argumentierte
Baumgartner-Gabitzer. Zudem gelte es, EU-Richtlinien umzusetzen. Der Opposition warf sie vor, selbst die Debatte
im Ausschuss verhindert zu haben, weil sie sich gegen eine Ergänzung der Tagesordnung in der Sitzung des Verfassungsausschusses
gestellt hätte.
Dies wies Abgeordnete Dr. GLAWISCHNIG (G) zurück: Es sei "unglaublich", der Opposition die Verantwortung
in die Schuhe schieben zu wollen. Die Koalition hätte Monate für eine Einigung gebraucht; Glawischnig
stellte den Antrag, die Vorlage an den zuständigen Verfassungsausschuss rückzuverweisen. Inhaltlich zeigte
sich die Mandatarin namens ihrer Fraktion offen, wobei sie allerdings die mangelhafte Vorbereitung kritisierte;
so gebe es etwa keine Kostenschätzung für das vorgesehene Monitoring, auch sei die Basis für das
Anzeigerecht der KommAustria nicht definiert, was stark nach politischer Intervention rieche.
Die Geschwindigkeit der Vorgangsweise ist auch nach Meinung von Abgeordneter Dr. BLECKMANN (F) nicht optimal, sie
sei aber nach Ansicht von Experten wichtig. Das Anzeigerecht sei wichtig, meinte sie, und wies die Metternich-Assoziation
zurück, indem sie es mit der Kontrolle der Gurtenpflicht verglich. Die Sozialdemokraten hätten heute
erneut die Möglichkeit, für die Unabhängigkeit der Behörde zu sorgen, sagte Bleckmann, und
brachte einen entsprechenden Entschließungsantrag ein. Außerdem legte sie einen V-F-Abänderungsantrag
vor, der das Beschwerderecht von 120 Personen resp. gebührenzahlenden Haushalten normiert und die Verschlüsselung
von Sendungen mit "unreflektierter Darstellung sexueller Handlungen" vorsieht.
Die Novelle der Mediengesetze lasse positive Entwicklungen in der österreichischen Medienlandschaft zu, hielt
Staatssekretär MORAK fest. Man hätte sich alle diese Auseinandersetzungen erspart, hätte nicht vor
Jahrzehnten Bruno Kreisky einen Vorschlag des damaligen ORF-Generalintendanten Bacher abgelehnt, ORF via Satelliten
auszustrahlen. Die Novelle stelle Orientierung im "Digitalisierungs-Dschungel" sicher, sagte Morak, der
dafür einen wesentlichen Ansatz im Werbemarkt sieht. Die Novelle sei ein Schritt zur Sicherung des Medienstandorts
Österreich.
Abgeordneter Dr. WITTMANN (S), der Obmann des Verfassungsausschusses, rekapitulierte zunächst die Geschichte:
Es sei vereinbart gewesen, dass die Vorlage am 8. Juni von der Regierung beschlossen werde, und für den 29.
Juni sei eigens dafür eine Sitzung des Verfassungsausschusses einberufen worden. Am 28. Juni habe es einen
Initiativantrag gegeben, von dem aber weder ein Gesetzestext noch ein Deckblatt vorgelegen seien, was Wittmann
als parlamentarisch unüblich wertete. Scharf wandte er sich dagegen, die Kontrollbehörde zuerst mit "Günstlingen"
der Regierung zu besetzen, um sie dann als unabhängige Behörde zu statuieren.
Abgeordnete MACHNE (V) verteidigte die Novelle mit dem Hinweis auf die Notwendigkeit von Planungssicherheit für
die Privatradios. Im Verfassungsausschuss sei keine Abstimmung, sondern nur Diskussion beabsichtigt gewesen. An
die Sozialdemokraten appellierte sie, über ihren Schatten zu springen und der Vorlage zuzustimmen.
Staatssekretär MORAK meldete sich ein zweites Mal zu Wort, um den von Abgeordnetem Dr. Wittmann verwendeten
Begriff "Günstlinge" scharf zurück zu weisen. Der Leiter der KommAustria sei ein unabhängiger
Richter im VwGH, betonte Morak.
Sie würde sich nie dazu versteigen, unabhängige Richter zu maßregeln, stellte Abgeordnete Mag.
STOISITS (G) klar. Es gehe in der Frage aber nicht um die Integrität von Personen, sondern um die Unabhängigkeit
einer Behörde, und die betreffenden Personen gelte es vor Druck zu schützen: "Die sollten gar nicht
in die Situation kommen, sich darüber Gedanken machen zu müssen, ob sie dem Druck standhalten können",
betonte Stoisits. Die von der Koalition eingeschlagene Vorgangsweise nannte sie "haarsträubend, dem Parlamentarismus
widersprechend" und eine "Desauvouierung der Opposition". Zum Abänderungsantrag bemerkte sie,
sie sei sehr einverstanden mit dem Verschlüsselungsgebot bei der Darstellung sexueller Handlungen; Ähnliches
sei aber auch bei Gewaltdarstellungen angezeigt. Genau über diese Fragen aber wäre eine umfassende Debatte
im Ausschuss vonnöten.
Abgeordneter Dr. BÖHMDORFER (F) erinnerte daran, dass noch Mitte der neunziger Jahre der ORF über ein
unangefochtenes Monopol verfügte und dieses erst durch ein Erkenntnis der EuGH abgeschafft werden musste.
Seither und auch mit der heutigen Novelle habe man riesige Schritte in Richtung Liberalisierung und Meinungsäußerungsfreiheit
gemacht, dies könne man aber nicht gleich setzen mit dem freien Empfang. Durch das Objektivitätsgebot
habe sich der ORF an bestimmte Rahmenbedingungen zu halten und müsse allen Bürgerinnen und Bürgern
zur Verfügung stehen. Böhmdorfer unterstrich die Wirtschaftsmacht der Medien im Werbebereich und meinte,
es sei zulässig, dass auch in dieser Hinsicht der ORF überprüft werde. Die vorliegenden Änderungen
stellen laut Böhmdorfer ein Angebot an die Opposition dar, die KommAustria weisungsfrei zu stellen, offensichtlich
wolle das die Opposition jedoch nicht. Abschließend ging Böhmdorfer auf die Popularbeschwerde ein und
meinte, dass in dieser Hinsicht eine Erleichterung erfolge. 300 Unterschriften von LizenznehmerInnen einzuholen,
sei schwierig gewesen, nun bedürfe es lediglich 120 Unterschriften von Bürgerinnen und Bürgern,
wobei nur ein Lizenznehmer im Haushalt notwendig sei.
Abgeordneter PRÄHAUSER (S) kritisierte, dass das Gesetz nur mangelhaft den Bedürfnissen der Radiobetreiber
entspreche. Grundsätzlich sei die Möglichkeit überregionaler Zusammenschlüsse positiv zu bewerten,
das Gesetz stärke aber die "zweieinhalb großen Betreiber" und die kleinen blieben übrig.
Durch die Möglichkeit für die Großen, lokale Werbefenster zu schaffen, komme es zu einer Existenzbedrohung
für die Kleinen. Von ihnen könne man daher auch nicht die Ausbildung junger Leute erwarten. Prähauser
nimmt daher an, dass eine Novellierung bald wieder nötig sein werde.
Abgeordnete TURKOVIC-WENDL (V) stellte fest, dass sich der ORF immer an der BBC orientiert habe, und den ORF zeichne
in der Vergangenheit bis heute ungeheure Qualität aus. Der ORF brauche daher keine Konkurrenz zu scheuen,
weshalb sie für eine Öffnung plädiere. Mit der vorliegenden Novelle werde nicht nur eine EU-Richtlinie
umgesetzt, es werde auch Wettbewerbsgleichheit geschaffen und ein entscheidender Reformschritt in der Medienlandschaft
in die Wege geleitet.
Abgeordnete Mag. GROSSMANN (S) wies darauf hin, dass die Medien im allgemeinen und insbesondere die Unterhaltungssendungen
eine der wichtigsten Bildungsquellen darstellten. Viele junge Menschen und vor allem auch Kinder seien in großem
Ausmaß von synthetischen Welten umgeben, woraus den Medienmachern und jenen, die die Rahmenbedingungen schaffen,
eine große Verantwortung erwüchse. Dies müsse man auch vor dem Hintergrund der notwendigen Wirtschaftlichkeit
sehen. Grossmann bewertete zwar die verschlüsselte Ausstrahlung pornographischer Sendungen als positiv, sie
hält es aber auch für wünschenswert, Gewaltverherrlichungen in das Gebot der Verschlüsselung
mit einzubeziehen. Allgemein hofft sie, dass sich der ORF seiner Vorbildwirkung bewusst ist, den Quotenwettlauf
nicht mitmacht und den bis jetzt zufrieden stellenden Weg nicht verlässt. Grossmann bezweifelt aber, dass
die Kontrollmöglichkeiten ausreichend gestaltet sind. Abschließend bedauerte sie die aus ihrer Sicht
mangelnde Förderung freier und nicht kommerzieller Radios.
Für Abgeordneten PRASSL (V) stellen die in Diskussion stehenden Änderungen einen wesentlichen Reformschritt
und eine Bereicherung für die österreichische Medienlandschaft dar. Die rasche parlamentarische Vorgangsweise
rechtfertigte er damit, dass eine spätere Beschlussfassung höchst problematisch wäre. Dies nicht
nur deshalb, weil man sonst ein Vertragsverletzungsverfahren riskiere, sondern auch, weil man privaten Anbietern
rasch mehr Chancen bieten wolle, landesweit auszustrahlen.
Abgeordneter Mag. DARABOS (S) bezeichnete es als "traurig und beschämend", dass die Opposition in
einer derart hochsensiblen und demokratisch wichtigen Materie nicht eingebunden war. Offenbar, so Darabos, wolle
die ÖVP den ORF noch mehr in Geiselhaft nehmen. Durch die wirtschaftliche Zwangsjacke gefährde die ÖVP
die Überlebenschancen des ORF. Darabos ortete eine enorme politische Einflussnahme und mutmaßte, dass
es ein "schwarzes Telefon" zwischen Klubobmann Molterer und Mück gebe. Die SPÖ stimme dem Gesetz
auch deshalb nicht zu, weil das gesamte ORF-Gesetz schlecht und die Regierung wieder in Richtung "Speed kills"
unterwegs sei. Die SozialdemokratInnen träten daher für eine Rückverweisung ein.
Abgeordnete Dr. GLAWISCHNIG (G) kündigte an, dass die Grünen dem ÖVP-FPÖ-Entschließungsantrag
betreffend Unabhängigkeit der KommAustria zustimmen werden. Gleichzeitig stellte sie klar, dass die Grünen
für die Unabhängigkeit und Weisungsfreiheit der KommAustria seien, deren Struktur aber schlecht sei und
eine starke Regierungslastigkeit aufweise. Das Gesetz selbst müssten die Grünen daher ablehnen.
Bei der Abstimmung wurde der Rückverweisungsantrag der SPÖ mit den Stimmen von ÖVP und FPÖ
mehrheitlich abgelehnt.
Der Gesetzesvorschlag selbst wurde unter Berücksichtigung eines Abänderungs- und Zusatzantrages der Regierungsfraktionen
mehrheitlich von ÖVP und FPÖ angenommen.
Der FPÖ-ÖVP-Entschließungsantrag betreffend die Unabhängigkeit der KommAustria wurde mehrheitlich
von ÖVP, FPÖ und Grünen angenommen. |