Ein Bild sagt mehr als 1000 (Schicht-)Bilder  

erstellt am
08. 07. 04

Radiologem müssen bis zu 1500 Schnittbilder sichten, um Gefäßerkrankungen diagnostizieren zu können. Informatiker der Technischen Universität Wien haben Verfahren entwickelt, in der erkrantkte Stellen in Sekundenschnelle sichtbar sind.
Wien (tu) - Radiologen nehmen - unter anderem - Blutgefäße unter die Lupe, um festzustellen, ob sie verengt, verkalkt oder verstopft sind. Dazu verwenden sie modernste Computer Tomographen, die in nur 40 - 70 Sekunden bis zu 1500 Schnittbilder erstellen. Um zu erkennen, ob und wo pathologische Veränderungen der Gefäße vorliegen, muss der Radiologe jedes Bild (!) sprichwörtlich unter die Lupe nehmen. Das ist langwierig und meist sehr diffizil. Um den Radiologen ihre medizinische Aufgabe zu erleichtern, haben Informatiker der Technischen Universität Wien Verfahren entwickelt, die in kürzester Zeit einen Überblick über das erkrankte Gefäß bieten.

"Ein Mehr an Information aus den Bildern zu gewinnen, indem man die analysierten Daten visuell aufbereitet", so beschreibt Armin Kanitsar, Informatiker an der Technischen Universität Wien, das Wesen seiner Forschungsarbeit. Durch die verwendeten Darstellungsverfahren werden unerwünschte Verdeckungen mit anderen anatomischen Strukturen, wie beispielsweise den Knochen, verhindert. Ein Längsschnitt durch den Gefäßbaum zeigt das Gefäßlumen, d.h. den Druchmesser, in einem einzelnen Bild. Auf Knopfdruck lässt sich nun in Sekundenschnelle erkennen, wo sich die erkrankte Stelle befindet.

Die Praxisrelevanz der interdisziplinären Arbeit des jungen TU-Forschers wurde von Beginn an durch die intensive Kooperation mit dem medizinischen Projektpartner Prof. Dominik Fleischmann begründet. Die von Armin Kanitsar entwickelte Software ist nun bereits im AKH, an der Universität in Stanford und an weiteren Uni-Kliniken im Einsatz.

Gefäße virtuell aufklappen
Moderne bildgebende Verfahren und effiziente Algorithmen ermöglichen es, anatomische Strukturen virtuell dreidimensional zu rekonstruieren. Abstrakte Informationen, wie die Zentralachse eines Gefäßes, können dadurch berechnet werden. Basierend auf diesem zusätzlichen Wissen werden anwendungs-spezifische Darstellungsverfahren entwickelt.

Durch die Extraktion einer längsverlaufenden Schnittebene entlang der Zentralachse wird der Längsschnitt eines Gefäßes sichtbar. Wichtige Eigenschaften, wie der Durchmesser (das Gefäßlumen) und mögliche Anomalien (z. B. Verkalkungen), werden in dieser Schnittebene sichtbar. Dieses Verfahren wird als Curved Planar Reformation (CPR) bezeichnet.

Durch Armin Kanitsars Entwicklung können nun auch verzweigte Gefäßstrukturen, so genannte Gefäßbäume, in einer einzelnen Darstellung abgebildet werden. Da die anatomische Zusammengehörigkeit erhalten bleibt, ist die Identifizierung und Positionierung von Gefäßkrankheiten auf einen Blick möglich.

Nach Belieben drehen und wenden
Für die Darstellung von einzelnen Gefäßen stehen drei Basismethoden zur Verfügung, die unterschiedliche Eigenschaften wie Längentreue, Überdeckungsfreiheit und Raumbezug besitzen. Der medizinische Einsatz dieser Darstellung erfordert zusätzlich eine flexible Ausrichtung der Schnittebene. Anders ausgedrückt: man muss das Gefäß "drehen" können.

Auf diesen Basismethoden bauen die Multi-Path Methoden auf, welche die Darstellung von verzweigten Gefäßstrukturen ermöglichen. Um die Eigenschaft der Überdeckungsfreiheit - ein Gefäß verdeckt weder sich selbst, noch ein anderes Gefäß - auch für Gefäßbäume zu ermöglichen, wurde eine spezielle Multi-Path Methode entwickelt. Wie Tentakel eines Tintenfisches werden dabei die Blutgefäße automatisch entwirrt.

Für seine Forschungsarbeit "Curved Planar Reformation for Vessel Visualization", die unter der Leitung von Prof. Eduard Gröller als Dissertationsvater am Institut für Computergraphik und Algorithmen und bei der Firma TIANI Medgraph entstanden ist, wurde Armin Kanitsar von der TU Wien mit dem 13.000,- Euro dotierten "Ressel-Preis" ausgezeichnet. Neben dem persönlichen Erfolg der Auszeichnung für Armin Kanitsar werden diese Mittel einen weiteren Impuls für den Bereich der medizinischen Visualisierung an der TU Wien liefern.
     
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