Harmonisierung der Pensionssysteme  

erstellt am
19. 07. 04

Gusenbauer fordert 10-Prozent "Verlustdeckel" bis 2015 und Änderungen für Schwerarbeiter und Frauen
Regierungs-Entwurf ist "Harmonisierung, die diesen Namen nicht verdient"
Wien (sk) - Die massive Kritik der SPÖ am Regierungs-Entwurf zur Harmonisierung bekräftigte Freitag (16. 07.) in einer Pressekonferenz SPÖ-Vorsitzender Alfred Gusenbauer. Die geplante Reform sei eine "Harmonisierung, die diesem Namen nicht verdient" und führe nur zur "Aufdoppelung" von Verlusten aus der Pensionsreform 2003. Zudem gebe es noch gar kein Verhandlungsergebnis mit dem Öffentlichen Dienst. Vor allem auch die ungleichen Beitragssätze für ASVG-Versicherte und für Bauern und Selbständige und die Regelungen für Schwerarbeiter stoßen auf Gusenbauers Ablehnung. Sowohl in diesen beiden Bereichen als auch beim Pensionskorridor für Frauen müsste es Änderungen geben. Zudem fordert Gusenbauer einen Gesamt-Verlustdeckel von zehn Prozent. Kanzler Schüssel wirft der SPÖ-Chef "Überheblichkeit" vor und einen "Alleingang" zu unternehmen.

"Das Hauptziel einer Harmonisierung, unterschiedliche Systeme zusammenzuführen, ist nicht erreicht", verwies der SPÖ-Vorsitzende vor allem auf die Tatsache, dass mit dem Öffentlichen Dienst noch gar kein Verhandlungsergebnis vorliege. Die Reform, wie sie geplant ist, zementiere Ungerechtigkeiten zwischen den Berufsgruppen ein und schaffe neue Ungerechtigkeiten, da es für ASVG-Versicherte zusätzlich zu den Kürzungen aus der Reform 2003 neue Kürzungen gebe. "Bevor es überhaupt zu einem gerechten System kommt, werden die Arbeiter und Angestellten zum zweiten Mal zur Kasse geben", kritisierte der SPÖ-Vorsitzende

Die Forderungen der SPÖ: Bis zum Jahr 2015 sollten alle Verluste - sowohl aus der längeren Durchrechnung als auch aus früherem Pensionsantritt - mit zehn Prozent Verlust gedeckelt werden; dieser Zeitraum ergebe sich aus der prognostizierten schwierigen Lage am Arbeitsmarkt, die bis 2015 ein Pensionsalter von 65 Jahren "für viele Arbeitnehmer außerordentlich hypothetisch macht", wie Gusenbauer betonte. Für Schwerarbeiter dürfte es zweitens keine zusätzlichen Abschläge geben, und für Frauen müsse ebenfalls ein "Pensionskorridor" geschaffen werden, weil alles andere auch gleichheitswidrig sei. Und schließlich sollten gleiche Beiträge auch zu gleichen Leistungen führen, so die Forderung der SPÖ. Hier kann sich Gusenbauer ein stufenweises Ansteigen der Beitragssätze von Bauern und Selbständigen auf das ASVG-Niveau vorstellen.

Gerade in diesem Punkt ortet Gusenbauer eine "Gerechtigkeitslücke", da Bauern und Selbständige nach den Plänen der Regierung weiterhin einen niedrigeren Beitragssatz haben. Kritik übte er deshalb auch an Kanzler Schüssel, der zwar Verständnis für die Situation von Bauern und Selbständigen gefordert hatte, aber offensichtlich weniger Verständnis für Schwerarbeiter aufbringe. Hier wies Gusenbauer noch einmal darauf hin, dass auch Schwerarbeiter bei früherem Pensionsantritt Verluste von derzeit bis zu 20 Prozent, später sogar bis zu 25 Prozent erwarten müssen. Zu den HauptverliererInnen durch die Reform der Regierung gehörten auch Frauen, da durch die lebenslange Durchrechnung "jedes Monat Teilzeitarbeit voll auf die Pensionshöhe durchschlägt - und das bei den ohnehin sehr niedrigen Frauenpensionen". Die nun geplante bessere Bewertung von Kindererziehungszeiten müsse deshalb auch vor dem Hintergrund der lebenslangen Durchrechnung gesehen werden, weil ohne diese Neubewertung von Ersatzzeiten "die Frauenpensionen ins Bodenlose fallen würden". Deshalb zeigte sich Gusenbauer auch skpetisch, was eine partielle Zustimmung der SPÖ etwa zu den Ersatzzeiten betrifft: "Ein Haus, das auf einer schiefen Ebene steht, das rutscht."

Auch die Österreicherinnen und Österreicher würden die Fakten klar sehen, haben doch laut einer aktuellen Umfrage 75 Prozent der Bevölkerung erhebliche Zweifel, ob es sich hier um eine wirkliche Harmonisierung handelt. Anstelle der Kürzungen aus der Pensionsreform 2003 hätte ein neues Pensionssystem treten müssen - die SPÖ habe ein Modell vorgeschlagen.

Gusenbauer wies auch darauf hin, dass sich die kritischen Stimmen aus den Reihen von ÖVP und FPÖ mehren würden. "Offensichtlich war das ein völliger Alleingang von Kanzler Schüssel, der mit niemandem das Gespräch gesucht hat. Nun gibt es Widerstand - etwa aus dem ÖAAB und von einigen Landeshauptleuten", so der SPÖ-Vorsitzende, der sich auch fragt, warum Sozialminister Haupt und FPÖ-Obfrau Haubner überhaupt zugestimmt haben, wenn sie sich nun täglich von dem Entwurf distanzieren. Als "einigermaßen überheblich und undemokratisch" bezeichnet der SPÖ-Vorsitzende auch heutige Aussagen Schüssels, wonach der Entwurf ohne weitere Abklärung umgesetzt werden soll. "Wozu gibt es dann überhaupt ein Begutachtungsverfahren, wenn der Entwurf auf Punkt und Beistrich durchgezogen werden soll? Ich empfehle dem Bundeskanzler, vom hohen Ross zu steigen und die Bedenken der Betroffenen ernst zu nehmen", so Gusenbauer.

Gefragt danach, ob die Länder und Gemeinden die Harmonisierung so umsetzen sollen, antwortete der SPÖ-Chef: "Was soll durchgeführt werden?" Es gebe überhaupt keine Ergebnisse mit dem Öffentlichen Dienst, keine Regelungen für Bundesbeamte, sondern nur weitere Kürzungen für ASVG-Versicherte. Aus diesem Grund sei es "unverfroren", was sich ÖVP und FPÖ hier vorstellen. Die SPÖ stimme einer Ausdehnung des Geltungsbereichs der Scheinharmonisierung nicht zu, denn der Entwurf sei in hohem Maß korrekturbedürftig. Sollte es zu einem inhaltlichen Konsens kommen, dann könne man auch über eine Ausdehnung des Geltungsbereiches reden.

 

 Lopatka: Nichts Neues aus der Löwelstrasse
Gerade für Frauen bringt die Harmonisierung wichtige Fortschritte
Wien (övp-pk) - "Mit den ewig gleichen Phrasen, leider aber ohne Argumente meldet sich nun auch SPÖ-Chef Gusenbauer zu Wort", kritisierte ÖVP-Generalsekretär Abg.z.NR Dr. Reinhold Lopatka am Freitag (16. 07.). "Die vorliegende Pensionsharmonisierung ist die Basis für die nachhaltige Sicherung des Pensionssystems", so Lopatka. "Gusenbauer hat offenbar nicht mitbekommen, dass diese Harmonisierung inhaltlich auch von den Sozialpartnern, also auch seinen eigenen Parteikollegen, außer Streit gestellt worden ist. Die Ablehnung durch den ÖGB hat Gusenbauer ja selbst gefordert."

Auch heute habe die SPÖ keine Neuigkeiten zu bieten gehabt, von konkreten Vorschlägen sei zum wiederholten Mal keine Spur gewesen. "Das bloße Nein-Sagen der SPÖ ist für die Lösung der großen Herausforderungen, die die Reform der sozialen Systeme bringen, einfach zu wenig", so Lopatka.

"Gerade für Frauen bringt die Reform - ganz im Gegensatz zu Gusenbauers Behauptungen - eine Reihe von Verbesserungen", so der ÖVP-Generalsekretär auch in Richtung Glawischnig. Für Zeiten der Kindererziehung gebe es angemessene Ersatzleistungen, es seien nur noch sieben Jahre Beitragszeiten aus Erwerbstätigkeit notwendig. "Ich kann Gusenbauer diesbezüglich auch die Erläuterungen von Frauenministerin Rauch-Kallat empfehlen, sie hat die Reform aus Sicht der Frauen heute ausgezeichnet dargelegt", so Lopatka.

Angesichts der zahlreichen Maßnahmen und der Berücksichtigung sämtlicher Lebenssituationen sei die SPÖ-Kritik nicht verständlich oder nachvollziehbar, so Lopatka. "Gusenbauers Kritik geht ins Leere, auch wenn er offenbar denkt, dass sie durch ständige Wiederholungen wahrer wird", so der ÖVP-Generalsekretär abschließend.

 

 Scheibner: Destruktive Haltung der SPÖ setzt sich fort
Regierung hat Jahrhundertprojekt in Angriff genommen
Wien (fpd) - Dreißig Jahre lang habe die SPÖ die Pensionsharmonisierung verzögert und verschleppt, sagte FPÖ-Klubobmann Herbert Scheibner am Freitag (16. 07.). Erst diese Bundesregierung habe sich an diese Aufgabe gemacht und mit dem nun vorliegenden Paket ein Jahrhundertprojekt in Angriff genommen.

Die destruktive Haltung der SPÖ setze sich leider auch jetzt fort, kritisierte Scheibner, der darauf hin wies, daß man erst am Beginn der Diskussion stehe. Die parlamentarische Behandlung werde einige Monate in Anspruch nehmen. Alle vier Parteien seien eingeladen, sich konstruktiv einzubringen und nicht durch Einzelmeinungen zu versuchen, dieses für Österreich so wichtige Unterfangen von Anfang an madig zu machen und negativ zu sehen. Man solle offen in die Diskussion gehen und nicht von vornherein aus parteitaktischen Gründen abblocken.

Scheibner verwies auf die positiven Aspekte des Harmonisierungsmodells der Regierung wie etwa das Stichtagsmodell. Auch sei die Regelung für die Frauen, die unter Einrechnung der Kindererziehungszeiten nur mehr sieben Jahre Berufstätigkeit für den Pensionsanspruch benötigen würden, besonders hervor zu streichen. "Ebenso ist der Zeitplan für die Umsetzung der Harmonisierung, der bei der Klubklausur des FPÖ-Parlamentsklubs vorgegeben wurde, voll eingehalten worden. Auch das bei der Klausur beschlossene 10-Punkte-Programm findet sich großteils im Regierungskonzept wieder. Nach der ersten Stufe - der Pensionsreform 2003 - ist nun mit der Harmonisierung der Pensionssysteme ein weiteres FPÖ-Wahlversprechen eingelöst worden", betonte Scheibner. Jetzt werde ein einheitliches gerechtes Pensionssystem für alle Erwerbstätigen und für die zukünftigen Generationen geben.

 

 Aufgeregte Meldungen trüben Blick – von Harmonisierung keine Spur
Zusammenlegung Bauern, Selbstständige u. ASVG ist keine Harmonisierung
Wien (grüne) - „Von Harmonisierung keine Spur.“ So bewertet der stv. Klubobmann der Grünen, Karl Öllinger, die laufende Diskussion über die Regierungsvorschläge der letzten Woche. „Die bisher von der Bundesregierung vorgelegten Punkte lassen maximal eine Zusammenlegung der Pensionsregelungen für Bauern, Selbständige und ASVG-Versicherte erkennen“, ergänzt Öllinger.

„Über den wirklichen Knackpunkt - die Pensionsharmonisierung für die Beschäftigten im Bundesdienst und in Gebietskörperschaften – liegt bis heute nichts konkretes vor. Die aufgeregten Wortmeldungen der letzten Tage trüben offenbar den Blick auf das Wesentliche: Es liegt bis zur Stunde kein Strich zu einer Pensionsharmonisierung vor“, so Öllinger.

Die Aussagen der Klubobleute der Regierungsfraktionen Molterer und Scheibner lassen nur darauf schließen, dass ein Verfassungsgesetz angepeilt wird, wofür bekanntermaßen eine 2/3-Mehrheit im Parlament benötigt wird. Auch BK Schüssel ist bis heute konkrete Konzepte schuldig geblieben. Diverse Ankündigungen, wie auch die heutige zu den Beamten-Gehältern, haben weder Hand noch Fuß“, schließt Öllinger.
         
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