Nationalrat beendete ordentliche Tagung 2003/04  

erstellt am
13. 07. 04

Kontroversielle Debatten, aber auch viel Einigkeit im Hohen Haus
Wien (pk) - Mit Montag (12. 07.) beendete der Nationalrat die Tagung 2003/04. Insgesamt fanden in dieser Tagung 43 Plenarsitzungen mit einer Gesamtdauer von 274 Sunden und 3 Minuten statt. Dabei beschlossen die Abgeordneten 139 Gesetze und genehmigten 63 Staatsverträge sowie 3 Vereinbarungen mit den Bundesländern. 6 Berichte des Rechnungshofes und 2 Berichte der Volksanwaltschaft wurden behandelt und zur Kenntnis genommen. Rund 60 Prozent der Gesetzesbeschlüsse erfolgten einstimmig.

Damit ist der Anteil der einstimmig beschlossenen Gesetze trotz zum Teil heftiger Kontroversen zwischen Regierungsparteien und Opposition nach wie vor hoch und liegt sogar knapp über dem Wert des Vorjahres. Zu den Gesetzesvorhaben, die in dieser Tagung verabschiedet wurden, zählen u.a. die zweite Etappe der Steuerreform, ein bundeseinheitliches Tierschutzgesetz, die Novellierung der Strafprozessordnung, die ÖBB-Reform und ein neues Asylgesetz, noch ausständig sind hingegen die von der Regierung für den Sommer angekündigte Gesundheitsreform und die Pensionsharmonisierung.

Eine zentrale Rolle bei den Beratungen im Nationalrat spielten, bedingt durch die Erweiterung der Europäischen Union, die Wahlen zum Europäischen Parlament und die neue EU-Verfassung, auch europäische Themen. Die Genehmigung des EU-Erweiterungsvertrags durch den Nationalrat erfolgte mit nur zwei Gegenstimmen. Immer wieder diskutierten die Abgeordneten außerdem über die aktuelle Wirtschaftslage und suchten nach Möglichkeiten zur Verbesserung der angespannten Situation am Arbeitsmarkt.

Finanzminister Karl-Heinz Grasser war im Zusammenhang mit dem Kauf der Eurofighter, der Finanzierung seiner Homepage, der Vergabe von Beraterverträgen durch das Finanzministerium und anderen Vorwürfen wiederholter Kritik der Opposition ausgesetzt, insgesamt vier Misstrauensanträge gegen ihn und eine Reihe von Anträgen auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zur Klärung der Vorwürfe fanden jedoch keine Mehrheit. Heftig umstritten war auch die Wahl des ÖBB-Managers und früheren FPÖ-Klubdirektors Josef Moser zum neuen Rechnungshofpräsidenten.

Zweimal setzten sich die Abgeordneten mit personellen Veränderungen in der Bundesregierung auseinander - im Herbst vergangenen Jahres löste Hubert Gorbach Herbert Haupt als Vizekanzler ab, kürzlich wurden Karin Miklautsch als neue Justizministerin und Eduard Mainoni als neuer Staatssekretär im Infrastrukturministerium im Nationalrat vorgestellt.

Im Juni wählte der Nationalrat SPÖ-Abgeordnete Barbara Prammer zur Zweiten Nationalratspräsidentin. Sie folgt Heinz Fischer nach, der in der 16. Bundesversammlung am 8. Juli als neues Staatsoberhaupt angelobt wurde. Überschattet wurde die Angelobung und Amtsübernahme Fischers durch den Tod des scheidenden Bundespräsidenten Thomas Klestil.

Für viel Kritik seitens der Opposition sorgte ein Beschluss der Koalitionsparteien, für die Vorberatung eines nach Meinung von ÖVP und FPÖ besonders dringlichen Gesetzesantrages zum Sozialversicherungsbereich eine Frist von nicht einmal zwei Tagen zu setzen. Der Gesetzesantrag wurde - wie auch ein Antrag zur Novellierung mehrerer Mediengesetze - ohne die üblichen Beratungen im zuständigen Ausschuss vom Nationalrat beschlossen.

14 Dringliche Anfragen, 10 Aktuelle Stunden, 7 Misstrauensanträge
Im Rahmen der Plenarsitzungen hielten die Abgeordneten 10 Aktuelle Stunden und 9 Fragestunden mit 78 Fragen und 229 Zusatzfragen ab. 24 Gesetzesanträge wurden in Erste Lesung genommen. Bundeskanzler Wolfgang Schüssel sowie Vizekanzler Hubert Gorbach bzw. dessen Vorgänger Herbert Haupt gaben insgesamt 11 Erklärungen zu aktuellen Themen ab. Dabei ging es unter anderem um personelle Veränderungen in der Regierung, die Erweiterung der Europäischen Union und die neue EU-Verfassung, die Steuerreform und eine von der Bundesregierung gestartete Wachstumsinitiative. In 48 Entschließungen erhielt die Regierung Arbeitsaufträge vom Nationalrat.

Auch die parlamentarischen Minderheitsrechte wurden im vergangenen Parlamentsjahr wieder vielfach in Anspruch genommen, nicht nur von der Opposition, sondern auch von den beiden Koalitionsparteien. So verhandelte der Nationalrat insgesamt 14 Dringliche Anfragen (6 VF, 5 S, 3 G) und 4 Dringliche Anträge (1 S, 3 G) und hielt 30 Kurze Debatten (5 VF, 10 S, 1 SG, 1 F, 13 G) zu schriftlichen Anfragebeantwortungen der Regierung, Fristsetzungsanträgen und Anträgen auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses ab. Von den vier Sondersitzungen des Nationalrats in dieser Tagung fanden drei auf Verlangen der SPÖ und eine auf Verlangen der Grünen statt, Themen waren die angespannte Lage am Arbeitsmarkt, Pensionsverluste durch die Anhebung der Krankenversicherungsbeiträge für Pensionisten, der Kauf der Eurofighter und die neue EU-Verfassung.

Alle zehn Versuche der Opposition, einen Untersuchungsausschuss einzusetzen - beispielsweise zum Eurofighter-Kauf, zu den Beraterverträgen und PR-Ausgaben der Regierung, zum Kunsthistorischen Museum und zur Klärung der Vorwürfe gegen Finanzminister Karl-Heinz Grasser - scheiterten jedoch. Gleiches gilt für die insgesamt sieben in dieser Tagung eingebrachten Misstrauensanträge gegen einzelne Regierungsmitglieder. Vier dieser Misstrauensanträge betrafen Finanzminister Grasser, zwei Innenminister Ernst Strasser, einmal wollte die SPÖ die Amtsenthebung von Wirtschaftsminister Martin Bartenstein erzwingen.

Für verbale Ausrutscher mussten die drei Nationalratspräsidenten in dieser Tagung insgesamt 10 Ordnungsrufe erteilen, wobei die Aussage von SPÖ-Abgeordnetem Josef Broukal in Richtung ÖVP und FPÖ "Es ist Ihnen unbenommen, den Nationalsozialisten nachzutrauern..." besondere Irritationen auslöste.

125 Ausschusssitzungen, 3 Enqueten und 1 Enquete-Kommission
Zu den Plenarsitzungen kommen 125 Ausschusssitzungen und 45 Sitzungen von Unterausschüssen. Dabei wurden 37 Berichte der Bundesregierung durch Kenntnisnahme "enderledigt" und kamen nicht mehr ins Plenum. Der Hauptausschuss trat in der abgelaufenen Tagung 13 Mal zusammen und befasste sich - wie auch der Ständige Unterausschuss des Hauptausschusses in EU-Angelegenheiten - mehrfach mit aktuellen Vorhaben der Europäischen Union.

Um Expertenmeinungen einzuholen und ausführlich mit Fachleuten zu diskutieren, wurden zu den Themen "Umsetzung der EU-Biopatentrichtlinie", "Evaluierung des österreichischen Urheberrechts" und "Familien - Generationen - Solidarität" Parlamentarische Enqueten abgehalten. Zum Thema Architekturpolitik und Baukultur in Österreich setzte der Nationalrat eine Enquete-Kommission ein.

Die Präsidialkonferenz traf sich in der Tagung 2003/2004 zu 22 Sitzungen.

Mit insgesamt 23 Petitionen und 9 Bürgerinitiativen wandten sich die Bürger direkt an das Hohe Haus. Weiters befassten sich die Abgeordneten mit zwei Volksbegehren: dem Volksbegehren zum Thema Atomfreies Europa und dem Pensionsvolksbegehren.

Zahl der schriftlichen Anfragen wieder gestiegen
Wieder gestiegen ist die Zahl der schriftlichen Anfragen von Abgeordneten an Regierungsmitglieder, den Nationalratspräsidenten und den Rechnungshofpräsidenten. Insgesamt wurden von Tagungsbeginn bis zum Ende der letzten Nationalratssitzung 1296 schriftliche Anfragen eingebracht. An der Spitze der Anfragesteller liegt die SPÖ mit 799 Anfragen, gefolgt von den Grünen mit 393. ÖVP-Abgeordnete stellten insgesamt 68 Anfragen, die FPÖ beschränkte sich auf 28. 8 Anfragen wurden von mehreren Fraktionen gemeinsam eingebracht. Am häufigsten nutzte wie schon in den vergangenen Jahren SPÖ-Abgeordneter Johann Maier mit insgesamt 176 Anfragen dieses Kontrollrecht des Nationalrates, gefolgt von Abgeordneter Gabriela Moser (G, 80), Abgeordnetem Günther Kräuter (S, 66) und Abgeordneter Theresia Haidlmayr (G, 56).

Besonderes Interesse zeigten die Mandatare dabei für das Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie (150 Anfragen), das Finanzministerium (132) und das Innenministerium (127). Lediglich 60 Mal wurde hingegen Verteidigungsminister Platter um Auskunft über Angelegenheiten aus seinem Verantwortungsbereich gebeten. An Nationalratspräsident Andreas Khol richteten die Abgeordneten 15 schriftliche Anfragen, an den Rechnungshofpräsidenten 8.

Darüber hinaus war das Hohe Haus auch im abgelaufenen Parlamentsjahr wieder Ort zahlreicher Veranstaltungen und internationaler Kontakte.
     
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