Bures
übt heftige Kritik an Kanzler Schüssel: "Zug verpasst"
Keine Ressortwünsche - "Schüssel hat bereits resigniert"
Wien (sk) - "Kanzler Schüssel hat den Zug verpasst", sagte SPÖ-Bundesgeschäftsführerin
Doris Bures im Zusammenhang mit der Nominierung (am Dienstag, 27. 07., Anm.) der österreichischen Kandidatin
für die EU-Kommission. Schüssel habe heute als letzter Regierungschef aller EU-Staaten eine Kandidatin
nominiert; die anderen Staaten hätten längst ihre Kandidaten und vor allem ihre Ressortwünsche abgegeben.
"Und was macht Kanzler Schüssel? Er gibt nicht einmal Präferenzen für ein Ressort bekannt",
kritisiert Bures. Auf eines der zentralen Ressorts wie Wirtschaft, Beschäftigung und Soziales werde Österreich
keine Chancen mehr haben. Bures befürchtet, dass Österreich "mit dem abgespeist wird, was übrig
bleibt".
Dafür trage Schüssel die alleinige Verantwortung, weil er es durch sein Zögern verabsäumt habe,
die Interessen der Menschen in diesem Land tatkräftig zu vertreten. Außerdem habe er versäumt,
den Dialog mit der SPÖ zu suchen, die als stärkste Kraft aus den EU-Wahlen hervorgegangen ist.
Zur Person von Ferrero-Waldner verweist Bures darauf, dass viele den Eindruck haben, dass sie ihrer Tätigkeit
als Außenministerin in den letzten Wochen nicht sehr motiviert nachgegangen ist. Dass dies die besten Voraussetzungen
für ein starkes Mitglied in der EU-Kommission sind, bezweifelt Bures.
Die Aussage Schüssels, dass die Ressortvergabe nun alleinige Sache des Kommissions-Präsidenten sei, ist
für Bures bezeichnend: "Schüssel weiß, dass er mit Ressortwünschen bereits zu spät
kommen würde, und hat in dieser Frage schon resigniert."
Wie wenig überzeugt Kanzler Schüssel selbst von seiner Entscheidung ist, zeigt sich für Bures in
der Tatsache, dass er zu seiner heutigen Bekanntgabe nur eine handverlesene Schar von Journalisten eingeladen hat.
"Eine gute Personalentscheidung, zu der man voll und ganz stehen kann, wird üblicherweise anders präsentiert",
so Bures abschließend. |
Bundeskanzler Wolfgang Schüssel im Interview mit der "Zeit im Bild 2"
Wolfgang Schüssel: Wir haben uns mit der Nominierung gar nicht Zeit gelassen, denn der Kommissionspräsident
Jose Manuel Barroso ist Ende voriger Woche zum Kommissionspräsidenten vom Parlament gewählt worden. Ich
habe am Wochenende Kontakt mit ihm gehabt und heute Dienstag, vier Tage später, haben wir einen gemeinsamen
Vorschlag präsentiert, der von Anfang an der Wunschvorschlag des neuen Kommissionspräsidenten war. Er
wollte nicht nur eine qualifizierte Persönlichkeit, er wollte nicht nur eine Frau, er wollte ganz konkret
unsere Außenministerin Benita Ferrero Waldner.
ORF: Das heißt, das war gar nicht ihre Entscheidung, sondern der Wunsch von Barroso. Man hätte
ja auch meinen können, dass Österreich Interesse haben könnte, an einem zentraleren Ressort in der
EU z.B. Wirtschaft oder Justiz und da hätten sie ja bekannte Experten wie Christoph Leitl oder Ernst Strasser
nominieren können?
Wolfgang Schüssel: Wir haben eine ganze Reihe von Persönlichkeiten und Barroso bekam auch
von mir von Anfang an eine ganze Reihe von Möglichkeiten vorgelegt. Der Vorschlag ist ein gemeinsamer und
ich stehe dazu. Die heutige Außenministerin und künftige Kommissarin Österreichs hat Österreich
in schwieriger Zeit vertreten. Das kann Europa brauchen, dieses „standing“, diesen Mut. Sie hat große Erfahrung.
Sie hat über 130 Spitzentreffen, Europäischer Rat, Außenministerräte und Gipfeltreffen mitgemacht.
Sie hat sich engagiert im Rahmen der Präsidentschaft bewährt, sie hat die Erweiterung vorangetrieben,
das Konzept der neuen Nachbarschaft Europas trägt ihre Handschrift. Und ich glaube, sie ist wie keine andere
geeignet eine zentrale Bedeutung in der künftigen Außenpolitik einzunehmen. Woher sie glauben, dass
das eine bescheidene Rolle sein wird, weiß ich nicht. Die Zuständigkeiten, die ihr der neue Präsident
zuweisen wird, sie werden nicht enttäuscht sein.
ORF: Weil die wichtigsten außenpolitischen Aufgaben in der neuen Kommission wahrscheinlich schon vergeben
sind unter anderem an den neuen Mister Außenpolitik in der EU. Die Experten sagen, es wird da nur noch Randbereiche
der Außenpolitik geben.
Wolfgang Schüssel: Wissen sie, viele dieser außenpolitischen Experten haben eigentlich
nicht wirklich hinter die Kulissen Einblick und es ist auch gut so. Der Präsident hat sich vorbehalten die
Entscheidung der Zuständigkeiten selber zu treffen. So steht es explizit im Vertrag und manche die geglaubt
haben durch Zurufe tätig werden zu können, werden vielleicht etwas enttäuscht sein, denn Ende August
wird Barroso sein Team mit den Kompetenzen bekannt geben und dann wird man sehen, was er ausgesucht hat und ich
finde es auch ganz okay. Wir halten uns an den Vertrag.
ORF: Ich will jetzt nicht überinterpretieren, aber sie wirken so, als hätten sie irgendeine Zusage.
Wolfgang Schüssel: Nein, ganz im Gegenteil, ich halte mich nur an den Vertrag.
ORF: Nun ist die Opposition eher skeptisch und verhalten, das ist ja auch nicht ganz unverständlich,
das ist ja auch die Aufgabe der Opposition, aber andererseits hat die VP im Rahmen der EVP gesagt nach der Eu Wahl,
sie hätte gerne den EU Präsidenten weil sie die EU Wahl gewonnen hat. In Österreich hat die SPÖ
die EU Wahl gewonnen. Warum stellt trotzdem die ÖVP die Kommissarin?
Wolfgang Schüssel: Weil nach dem Verfassungsvertrag der Präsident das letzte Wort hat und
so weit ich das heute abschätzen kann, hat er auf eine sehr ausgewogene Zusammensetzung der Kommission wert
gelegt. Ich glaube 6 Länder haben noch nicht nominiert, es haben etwa 8 Länder Sozialdemokraten nominiert,
soweit ich es heute sehe 8 Länder haben Christdemokraten nominiert wie wir. Es sind 3 liberale Kandidaten
mit dabei, daher eine große Ausgewogenheit. Und Barroso hat sich gewünscht, dass ein Drittel der 25
Kommissionsmitglieder Frauen sein werden oder Frauen sein sollen, das war auch ein Wunsch des Parlaments und ich
bin eigentlich sehr froh dass Österreich hier eine erstklassige Kandidatin anbieten kann.
ORF: Apropos Frauen, es soll an der Spitze des Außenministeriums nach Frau Ferrero Waldner wiederum
eine Frau stehen?
Wolfgang Schüssel: Die neue Kommission beginnt am 1. November ihre Arbeit. Das heißt,
unsere Außenministerin wird bis Ende Oktober weiterhin Österreich vertreten, wie es vor zehn Jahren
Franz Fischler als Minister getan hat und ich werde daher Anfang, spätestens Mitte Oktober eine Entscheidung
bekannt geben, wer ihr nachfolgen wird.
ORF: Ich habe nicht erwartet, dass sie uns heute einen Namen sagen, aber die Grundsatzfrage, soll es wieder
eine Frau werden oder soll die Frauenquote in der Regierung nach dem Abgang von Frau Dr. Ferrero Waldner sinken,
die haben sie vielleicht schon getroffen.
Wolfgang Schüssel: Die Qualifikation wird entscheidend sein und so habe ich es immer gehalten
und sie wurden dabei nie enttäuscht.
Quelle: Bundespressedienst |
Festlegung auf öst. EU-Kommissarin erfolgte zu spät
Wien (grüne) - Der Grüne Europa-Abgeordnete Johannes Voggenhuber wünscht der künftigen
EU-Kommissarin Benita Ferrero-Waldner "alles Gute", kritisiert aber die "Regierungsnähe"
dieser "einsamen Entscheidung des Bundeskanzlers". Die Grünen werden mit ihr "offen und sachlich"
zusammenarbeiten, aber, so Voggenhuber. Es sei bedauerlich, dass diese Entscheidung "viel zu spät erfolgt
und daher nur nachrangige Ressorts zur Verfügung stehen". Weiterer Grün-Einwand: es sei "wieder
einmal eine Amtsbesetzung hinter den Kulissen" erfolgt.
"Die Entscheidung von BK Wolfgang Schüssel ist einmal mehr in typischer Kabinetts-Politik" von Statten
gegangen, es handle sich wieder um einen "Parteibuchposten", bedauert Voggenhuber. Seiner Meinung nach
wäre es richtig gewesen, Schüssel hätte erst über ein Ressort verhandelt, Österreichs
Interessen dabei eingebracht, und sich dann erst auf eine Person festgelegt. |