Bundespräsident eröffnete Bregenzer Festspiele  

erstellt am
22. 07. 04

Bregenz/Wien (hofburg) - Die Präsidentschaftskanzlei veröffentlichte die Rede von Bundespräsident Dr. Heinz Fischer anlässlich der Eröffnung der Bregenzer Festspiele am 21. Juli 2004

Meine Damen und Herren!

Mit besonderer Freude habe ich die Einladung zur Eröffnung der Bregenzer Festspiele 2004 angenommen. Ich habe auch in früheren Jahren schon gelegentlich an der Eröffnung von Bregenzer Festspielen teilgenommen und bin immer mit vielen guten und interessanten Eindrücken nach Hause gefahren, aber heuer habe ich zum ersten Mal die Ehre, dieses hochkarätige Festspiel am Bodensee zu eröffnen. Es ist dies zugleich ein erster Besuch in Vorarlberg nach meiner Wahl zum Bundespräsidenten und somit auch eine Gelegenheit, mich der Vorarlberger Bevölkerung und den Teilnehmern der Festspieleröffnung vorzustellen. Gerne benutze ich daher die Gelegenheit, um mich für das hohe Ausmaß an Vertrauen zu bedanken, das mir die Bevölkerung der Landeshauptstadt Bregenz aber auch vieler anderer Gemeinden in Vorarlberg geschenkt hat und ich werde mich sehr bemühen, dieses Vertrauen zu rechtfertigen.

Die Bregenzer Festspiele haben sich in den Jahren ihres Bestehens zu Recht den Ruf als erstklassiges und hochkarätiges Musikfestival erworben, wobei die Musik ja nur den Schwerpunkt einer weit umfassenderen Kunstpräsentation bildet. Neben klassischen Produktionen sind es vor allem moderne und zeitgenössische Veranstaltungen, die den Charakter und den Charme der Festspiele hier am Bodensee bestimmen.

Ich habe mir erlaubt, in meiner Antrittsrede vor der Bundesversammlung unmittelbar nach meiner Angelobung auf die Bedeutung von Kunst und Wissenschaft für unsere Gesellschaft zu verweisen.

Ich wiederhole und bekräftige das heute.

Und ich füge ausdrücklich hinzu, dass damit natürlich nicht nur jene Künstler und jene Kunstwerke gemeint sind, die man als anerkannt, als akzeptiert, als klassisch bezeichnen kann, sondern dass dies der Kunst schlechthin, auch der modernen Kunst gilt. Man stößt oft auf die Auffassung, dass die moderne Kunst unverständlich sei, gleichgültig ob es sich um ein Musikstück, ein Bild, ein Gedicht oder ein Bauwerk handelt. Ich habe darüber oft mit meinen Vater diskutiert, mit dem ich ein Höchstmaß an Übereinstimmung hatte – mit Ausnahme von Fragen der modernen Kunst.

Ich gebe ja zu, dass es moderne Kunstwerke gibt, die ich ebenfalls schlicht und einfach nicht verstehe. Aber dann muss ich mir eben in Erinnerung rufen, dass man sich das Verständnis moderner Kunst erarbeiten muss. Dass Kunstwahrnehmung als Dialog verstanden werden muss, zu dem der Künstler ebenso bereit sein muss wie der Betrachter, (der Rezipient) eines Kunstwerkes. Wie das Wort Dialog bereits sagt, gehören zumindest zwei dazu, die sich über ein Kunstwerk austauschen und Sie wissen, wie vielschichtig der griechische Begriff Dialegein ist. Wer mit Kunst nie oder nur selten in Berührung kommt, darf nicht erwarten, von ihr angesprochen zu werden oder jene Antworten zu erhalten, die Kunst zu geben vermag.

Der Nährboden aller Kunst ist und bleibt ihre Macht uns zu verzaubern, zu begeistern oder zu erschüttern. Künstlerische Ausdrucksweise und die Bereitschaft sich von Kunstwerken in den Bann ziehen zu lassen, sind zwei Seiten der gleichen Medaille. Im Gewissen Sinn ist es auch das Thema der ersten Oper von Kurt Weil, die am heutigen Abend Premiere haben wird: „Der Protagonist“.

Die Pantomime einer Theatertruppe wird von der Wirklichkeit eingeholt und das Kunststück verwandelt sich mit einem Male in tragische Realität.
Ich habe kürzlich eine Doppelbiographie von Kurt Weil und Lotte Lenya gelesen, die unter dem Titel „Zwei auf einer Insel“ erschienen ist. Es ist dies – was Kurt Weil betrifft - die eindrucksvolle Schilderung eines tragischen, komplizierten und doch erfüllten Lebens zwischen Europa und Amerika, auf das die langen Schatten der Hitlerdiktatur gefallen sind und das nicht untypisch ist für das Schicksal vieler hervorragender Intellektueller und Künstler, die im 20. Jahrhundert in diesem Teil Europas gelebt und gearbeitet haben. Ich sehe daher der heutigen Aufführung besonders gespannt entgegen.

Die zweite Oper des heutigen Premierenabends, Kurt Weils „Royal Palace“, ist in dem breiten Thema des Verlustes an Authentizität gewidmet. Die oberflächlichen Verheißungen und raschen Genüsse führen zu Lebensüberdruss angesichts der Konfrontation mit den Lebensverhältnissen der normalen Menschen.

Diese Erfahrung ist so alt, wie unsere Kultur selbst. Am provokantesten wurde sie von Pier Paolo Pasolini in dem polemischen Satz formuliert, wonach ein Leben im Überfluss ein überflüssiges Leben sei. Und gerade angesichts unserer täglichen Erfahrung, dass wir immer mehr an Andere delegieren und unseren Wohlstand oft mit Erfahrungsarmut bezahlen müssen, ist die in Kurt Weils Oper thematisierte Problematik so aktuell wie eh und je.

Meine Damen und Herren!

Kunst geht in die Tiefe und konfrontiert uns mit Fragen, die nur allzu oft verschüttet bleiben oder denen wir ausweichen. Ich bin allerdings überzeugt, dass Kunst auch Antworten geben kann auf Fragen, die sonst unbeantwortet bleiben oder erst gar nicht gestellt werden. Die Bregenzer Festspiele sind ein guter Ort, um tiefer liegende Fragen unserer heutigen Gesellschaft aufzuwerfen, Antworten zu suchen und auch zu finden. Ich wünsche in diesem Sinn allen mitwirkenden Künstlerinnen und Künstlern viel Erfolg und Ihnen, dem Publikum interessante Stunden am Bodensee.

Die Bregenzer Festspiele 2004 sind eröffnet.
     
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