Neue Erkenntnisse aus dem Reich der Quantenphysik
Innsbruck (universität) - Fest, flüssig, gasförmig - im Alltag kommt man nur mit diesen
drei Aggregatzuständen in Kontakt. Das Physiker-Team um Univ.-Prof. Dr. Rudolf Grimm vom Institut für
Experimentalphysik der Universität Innsbruck und dem Institut für Quantenoptik und Quanteninformation
der Österreichischen Akademie der Wissenschaften beschäftigt sich mit einem neuen Materiezustand bei
tiefen Temperaturen, dem Fermi-Kondensat, und konnte erstmals überzeugende Indizien für die reibungsfreie
Strömung der Teilchen (Suprafluidität) in solchen Fermi-Kondensaten finden. Das Wissenschafts¬magazin
Science berichtet in der Online-Ausgabe Science Express am Donnerstag, 22. Juli, über den neuerlichen Erfolg
der Innsbrucker Quantenphysiker.
Die vor wenigen Monaten erstmals realisierten Fermi-Kondensate ähneln dem Bose-Einstein-Kondensat (BEC), einer
Materieform von abgekühlten Teilchen sehr nahe am absoluten Nullpunkt von -273 Grad Celsius. Die Teilchen
im BEC haben ganzzahligen Drehimpuls und gehören daher der Klasse der Bosonen an, die sich gesellig zu einem
Kondensat zusammenschließen und dann kollektiv wie ein einziges Objekt verhalten. Das Fermi-Kondensat besteht
jedoch nicht aus Bosonen sondern aus Fermionen mit einem halbzahligen Drehimpuls. Fermionen sind normalerweise
Einzelgänger und werden nur dann wie Bosonen gesellig und können kondensieren, wenn man sie zu Paaren
zusammenschließt. Durch einen Trick gelang es der Arbeitsgruppe Grimm Ende letzten Jahres weltweit erstmals
jeweils zwei fermionische Lithium-6-Atome in einem ultrakalten Gas zu Molekülen (Bosonen) zu verbinden und
zu einem BEC abzukühlen. Dieses Molekülkondensat ist der Ausgangspunkt für die neuen Experimente
an Fermi-Kondensaten.
Starkes Indiz für die Suprafluidität
Die Innsbrucker Wissenschaftler sind in der Lage, die Bindungskräfte zwischen den Atomen zu variieren, wodurch
das Molekülkondensat in ein Fermi-Kondensat umgewandelt wird. Mit Radiowellen wird dieses ultrakalte Gas spektroskopisch
untersucht. „Wir erhielten aus unseren Messungen eindeutige Indizien für die Suprafluidität des Fermi-Kondensats,
die damit erstmals als bewiesen angesehen werden kann“, zeigte sich Grimm überzeugt. Der Nachweis der Suprafluidität
in Fermi-Gasen ist derzeit ein heiß umkämpfter Meilenstein in der Physik. Die Messdaten zeigen eine
Energielücke als Kennzeichen der Paarbildung und erlauben erstmals, Eigenschaften der Fermionenpaare zu untersuchen.
Die gemessenen Abhängigkeiten von Dichte, Bindungsstärke und Temperatur ermöglichen den Rückschluss
auf die Suprafluidität. Die Suprafluidität ist ein Phänomen, bei dem Teilchen ohne Reibungsverluste
auch durch engste Kapillare strömen können. „Der nächste große Schritt, den hoffentlich auch
wir als Erste machen werden, wird die direkte Beobachtung von suprafluiden Strömungen sein“, setzt sich Grimm
schon wieder neue Ziele.
Neue Erkenntnisse für Supraleiter
Neben dieser grundsätzlichen Erkenntnis, die ein neues quantenmechanisches Verständnis offenbart,
hofft Grimm auch neue Wege für die Entwicklung von Supraleitern bei Zimmertemperatur zu finden. Metallische
Supraleiter verlieren bei tiefen Temperaturen schlagartig ihren elektrischen Widerstand und können Strom reibungsfrei
leiten. Die neuen Erkenntnisse über das Fermi-Kondensat könnten helfen, alltagstaugliche Supraleiter
zu entwickeln. Die höchste derzeit bekannte Temperatur, bei der Supraleitung auftritt, liegt bei
-135 Grad Celsius.
Erfolgreiche Kooperation
Grimms Team forscht seit knapp vier Jahren an der Universität Innsbruck, seit letztem Jahr auch im neu gegründeten
Institut für Quantenoptik und Quanteninformation der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. Die
konkrete Arbeit wurde durch den Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung (FWF) im Rahmen des Spezialforschungsbereichs
„Control and Measurement of Coherent Quantum Systems“ sowie durch ein Lise-Meitner-Stipendium an den taiwanesischen
Gastwissenschaftler Dr. Cheng Chin (Erstautor des Science-Artikels) unterstützt. |