Einrichtung:Institut für Zellbiologie der Universität Bonn
Bonn (alphagalileo) - Zellbiologen der Universität Bonn haben in Koorperation mit der Universtity
of Leeds (England) und der Industrie möglicherweise eine neue effektive Therapie gegen die Schuppenflechte
entdeckt: Eine bestimmte Gruppe so genannter Metalloproteinase-Inhibitoren kann die gesteigerte Teilungsaktivität
der Oberhautzellen (Keratinozyten) normalisieren, die Ursache der unangenehmen Schuppenbildung ist. Toxische Nebenwirkungen
konnten die Forscher zumindest in Zellkulturen nicht beobachten. Ihre Ergebnisse erscheinen nun im „Journal of
Investigative Dermatology“ (Jahrgang 123, Heft 3).
Rund zwei Millionen Deutsche leiden unter Schuppenflechte (Psoriasis vom griechischen psora = Jucken, Kratzen).
Bei der unheilbaren Erkrankung ist die Regeneration der Oberhaut (Epidermis) enorm beschleunigt: Erneuert sie sich
normalerweise innerhalb von knapp vier Wochen, ist diese Zeitspanne bei Psoriasis-Patienten auf vier bis sieben
Tage verkürzt. Grund ist eine stark erhöhte Teilungsakivität der so genannten Keratinozyten. Sie
bilden eine Schicht, die die Oberhaut von der tiefer liegenden Lederhaut trennt. Von dieser Keimschicht wandern
die alternden Zellen immer weiter nach außen und schuppen schließlich ab.
Die Krankheit verläuft schubweise. Typische Merkmale sind scharf begrenzte rote Herde, die mit silberweißen
Schuppen bedeckt sind. Im Mittelalter hielt man sie für Lepra-Symptome; ein großer Teil der verfolgten
und teilweise sogar verbrannten „Aussätzigen“ litt wohl unter der (nicht ansteckenden) Schuppenflechte. Schlimmer
als die Hautveränderungen selbst ist bis heute die damit verbundene Stigmatisierung: „Während eines Schubes
glauben viele Patienten, für ihre Umgebung kaum noch zumutbar zu sein“, erklärt der Bonner Zellbiologe
Professor Dr. Volker Herzog. „Manche Betroffene ziehen sich völlig zurück; Depressionen sind nicht selten.“
Keine toxischen Nebenwirkungen
Eine der Substanzen, die die Keratinozyten zur Teilung anregen, ist das Protein sAPP?. Es entsteht bei
der Spaltung eines größeren Eiweißes, des APP. Die Keratinozyten produzieren ein Enzym, das APP
zu sAPP? zurechtstutzt: die so genannte ?-Sekretase. Die Wissenschaftler haben nun diese „molekulare Schere“ blockiert.
„Wir wussten, dass bestimmte Metalloproteinase-Inhibitoren die ?-Sekretase hemmen. Nach Zugabe dieser Substanzen
beobachteten wir an Zellen von Schuppenflechte-Patienten, dass die sAPP?-Freisetzung nahezu vollständig gehemmt
wurde. Dadurch ging die stark erhöhte Teilungsaktivität der Keratinozyten 24 Stunden nach der Zugabe
um 50 bis 60 Prozent auf normale Werte zurück“, erklärt Herzogs Mitarbeiterin Christina Siemes. „Diese
Ergebnissen konnten wir an Hautpräparaten von fünf Schuppenflechte-Patienten bestätigen.“
Der hemmende Effekt der Metalloproteinase-Inhibitoren klang innerhalb von 72 Stunden größtenteils ab.
Zudem konnten die Wissenschaftler selbst bei fünffacher Wirkstoff-Konzentration keine toxischen Nebenwirkungen
beobachten. So blieb unter anderem die Zahl der Hautzellen, die in die Apoptose eintraten, konstant – die Apoptose
ist das „Selbstmord“-Programm der Zellen, die sich so bei Fehlfunktionen selbst eliminieren können. Auch die
zelluläre Proteinsynthese blieb unbeeinflusst.
„Die Behandlung mit den von uns untersuchten Metalloproteinase-Inhibitoren scheint eine neue und sehr vielversprechende
therapeutische Option gegen Schuppenflechte zu sein“, glaubt daher Professor Herzog. „Wir haben damit aber sicherlich
nicht das Ei des Columbus gefunden – jede Haut reagiert schließlich anders.“ Zudem lindern die Substanzen
lediglich die Symptome und bekämpfen nicht das zugrunde liegende Übel: Die chronische Entzündung
der Haut aufgrund permanenter Angriffe durch das körpereigene Immunsystem, auf die die Keratinozyten mit fieberhafter
Teilungsaktivität reagieren.
Die Wissenschaftler wollen ihr Verfahren nun im Tierversuch an Nacktmäusen testen, denen sie Hautgewebe von
Schuppenflechte-Patienten transplantiert haben. Die Wirkstoffe wollen sie dabei lokal in Form einer Crème
verabreichen. In Kürze sind zudem erste Tests am Menschen geplant. |