Explosionsartige Vermehrung winziger "Rostlöcher" ist Ursache massiver Korrosionsschäden,
berichten Forscher des Berliner Fritz-Haber-Instituts
Berlin (alphagalileo) - Rostfreier Stahl kann sehr schnell korrodieren, wenn sich das anliegende
Potential, die Konzentration korrodierender Lösungen oder die Temperatur nur leicht verändern. Wissenschaftler
des Fritz-Haber-Instituts der Max-Planck-Gesellschaft und der Universität Virginia, USA, haben jetzt unter
Einsatz spezieller Mikroskopie-Techniken herausgefunden, dass das schlagartige Einsetzen der Korrosion darauf beruht,
dass sich die Zahl winziger metastabiler Löcher in der betroffenen Metalloberfläche explosionsartig vermehrt.
Dieser Befund deckt sich mit theoretischen Modellen, wonach sich das Phänomen des Lochfraßes unter entsprechenden
Bedingungen autokatalytisch wie eine Kettenreaktion ausbreitet. Die in der jüngsten Ausgabe von "Science"
veröffentlichten Forschungsergebnisse tragen entscheidend dazu bei, Korrosionsprozesse besser verstehen, kontrollieren
und letztendlich vermeiden zu können (Science, 20. August 2004).
Rostfreie Stähle, die eigentlich korrosionsresistent sein sollten, können lokalem Lochfraß zum
Opfer fallen, was häufig ganze Bauteile versagen lässt. Allein in den USA belaufen sich die jährlichen
Verluste durch Korrosion auf etwa drei Prozent des Bruttosozialprodukts. Etwa ein Drittel der Ausfälle chemischer
Anlagen sind auf lokale Korrosion zurückzuführen.
Vor dem eigentlichen Lochfraß bilden sich in der schützenden Oxidhaut der Stähle winzige, metastabile
Löcher von wenigen Mikrometern Durchmesser, so genannte Pits. Jeder Pit erzeugt während seines Entstehens
einen sekundenlangen kleinen Strompuls, der die chemische Reaktion anzeigt. Die Lochfraßkorrosion setzt plötzlich
ein. Bei geringsten Veränderungen der äußeren Bedingungen kann die Korrosionsrate extrem ansteigen.
Obwohl die Prozesse, die zum Auftreten einzelner Pits führen, bereits relativ gut erforscht sind, war das
plötzliche Auftreten von Lochfraß bislang ungeklärt. Wissenschaftler des Fritz-Haber-Instituts
in Zusammenarbeit mit einem Team von der Universität Virginia haben deshalb neue mikroskopische Methoden entwickelt,
um den Beginn des Lochfraßes in Echtzeit beobachten zu können. Eine dieser Methoden, die Ellipsomikroskopie
zur Abbildung von Oberflächen (Ellipsomicroscopy for Surface Imaging), macht die sich ausbreitenden Schädigungen
der Oxidschicht sichtbar.
Daneben verfolgten die Forscher unter einem hochauflösenden und kontrastverstärkten optischen Mikroskop
die Entstehung einzelner Pits und ihr kollektives Verhalten. Sie fanden heraus, dass das plötzliche Auftreten
von Lochfraßkorrosion auf eine explosionsartige Vermehrung der Pits zurückzuführen ist. Die Forscher
haben diesen Prozess auch im Computer simuliert: Dabei gingen sie von der Annahme aus, dass sich ein neuer Pit
mit hoher Wahrscheinlichkeit in der unmittelbaren Umgebung bereits vorhandener Pits bildet. Danach ist das plötzliche
Auftreten von Lochfraßkorrosion vergleichbar mit der Ausbreitung ansteckender Krankheiten oder einer Kettenreaktion.
Diese Schädigung der Stahloberflächen lässt sich durch Veränderung der die Korrosion verursachenden
Lösung (durch die Zugabe von Inhibitoren) oder durch die Optimierung der Stahllegierung verhindern. Die von
den Forschern entwickelten Mikroskopie-Techniken lassen sich für die Visualisierung verschiedenster Korrosionserscheinungen
bei Metallen einsetzen. |