Verkauf der staatlichen Telekom-Anteile an Swisscom geplatzt  

erstellt am
24. 08. 04

 Matznetter und Moser fordern Volksabstimmung
Grasser agierte bei Telekom-Desaster nicht allein – Schüssel segnete jeden Schritt ab
Wien (sk) - 'Wir verlangen eine Volksabstimmung darüber, ob eine Mehrheit der ÖsterreicherInnen diese Verschleuderungspolitik der Regierung unterstützt', sagten SPÖ-Budgetsprecher Christoph Matznetter und SPÖ-Wirtschaftssprecher Hans Moser am Freitag (20. 08.) in einer gemeinsamen Pressekonferenz in Reaktion auf das Desaster rund um die geplatzten Verkaufsverhandlungen über die Telekom Austria (TA). Alle Privatisierungsschritte sollen sofort gestoppt werden, auch der Börsengang der Telekom soll nicht erfolgen. Nach einer Nachdenk- und Diskussionsphase von zwei oder drei Jahren solle dann eine Volksabstimmung erfolgen. Es soll darüber abgestimmt werden, ob die Daseinsversorgung in öffentlicher Hand bleiben soll oder nicht, so Matznetter. Wenn sich eine Mehrheit dafür ausspreche, dann könne auch die ÖVP nicht darüber hinwegsehen.

Die beiden SPÖ-Abgeordneten betonten die Verantwortung des Finanzministers und vor allem von Bundeskanzler Schüssel für das TA-Desaster. 'Die beiden verhalten sich einige Stunden nach dem Scheitern des Deals mit der Swisscom wie das Duo Don Quijote und Sancho Pancha', so Matznetter. Er machte darauf aufmerksam, dass Grasser nicht alleine handelte. Seit mindestens einem Jahr mache der Finanzminister keinen Schritt, ohne ihn von Schüssel absegnen zu lassen. 'Es war Wolfgang Schüssel, der die Anweisungen gegeben hat. Und Wolfgang Schüssel hat Grasser gestern zurückgepfiffen', unterstrich Christoph Matznetter. Die SPÖ überlege, eine Ministerklage gegen Grasser einzubringen.

Man habe das Gefühl, die Privatisierungen finden zum reinen Selbstzweck statt, und es stelle sich die Frage, wie sinnvoll ein Verkauf einer Sperrminorität an einem strategisch derart wichtigen Unternehmen wie die TA ist. Es sei wie Kindern, die 1.000 Euro vom Sparbuch abheben, und sich dann freuen, dass sie 1.000 Euro mehr haben, so Matznetter. 'Schüssel musste die Notbremse beim Deal mit der Swisscom ziehen, nachdem der politische Widerstand so groß geworden ist, dass der Verkauf nicht mehr durchgezogen werden konnte. Trotzdem', betonte Moser, 'waren es Schüssel und Grasser, die diesen Deal eingefädelt haben. Erst als sie merkten, dass sie innerhalb der Koalition keine Mehrheit dafür haben, haben sie eingelenkt.'

Matznetter sieht für die Regierung Schüssel bereits das Ende heraufdämmern. Vor einem Jahr wäre es für den Kanzler wohl kein Problem gewesen, die Regierungsparteien auf diesen Deal zu verpflichten. Matznetter sieht täglich einen neuen Anlass, der sichtbar macht, dass dieser Finanzminister ungeeignet ist, das Grundgeschäft zu führen. 'Wir sind bereits weit jenseits des Zeitpunkts, an dem Grasser zurück treten hätte müssen', so der SPÖ-Abgeordnete. Offenbar führt Grasser sein Amt ganz nach dem Motto weiter: 'Ist der Ruf einmal ruiniert, dann regiert sich ganz ungeniert.'

'Dieser Dilettantismus beim misslungenen TA-Verkauf führte zu einer großen Verunsicherung auf dem Finanzmarkt', sagte Moser. Das Vertrauen vieler Kleinaktionäre sei schwer erschüttert, da durch dieses Debakel innerhalb weniger Stunden 1,2 Milliarden Euro versenkt wurden. Das Management der ÖIAG sei durch die Vorgangsweise Grassers und Schüssels schwer gedemütigt worden, ist sich Moser sicher. Das habe man gestern beim TV-Auftritt des ÖIAG-Vorstands Michaelis bemerkt. Die Manager hätten jedes Selbstvertrauen verloren, und vor allem haben sie jede Akzeptanz in der Wirtschaftswelt verloren. 'Was soll man mit denen noch verhandeln. Die ÖIAG-Organe sind jetzt auf Monate gelähmt', befürchtet der SPÖ-Wirtschaftssprecher.

Die SPÖ fordert nachdrücklich die Schaffung einer Infrastrukturholding, in die Leitbetriebe einzubringen sind. Das seien neben der Telekom Austria, die ÖBB, die Austrian, die OMV, die Asfinag und die Post. Sie sollen durch eine Änderung des ÖIAG-Gesetzes die Möglichkeiten wie jedes Privatunternehmen erhalten, um sich expansiv in neuen Märkten entwickeln können, unterstrich Moser. Er hält die Regelung die für die Swisscom für sich hat, für intelligent. Von Gesetzes wegen muss nämlich der Schweizer Staat 50 Prozent plus einer Aktie an der Swisscom halten. Soll dieser Anteil unterschritten werden, dann muss eine Volksabstimmung erfolgen.

Die TA sei jedenfalls jetzt in ihrer Entwicklung gelähmt. Der SPÖ-Wirtschaftssprecher spricht sich für eine Kapitalerhöhung bei der Telekom aus. Sie brauche dringend frisches Geld, um weiter expandieren zu können. Nachdem das ÖIAG-Gesetz es verbietet, dass die ÖIAG bei einer Kapitalerhöhung mitgeht, würde sich der Anteil der ÖIAG verringern. Davor habe die Regierung wohl Angst, weil sich dadurch Verkaufserlöse verringern würden. Moser spricht sich nicht zuletzt deswegen dafür aus, das ÖIAG-Gesetz zu ändern, damit die ÖIAG auch bei Kapitalerhöhungen mitgehen kann. Das sei kein hinausgeschmissenes Geld. Denn dies werde in die Unternehmenskasse eingezahlt, wodurch der Wert des Unternehmens auch erhöht werde.

 

 Molterer: SPÖ erhebt Konzeptlosigkeit zum Programm
ÖVP-Klubobmann: SPÖ hatte Debakel der Verstaatlichtenpolitik zu verantworten
Wien, 20. August 2004 (ÖVP-PK) "Die Konzeptlosigkeit der SPÖ ist ihr Programm", sagte ÖVP-Klubobmann Mag. Wilhelm Molterer am Freitag (20. 08.). Festzumachen sei dies einmal mehr an der Art, wie die SPÖ mit dem Thema ÖIAG umgehe.

"An den Aussagen der SPÖ zur Telekom kann man erkennen, dass die SPÖ nicht weiß, was sie will, sondern lediglich das mittlerweile berühmte SPÖ-Ratespiel "Wogegen bin ich gerade?" weiterspielt", kritisiert Molterer. "Hauptsache dagegen", scheine das Motto der Sozialdemokraten geworden zu sein. In der Phase der sich abzeichnenden Entscheidung der ÖIAG habe es von Seiten der SPÖ (Moser, Niederwieser, Haider, Ambrozy, Gusenbauer) scharfe Kritik gegeben, von "Verscherbelungsaktion", "Ausverkauf" und "Verschleuderung" wurde gesprochen. Nun, da die Entscheidung der ÖIAG vorliegt, kritisiert die SPÖ (Gusenbauer, Eder, Darabos) diese als "enormen Schaden für die Telekom", "falsche Entscheidung" und "fahrlässigen Umgang". Molterer dazu: "Ein Zick-Zack-Kurs der Nein-Sager!"

Offensichtlich sei es nötig, die Sozialdemokraten daran zu erinnern, dass die SPÖ selbst das Debakel der Verstaatlichten in den 80er und 90 Jahren zu verantworten hatte, fuhr Molterer fort. "Gerade am Beispiel der VOEST, die nach der Privatisierung eine ausgezeichnete Performance aufweist, ist klar zu erkennen, dass die Entscheidungen der ÖIAG richtig waren und sind. Die SPÖ hat vom Untergang der VOEST geredet, aber der Erfolgkurs des privatisierten Unternehmens beweist das Gegenteil."

Demgegenüber sei die Beteiligung der Telecom Italia an der Telekom, die unter SPÖ-Verantwortung zustande gekommen sei, kläglich gescheitert. "Lediglich in eigener Sache konnte die SPÖ davon profitieren, war doch der ehemalige Vranitzky-Pressesprecher Karl Krammer längere Zeit für die Telecom Italia tätig", erinnerte Molterer.

"Die wirtschaftspolitische Inkompetenz der SPÖ wird immer sichtbarer. Eine Kurskorrektur würde der SPÖ gut tun - aber das ist nicht unsere Aufgabe", schloss der ÖVP-Klubobmann.

 

 Gorbach hat "Verständnis für Abbruch der Gespräche"
Vizekanzler: Österreichische Interessen konsequent wahren
Wien (fpd) - "Trotz strategisch interessanter Aspekte an der diskutierten Variante habe ich großes Verständnis für den Abbruch der Verhandlungen zwischen ÖIAG und Swisscom und dafür, den Weg über die Börse zu präferieren", kommentierte Vizekanzler Hubert Gorbach die Gespräche zum Telekom-Deal.

Gorbach betonte, dass er darauf Wert lege, dass die österreichischen Interessen konsequent gewahrt und eine Privatisierung gemäß Regierungsauftrag erfolge. Insbesondere die Headquarter-Funktion sollte in Österreich gewährleistet sein. Besonders wichtig sei für ihn als Telekom- und Forschungsminister die Erhaltung und der Ausbau der bestehenden Forschungs- und Entwicklungskapazitäten durch Schaffung österreichischer Kernaktionärsstrukturen, unter besonderer Berücksichtigung des österreichischen Kapitalmarktes.

Das 17 prozentige Aktienpaket könne auch über die Börse an Kleinanleger oder über institutionelle Anleger gut und leicht angeboten werden, meinte Gorbach. Die Telekom Austria stehe insgesamt gut da und sei für Investoren interessant, auch für österreichische. "Ich bin mir sicher, dass sich andere Möglichkeiten bieten werden", erklärte der Vizekanzler.

Mittelfristig sei die Telekom Austria in Hinblick auf die optimale Positionierung an den Zukunftsmärkten in Zentral- und Osteuropa auf die Kooperation mit internationalen Partnern angewiesen. Deshalb gelte es, auch in Zukunft Gespräche mit Interessenten zu führen und in Ruhe zu bewerten, sagte Gorbach.

 

 Untersuchungs-Ausschuss zu Telekom Austria-Swisscom sinnvoll
Kogler: Schüssel soll im Zentrum der Untersuchung stehen
Wien (grüne) - Ein Untersuchungsausschuss nach der nicht zustande gekommenen Übernahme der Telekom Austria durch die SwissCom ist sinnvoll. Auch deshalb, weil darin eine ganze Serie von Privatisierungspannen und abenteuerlichen Geheimaktionen wirtschaftspolitisch aufgearbeitet werden könnten. "Im Zentrum des Untersuchungsauftrages darf aber nicht nur der ohnehin bereits handlungsunfähige Finanzminister Grasser stehen, sondern Bundeskanzler Schüssel, der schon die längste Zeit der eigentlich Verantwortliche ist", so Werner Kogler, Budgetsprecher der Grünen.

Kogler fordert Schüssel weiters auf, den Regierungsauftrag zur vollständigen Privatisierung der Telekom Austria bis zum Jahr 2006 zurückzunehmen. Bis auf weiteres sei ein Anteil der ÖIAG von mindestens 25 Prozent plus eine Aktie eine gute Option. Eine allfällige Hereinnahme eines strategischen Partners könne auf seine Notwendigkeit in aller Sorgfalt geprüft werden.
         
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