Jürgen Flimm wird Künstlerischer Leiter ab 2007 / Verträge des Festspieldirektoriums
verlängert
Salzburger (lk) - Die heutige Weichenstellung sei nach dem Grundsatz erfolgt, dass diese Entscheidung
die beste für Salzburg sein müsse. Salzburg solle wieder das „Herz vom Herzen Europas“ werden. Das Programm
müsse eine gute Mischung aus Offenheit sowie Tradition und Kontinuität bieten. Mit der Bestellung von
Jürgen Flimm zum neuen Künstlerischen Leiter der Salzburger Festspiele seien diese Voraussetzungen gegeben.
Dies betonte Landeshauptfrau Mag. Gabi Burgstaller am Montag (30. 08.) nach der Sitzung des Kuratoriums der
Salzburger Festspiele, in der der Regisseur und bisherigen Leiter des Schauspiels einstimmig zum Nachfolger von
Peter Ruzicka bestellt wurde. Die Verantwortung für den Konzertbereich wird der derzeitige Solo-Klarinettist
der Wiener Philharmoniker, Univ.-Prof. Peter Schmidl, übernehmen.
Jürgen Flimm wird die Geschicke der Salzburger Festspiele 2006 bis 30. September 2011 leiten. Gleichzeitig
wurden heute auch die Verträge mit den beiden anderen Direktoriumsmitgliedern – Präsidentin Dr. Helga
Rabl-Stadler und DDr. Gerbert Schwaighofer – bis 2011 verlängert. Durch diese Entscheidung sollen Diskussionen
und Spekulationen in den nächsten beiden Jahren vermieden werden, erläuterte Komm. Rat. Dr. Heinrich
Wiesmüller, der derzeit den Vorsitz im Festspielkuratorium Inne hat. Wiesmüller informierte weiters darüber,
dass der Dirigent Franz Welser-Möst eingeladen werde, in den Jahren 2007 bis 2011 mehrere Operndirigate zu
übernehmen und jährlich ein großes Konzert zu dirigieren.
Landeshauptfrau Burgstaller führte weiters aus, dass ihre Entscheidung auch wesentlich davon beeinflusst worden
sei, welche Vorstellungen die Bewerber für die Zukunft der Salzburger Festspiele haben. Bei Flimms Konzept
habe sie „oft innerlich ja gesagt und das Gefühl gehabt: Darum geht´s“. Durch Jürgen Flimm werde
einerseits viel Erfahrung zum Wohle der Salzburger Festspiele eingebracht, andererseits auch viel Neues gewagt.
Darüber hinaus sei sichergestellt, dass auch in Zukunft hervorragende Künstler/innen in Salzburg tätig
sein werden. Bürgermeister Dr. Heinz Schaden fügte hinzu: „Ich glaube, wir werden nach diesen personellen
Festlegungen spannende Veränderungen bei den Salzburger Festspielen erleben.“
Er traue Jürgen Flimm zu, dass er das schwierige Jahr 2007, das Jahr nach dem Mozartjahr, bravourös meistern
werde, betonte auch Kuratoriumsmitglied Dr. Peter Radel, der Vertreter des Bundeskanzleramtes. Durch die heutige
Entscheidung können die Salzburger Festspiele auch im nächsten Jahrzehnt ihre Weltbedeutung halten und
an der künstlerischen Weltspitze mitmischen. Für das Finanzministerium sprach Prof. Dkfm. Armin Fehle
von einer „ganz besonders guten Lösung“, da beide Herren – Jürgen Flimm und Peter Schmidl – für
höchste Qualität stehen. Das viele in die Festspiele investierte Geld sei nur zu rechtfertigen, wenn
es sich in erstklassiger Qualität niederschlage, und dies garantierten Flimm und Schmidl.
„It was a very long run“. So kommentierte Jürgen Flimm seine Bestellung zum neuen Intendanten und er sehe
den nächsten Jahren mit Spannung entgegen, denn es sei nicht einfach, die Balance zwischen den beiden Polen
künstlerischer Anspruch und Publikumserwartungen zu finden. Er sei seit 1987 in Salzburg und kenne seit dieser
Zeit die Chancen und Probleme, die diese Stadt und das sommerliche Festival haben. Von Flimm liegt ein Grundsatzpapier
vor, in dem er folgende Gedanken zur künftigen Ausrichtung und Programmatik der Festspiele darlegt:
- Jedes Jahr soll ein Schwerpunktthema gesetzt werden, das in den drei Sparten Oper, Schauspiel und Konzert aufgegriffen
und mit einem Rahmenprogramm flankiert wird.
- Mozart bleibt im Zentrum des Opernprogramms, sein Rang in der Geschichte soll jedoch in konzentrischen Kreisen
erkundet werden: von der Tradition, an die er anknüpfte, bis zu seiner Wirkung in die Gegenwart. Das Repertoire
soll sich entsprechend vom Barock bis zu Uraufführungen spannen.
- Salzburg, in der Mitte Europas gelegen, war stets ein künstlerischer Schmelztiegel zwischen Nord und Süd,
Ost und West. Mit Werken des slawischen, französischen, italienischen oder britischen Repertoires, die bislang
bei den Festspielen noch nicht präsentiert wurden, soll dieser Gedanke reflektiert werden.
- Die drei Festspielhäuser – die Felsenreitschule, das neue Haus für Mozart und das Große Festspielhaus
– bedürfen einer stärkeren Profilierung durch ein ihnen adäquates Repertoire: Während die Mozart-Opern
in der ihnen gewidmeten Bühne zu Hause sein sollten, wäre das Große Festspielhaus für groß
dimensionierte Literatur und die barocke Felsenreitschule für das Musiktheater des 17. und 18. Jahrhunderts
zu nutzen. Das Landestheater, das republic und die Perner-Insel sollen grundsätzlich dem Schauspiel zugeordnet
bleiben.
- Die Salzburger Festspiele sind auch eine Art Messe, die das Neueste und Beste präsentieren müsse:
Den ganz aktuellen Entwicklungen der Kunst soll ein weites Forum eröffnet werden. Es muss heute vorgestellt
und debattiert werden, was vielleicht morgen Gültigkeit erlangt.
- Um ein überzeugendes Programm für die Festspiele zu entwickeln, soll eine Arbeitsgruppe gegründet
werden, deren Mitglieder ihr ganz eigenes Fachwissen einbringen. Gespräche wurden darüber bereits mit
Nikolaus Harnoncourt, Franz Welser-Möst, Klaus Zehelein, Neil Shicoff, Markus Hinterhäuser, Clemens Hellsberg
und Andrea Breth geführt. Die Liste ist freilich noch nicht abgeschlossen.
- Die Salzburger Festspiele müssen für Exklusivität und Unverwechselbarkeit stehen. Deshalb soll
ein Repertoire exklusiv für Salzburg gebildet werden, das ausschließlich hier, auch in Wiederaufnahmen
präsentiert wird. Dadurch können die Zahl der jährlich angebotenen Produktionen erhöht und
die Attraktivität des Spielplans gesteigert werden.
- Zur Salzburger Identität gehören unabdingbar die Wiener Philharmoniker, seit 1922 das Festspielorchester.
Diese Position soll gewahrt werden.
- Neben den drei bisherigen Sparten Oper, Schauspiel und Konzert soll eine Öffnung zu anderen Genres und
Präsentationsformen erfolgen: Exquisite Jazzkonzerte, Crossover-Projekte, auch die Operette können hier
ihren Platz finden. Genauso wäre an spartenübergreifende, thematisch gebundene Projekte zu denken, die
Musik und Literatur koppeln, Kammermusik und Orchestrales in ein Spannungsverhältnis bringen. Über eine
Wiederauf-nahme der renommierten „Zeitfluss“-Schiene wird nachgedacht. Composers in residence und Dichter zu Gast
sollen weiterhin eingeladen werden.
- Die Pfingstfestspiele sollen von der ausschließlichen Fixierung auf die Barockmusik gelöst werden.
Pro Saison soll vielmehr ein Kurator verpflichtet werden, der das Programm gestaltet und Kollegen zum gemeinsamen
Musizieren einlädt. Entsprechende Gespräche wurden eingeleitet.
„Wir wollen neue Ideen entwickeln und die Einmaligkeit, die zu den Salzburger Festspielen gehört, erhalten.
Ein Festspielbesuch muss ein Fest sein, auf das man sich freut.“ Mit diesen Worten charakterisierte Univ.-Prof.
Peter Schmidl das Grundverständnis seiner künftigen Arbeit. Schmidl ist seit 41 Jahren in Salzburg und
so mit allen Auf und Ab´s sowie Schwierigkeiten des Festivals vertraut. Gleichzeitig betonte der neue Konzertdirektor,
kein Vasall der Wiener Philharmoniker zu sein. Er werde seine Geschäftsführer-Tätigkeit spätestens
2005 zurücklegen und auch bei den Wiener Philharmonikern ausscheiden. Ab 2006 werde er auch in Salzburg seinen
ersten Wohnsitz haben, so Schmidl.
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