Pensionsharmonisierung  

erstellt am
08. 09. 04

Darabos: "Historische Chance für echte Pensionsharmonisierung vertan"
Regierung soll "unsoziales Flickwerk" zurückziehen
Wien (sk) - SPÖ-Bundesgeschäftsführer Norbert Darabos appelliert an die Bundesregierung, ihren Entwurf zur so genannten Pensionsharmonisierung zurückzuziehen und an den Verhandlungstisch zurückzukehren. Darabos bezeichnete am Mittwoch (08. 09.) den Regierungs- Entwurf als "Flickwerk, das auf der ungerechten Pensionskürzungsreform aus dem Jahr 2003 aufbaut". Aus Sicht des SPÖ-Bundesgeschäftsführers wurde "eine historische Chance vertan, eine echte Pensionsharmonisierung durchzuführen, in die alle politischen Kräfte eingebunden sind und die die Pensionen für die nächsten Jahrzehnte absichert". Sollte Kanzler Schüssel diese "Scheinharmonisierung" so durchziehen wollen, so wäre dies sein "schwerster politischer Fehler" in seiner Zeit als Kanzler.

Das, was von der Regierung nun in Begutachtung geschickt werde, löse - wie fast alle Experten betonen - nicht die Pensionsproblematik, sei unsozial, ungerecht und sichere keineswegs die Pensionen ab, so Darabos in einer gemeinsamen Pressekonferenz mit SPÖ-Bundesgeschäftsführerin Doris Bures. Es sei keine Rede von einer Harmonisierung, entgegen der Darstellung der Regierungsparteien gebe es massive Verluste für Schwerarbeiter, es gebt keine Definition des Begriffs "Schwerarbeiter" und bei Beziehern von kleinen Pensionen würde massiv geürzt. Dass es sich bei dem Entwurf um keine echte Harmonisierung handle, zeige schon allein die Tatsache, dass es keine Angleichung der Beitrags- und Leistungssätze gebe. So zahlen ASVG-Versicherte 22,8 Prozent der Bemessungsgrundlage, GSVG-Versicherte 17,5 Prozent und BSVG-Versicherte 15 Prozent.

Ungerecht ist aus Sicht des SPÖ-Bundesgeschäftsführers auch der eingebaute Pensions-Korridor. Die Abschläge, die bei früherem Pensionsantritt zum Tragen kommen, würden im schlimmsten Fall bis zu einem Viertel der Pension ausmachen. Ein Handwerker, der schwere körperliche Arbeit zu verrichten hat und aus gesundheitlichen Gründen mit 62 Jahren in Pension geht, verliert 12,6 Prozent seiner Pension, ein Beamter, der mit 68 Jahren in Pension geht, weil er länger körperliche Arbeit verrichten kann, bekommt 12,6 Prozent mehr. "Das ist ungerecht", so Darabos. Ein weiterer Effekt sei, dass durch die längere Erwerbstätigkeit der Arbeitsmarkt nicht entlastet werde, sondern vielmehr die Krise noch verschärft werde.

Kritik übte Darabos daran, dass die Beamten aus der so genannten Harmonisierung "weitgehend ausgeklammert" werden, daran werde sich auch in den nächsten 15 Jahren nichts ändern. Den Großteil der Lasten hätten die ASVG-Versicherten zu tragen. Der Obmann des ÖVP-Arbeitnehmerbundes ÖAAB, Neugebauer, habe zwar "Nebelbomben" geworfen und Widerstand angekündigt, im Endeffekt habe sich aber gezeigt, dass es diesem nur um die Beamten gegangen sei. Ebenso wie der ÖAAB habe sich auch die FPÖ in den letzten Wochen in Kampfrhetorik geübt, sowohl ÖAAB als auch FPÖ seien - wie zu befürchten war - umgefallen. Dies gelte auch bei der Schwerarbeiterregelung: So gibt es jetzt doch Abschläge für diese Bevölkerungsgruppe. Auch der eingebaute Deckel von fünf Prozent andere nichts daran, insgesamt könnten Schwerarbeiter Einbußen von 15 bis 20 Prozent erleiden.

Darabos forderte Kanzler Schüssel auf, den Entwurf zu überdenken, zurückzuziehen und an den Verhandlungstisch mit den Parteien, die im Parlament vertreten sind - hier vor allem mit der SPÖ, die von der Bevölkerung höchste Sozial- und Lösungskompetenz in diesem Bereich bescheinigt bekommen hat, zurückzukehren. Im Unterschied zum Entwurf der Regierung sei das Modell der SPÖ fair, gerecht, würde gleiche Leistungen für gleiche Beiträge bringen und sei versicherungsmathematisch durchgerechnet.

Darabos unterstützte im Rahmen der Pressekonferenz auch den Vorschlag von SPÖ-Vorsitzendem Alfred Gusenbauer im gestrigen ORF-Sommergespräch nach Einführung eines Solidarbeitrags, den jene leisten sollten, die eine Pension von mehr als 2.400 Euro brutto beziehen." Ein derartiger Beitrag zur Finanzierung des Pensionssystems wäre "fair und gerecht", immerhin würden 90 Prozent der Österreicher Pensionen in einer derartigen Höhe nicht erreichen. Die Durchschnittspension liege vielmehr bei 787 Euro, bei Frauen noch niedriger, so Darabos.

Auf die Frage, ob die SPÖ in der Frage der Pensionsharmonisierung den Verfassungsgerichtshof (VfGH) anrufen werde, erwiderte Darabos, dass dies eine Option sei, er fügte aber hinzu, dass zur Zeit nur ein Entwurf vorliege. Diesen Entwurf werde man einer detaillierten Analyse unterziehen und dann sehen, ob er rechtlich hält.

 

  Lopatka: "Pensions-Denk-Korridor" für Bures und Darabos
Keine Kritik an SPÖ-Pensionsmodell, da es kein Modell gibt
Wien (övp-pk) - "Wenn die Regierung mit der Pensionsharmonisierung eines der komplexesten und modernsten Reformprojekte Europas umsetzt, dann dauert es wohl, bis die Retro- Politiker aus der Löwelstraße es auch zur Kenntnis nehmen wollen", sagte ÖVP-Generalsekretär Abg.z.NR Dr. Reinhold Lopatka am Mittwoch (08. 09.). Die Volkspartei schlage daher einen "Pensions-Denk- Korridor" für die Bundesgeschäftsführer der SPÖ, Bures und Darabos, vor, so Lopatka.

Mit dem gestern vorgestellten Begutachtungsentwurf werde Österreich als einziges Land innerhalb Europas ein einheitliches Pensionsrecht für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer schaffen. "Die besonderen Bedürfnisse von Schwerarbeitern werden berücksichtigt, deutliche Verbesserungen für Frauen vorgesehen und ein Nachhaltigkeitsfaktor für die junge Generation definiert", so Lopatka. Die zentralen Eckpunkte der Harmonisierung seien das Pensionskonto für alle, die Formel 65-45-80, eine Leistungsgarantie des Staates und eine Gleichstellung der Beitragssätze.

Der Regierungsbeschluss basiere auf Fairness, Solidarität und Finanzierbarkeit - soziale Ungerechtigkeiten würden beseitigt, betonte Lopatka weiters. Daher beinhalte die SPÖ-Kritik am Begutachtungsentwurf für die Pensionsharmonisierung "nichts als Phrasen". In einem Punkt wollte der ÖVP-Generalsekretär den SPÖ- Bundesgeschäftsführern aber ausdrücklich zustimmen: "Es stimmt, dass es keine Experten-Kritik am SPÖ-Pensionsmodell gegeben hat. Wo es kein Modell gibt, gibt es halt auch keine Kritik", so Lopatka abschließend.

 

 Scheibner: "Regierung setzt Meilenstein in der Altersversorgung und Alterssicherung"
In Wien wurden die Pensionsprivilegien im öffentlichen Dienst auf Jahre und Jahrzehnte zementiert
Wien (fpd) - FPÖ-Klubobmann Herbert Scheibner begrüßte am Mittwoch (08. 09.) die Einigung der Bundesregierung zu einem Harmonisierungspaket zur nachhaltigen Sicherung der Altersversorgung. "Damit hat ein jahrzehntelanges Herumlavieren und Herumdoktern am Pensionssystem endlich ein Ende gefunden. Die Regierungsparteien haben einmal mehr Verantwortung gezeigt und dies nicht nur im Hinblick auf den nächsten Ministerrat oder nächsten Wahltag, sondern in Hinblick auf künftige Generationen", so Scheibner weiter.

"Es ist ein ordentliches Werk, das in Begutachtung geht und steht jetzt zur Diskussion. Wir hoffen nun, daß es viele konstruktive Anmerkungen zu diesem Paket geben wird. Die Eckpunkte sind aber positiv und standhaft und wir werden sie mit 1.1. 2005 in Kraft setzen. Es wird ein einheitliches, faires und gerechtes Pensionssystem für alle Erwerbstätigen in Österreich geben", betonte Scheibner.

Viele Eckpunkte setzen auch Schwerpunkte der Regierung seit dem Jahr 2000 fort, wie etwa viele Maßnahmen im familienpolitischen Sinn. "So werden die Eigenpensionen für Frauen verbessert. Auch die Zeiten des Präsenzdienstes werden als Beitragszeit voll angerechnet. Ebenso werden Ausnahmen geschaffen, wo sie berechtigt sind, etwa für jene Erwerbstätigen, die sehr lange im Erwerbsprozeß eingegliedert sind und für jene, die besonders schwere Tätigkeiten ausüben", erklärte Scheibner.

Mit der Schwerarbeiterregelung sei ein weiterer wichtiger Bereich gesetzt worden. Für jene, die 45 Jahre bei den Männern bzw. 40 Jahre bei den Frauen im Erwerbsleben seien, hätten aus dem Titel der vorzeitigen Alterspension keine Abschläge zu verzeichnen. Wichtig sei auch das einheitliche Pensionskonto, damit jeder in Zukunft sehen könne, welche Ansprüche er bis zu dem jeweiligen Tag erworben habe. Diese seien ihm auch bis zum Pensionsantritt garantiert, sagte Scheibner

Der freiheitlich Klubobmann erinnerte auch an den Beschluß der FPÖ-Klubklausur in Friesach, wo es geheißen habe, daß es eine verfassungskonforme Regelung sein müsse. "Jetzt haben wir die unter 50 Jährigen von dieser Harmonisierung erfaßt. So gibt es ausreichend Übergangsbestimmungen für ältere Arbeitnehmer, aber doch wurde ein Maximum an Wirksamkeit für alle Bevölkerungs- und Berufsgruppen erwirkt", so Scheibner.

Als Wehrmutstropfen bezeichnete Scheibner, daß die Bediensteten im öffentlichen Bereich durch diese Harmonisierung in den Ländern und Gemeinden nicht umfaßt werden können. "Das hat die Ursache in der abhaltende Wirkung der SPÖ. Man hat ja die AK und den ÖGB zurückgepfiffen als es darum ging, bei den Sozialpartnergesprächen eine Einigung zu erzielen. Es durfte keine Einigung geben, das SPÖ-Präsidium habe eine ÖGB-Zustimmung verhindert. Anscheinend braucht man für zukünftige Wahlkämpfe das Motto "Pensionsraub". Mit diesem geschnürten Paket geht aber auch dieser Wahlkampfslogan ins Leere", meinte Scheibner.

Staatspolitische Verantwortung sei aber nicht Sache der SPÖ, es sei dabei lediglich parteipolitischer Populismus betrieben worden. "Man braucht diese markigen Sprüche, um vom eigenen Desaster wie etwa beim Wirtschaftsprogramm, wo es außer Plattitüden nur die Forderung nach Steuererhöhungen gibt, ablenken möchte. Die Opposition ist nun aufgefordert, sich sachlich mit diesen Reformwerk auseinanderzusetzen. Wir sind jedenfalls für jeden konstruktiven positiven Vorschlag offen. Wir werden aber alles tun, um dieses Werk vor Populismus von Wahlkampfstrategen in Schutz zu nehmen", betonte Scheibner.

"Für mich wäre es wichtig, daß diese Harmonisierung nicht nur horizontal sondern auch vertikal wirkt. Dazu bräuchte man aber eine 2/3 Mehrheit, die derzeit nicht gegeben ist. Wenn man sich die Pensionsregelungen im roten Wien ansieht, die die Bundesregierung zurückgewiesen hat, dann weiß man auch warum. In Wien wurden die Pensionsprivilegien im öffentlichen Dienst auf Jahre und Jahrzehnte zementiert. Leute wie Bürgermeister Häupl müßten dann eben politisch zur Verantwortung gezogen werden", forderte Scheibner.

"Mit dieser Pensionsharmonisierung hat die Regierung jedenfalls einen Meilenstein in der Altersversorgung und Alterssicherung gesetzt", schloß Scheibner.

 

 Versäumnisse der Regierung bei Pensionsharmonisierung
Van der Bellen bei Klubklausur: Es wurde keine Klarheit geschaffen
Feldkirch (grüne) - Der von der schwarz-blauen Regierung vorgelegte Begutachtungsentwurf zur Pensionsharmonisierung sei, so der Bundessprecher der Grünen, Alexander Van der Bellen, Versäumnis und Verwirrung. Es fehle die notwendige Klarheit vor allem für die jüngere Generation. Zu Beginn der in Feldkirch, Vorarlberg, abgehaltenen Klubklausur am Mittwoch (08. 09.) meinte er, wenn man sich die so genannten Schwerarbeiterabschläge ansehe, dann müsse man beim Pisa-Test schon in der Grenzgenieklasse gewesen sein. Die Formel 45/65/80 sei derart hoch angesetzt, dass sie kaum unerreichbar sei.

Als sehr eigenartig bewertet der Grünen-Chef die "Stille bei ÖVP und FPÖ um das Pensionskonto". Die Grünen hätten sich sehr wohl für eine Pensionsvereinheitlichung eingesetzt. Wichtig sei beispielsweise der Abbau von Barrieren, wenn man als Angestellter in den Öffentlichen Dienst wechsle oder wieder retour komme. Auch seien die Grünen für das Fairness-Argument eingetreten, dass Ungleichheiten im bestehenden System verändert werden. Was jetzt vorliege, sei aber noch schwerer durchschaubar und für die Betroffenen kaum nachvollziehbar.
         
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