Evangelische Kirchenleitung "besorgt" über Entwicklung an Wiener Pflichtschulen
Wien (epd Ö) - “Wir sind besorgt über die Entwicklung des Religionsunterrichts an Pflichtschulen
in Wien", sagte der evangelisch-lutherische Oberkirchenrat Hon. Prof. Dr. Michael Bünker in einer
Pressekonferenz in Wien. Die Existenz des Religionsunterrichts sei an einigen Schulen “schlicht gefährdet",
so das Mitglied der Kirchenleitung. Grund für diese Gefährdung des evangelischen Religionsunterrichts
“sind Sparmaßnahmen seitens des Wiener Stadtschulrats." Konkret sei geplant, zwei Religionslehrerstellen
im kommenden Schuljahr nicht wieder zu besetzen. In den vergangenen Jahren habe die Evangelische Kirche die Sparmaßnahmen
“in angemessenem Rahmen" mitgetragen. Nun aber werde diese “Grenze des Angemessenen" überschritten.
Um rund zweieinhalb Prozent sei die SchülerInnenzahl in den vergangenen zehn Jahren in Wien zurückgegangen,
“Religionsstunden gibt es im selben Zeitraum aber um über 23 Prozent weniger." Die Probleme für
den Religionsunterricht hätten allein organisatorische Gründe: Religionsstunden werden zunehmend nicht
nur jahrgangsübergreifend sondern auch schulübergreifend angeboten. Damit werde der evangelische Religionsunterricht
an den Rand gedrängt. Die Stunden könnten oft nur mehr am Nachmittag angeboten werden, die SchülerInnen
müssten für den Religionsunterricht einen längeren Weg zu einer anderen Schule zurücklegen.
Diese Faktoren, so Bünker, bewegen viele Eltern zur Abmeldung ihres Kindes vom Religionsunterricht. Wenn nun
weiterhin linear eingespart werde, “merken wir Minderheitskirchen das zuerst." Natürlich betreffe das
auch die anderen anerkannten Religionsgesellschaften.
Kneucker: Religionsunterricht darf nicht zum Spielball werden
“Religion ist ein Pflichtgegenstand, und die SchülerInnen haben Anspruch auf diesen Pflichtgegenstand",
betonte der stellvertretende juristische Oberkirchenrat und frühere Sektionschef im Unterrichtsministerium,
Hon. Prof. Dr. Raoul Kneucker. Der Religionsunterricht dürfe nicht zum Spielball des Finanzausgleichgesetzes
werden: “Die LandeslehrerInnen werden von den Ländern bestellt und aus dem Bundesbudget bezahlt. Wenn die
Länder nun mehr Lehrer bestellen, als der Bund bezahlen kann oder will, darf das nicht das Problem der Religionsgesellschaften
werden." Die Religionslehrer müssten daher “heraus aus dem generellen Topf", aus dem die Lehrer
bezahlt werden.
Kneucker unterstrich, dass im Religionsunterricht zunehmend die Entwicklung der Toleranz gelehrt werde. “Religionsunterricht
gehört zur Identitätsbildung", dies in der heutigen Zeit einzuschränken, sei fatal. “An den
Problemen unserer Tage ist zu bemerken, dass der Umgang mit Religion zu einer wichtigen Zukunftsfrage geworden
ist", betonte Bünker. “Dieser Umgang wird an der Schule gelehrt." |