Volksanwaltschaft leitete 2003 6561 Prüfverfahren ein  

erstellt am
07. 09. 04

Nach wie vor gefragte Anlaufstelle für Bürgerinnen und Bürger
Wien (pk) - Die Volksanwaltschaft ist nach wie vor eine gefragte Anlaufstelle bei Problemen mit der Verwaltung. Im vergangenen Jahr wandten sich insgesamt 15.787 Bürgerinnen und Bürger mit ihren Anliegen an die drei VolksanwältInnen, um fast 1.000 mehr als im bisherigen Rekordjahr 2002. 6.561 Prüfverfahren wurden eingeleitet. Das geht aus dem jährlichen Bericht der Volksanwaltschaft an den Nationalrat und den Bundesrat hervor ( III-79 d.B.). Die meisten Beschwerden betrafen das Justizministerium und das Sozialministerium.

Allerdings ist die Volksanwaltschaft nicht für alle Fälle, die an sie herangetragen werden, tatsächlich zuständig. Eine Aufschlüsselung der 15.787 Beschwerdefälle des Jahres 2003 zeigt, dass davon lediglich 10.316 den Bereich der öffentlichen Verwaltung und damit den Kompetenzbereich der Volksanwaltschaft betrafen, in 5.471 Fällen erwies sich die Volksanwaltschaft als unzuständig. So werden immer wieder familienrechtliche Probleme zwischen Privatpersonen, etwa im Zusammenhang mit Scheidungen und Scheidungsfolgen, an die Volksanwaltschaft herangetragen. In weiteren 3.755 Fällen konnte keine Prüfungsverfahren eingeleitet werden, weil die behördlichen Verfahren noch nicht abgeschlossen waren oder den Beschwerdeführern noch ein Rechtsmittel offen stand.

Von den eingeleiteten 6.561 Prüfverfahren bezogen sich 4.184 auf die Bundesverwaltung, 2.363 richteten sich gegen die Landes- und Gemeindeverwaltung. Gerechnet pro Einwohner gibt es die meisten Beschwerden in Wien, am unteren Ende der Skala rangiert Tirol. In 69 Fällen leitete die Volksanwaltschaft ein so genanntes "amtswegiges Prüfungsverfahren" ein, wurde also von sich aus tätig.

10 Empfehlungen und 9 Mißstandsfeststellungen
Abgeschlossen werden konnten im Berichtsjahr 2003 7.078 Prüfungsverfahren, wobei es in zehn besonders schwer wiegenden Fällen einer formellen Empfehlung und in neun Fällen einer Missstandsfeststellung bedurfte, zwei Fälle führten zu einer Verordnungsanfechtung. Daneben wurden weiteren 758 Beschwerden Berechtigung zuerkannt. Die Empfehlungen und Missstandsfeststellungen betrafen beispielsweise die Verzögerung von Gerichtsverfahren, ein als Wahlwerbung beurteiltes Schreiben von Außenministerin Benita Ferrero-Waldner an AuslandsösterreicherInnen im Vorfeld der Nationalratswahl 2002, Geschwindigkeitsbeschränkungen auf der A 21, eine unverständliche Disziplinarmaßnahme im Verteidigungsministerium, das Unterlassen fremdenpolizeilicher Maßnahmen in einem Einzelfall und Verzögerungen bei einer Ruhestandsversetzung.

Bei immerhin 3.336 geprüften Fällen sahen die drei VolksanwältInnen - Rosemarie Bauer, Peter Kostelka, Ewald Stadler - hingegen keinen Anlass für eine Beanstandung. Die übrigen der im Jahr 2003 erledigten Beschwerden wurden entweder zurückgezogen (488), erwiesen sich als unzulässig (938) bzw. nicht als in die Kompetenz der Volksanwaltschaft fallend (1.426) oder waren zur geschäftsordnungsmäßigen Behandlung nicht geeignet (111).

Legistische Anregungen und Grundrechtsteil
Wie die früheren Berichte enthält auch der nunmehr 27. Bericht der Volksanwaltschaft eine Reihe von legistischen Anregungen, die sich aus der Tätigkeit der Volksanwaltschaft ergeben. So urgieren die VolksanwältInnen etwa eine Angleichung der 10-jährigen Verjährungsfrist nach dem Amtshaftungsgesetz an die 30-jähritge Verjährungsfrist nach dem bürgerlichen Gesetzbuch, die steuerliche Absetzbarkeit der Kosten einer künstlichen Befruchtung, eine flexiblere Gestaltung der Voraussetzungen für die Rezeptgebührenbefreiung, eine gesetzliche Regelung des Musiktherapeutenberufs, die Schaffung einer zentralen Beratungs- und Serviceeinrichtung für psychisch Kranke und deren Angehörige, die Ausstellung von Heirats- und Sterbeurkunden auch ohne Anführung des religiösen Bekenntnisses, die Schaffung eines bundeseinheitlichen Pensionistenausweises, die Ermöglichung des Zutritts mit Blindenführerhund zu allen öffentlichen Gebäuden und Einrichtungen, die Stärkung von Nachbarrechten bei Errichtung von Mobilfunk-Sendemasten und die Herabsetzung der Grenzwerte für die Betriebsgeräusche von Kraftfahrzeugen und Motorrädern. Auch der Forderung des Rechnungshofes nach einer Erarbeitung von Leitlinien zur Öffentlichkeitsarbeit der Bundesregierung schließt sich die Volksanwaltschaft an.

Aufmerksam gemacht wird darüber hinaus, dass die durchschnittliche Bearbeitungsdauer von Pensionsanträgen nach der Fusion der Pensionsversicherungsanstalten für Arbeiter und für Angestellte signifikant länger dauerte als im Jahr vor der Fusion, obwohl die Fusion nicht zuletzt mit zu erwartenden Synergieeffekten begründet worden war.

In einigen Bereichen konnte die Volksanwaltschaft mit ihren Anregungen - wie auch schon in der Vergangenheit - bereits Erfolge verzeichnen. So verabschiedete das Parlament ein bundeseinheitliches Tierschutzgesetz, berücksichtigte bei der Strafprozessreform einige Anregungen der Volksanwaltschaft, führte Zuschläge zum Kinderbetreuungsgeld bei Mehrlingsgeburten ein und beseitigte Härten für ältere Langzeitarbeitslose. Weiters wurde die Schülerfreifahrt auf Pflichtpraktika außerhalb des Schulstandortes ausgedehnt und langjährig berufstätigen Invaliden der Zugang zur Pension wegen geminderter Erwerbsfähigkeit eröffnet. Hinsichtlich der Forderung nach Schaffung eines bundeseinheitlichen Heimvertragsgesetzes und bei der pensionsversicherungsrechtlichen Absicherung von Pflegepersonen kam es zumindest zu Teillösungen.

Ein eigenes Kapitel in ihrem Bericht widmet die Volksanwaltschaft wieder Grundrechtsfragen. Beanstandet werden hier etwa gravierende Verfahrensverzögerungen, nicht nur im Justizbereich, sondern auch in der Bundes-, der Länder- und der Gemeindeverwaltung, sowie ein teilweise überschießendes Vorgehen der Sicherheitsbehörden bei Verdacht geringfügiger strafgesetzwidriger Handlungen. Außerdem mahnen die VolksanwältInnen zur Wahrung des Datenschutzes gesetzliche Regelungen dafür ein, unter welchen Umständen AmtsärztInnen gesundheitsbezogene Daten von Personen an andere Behörden, etwa an die Führerscheinbehörde, übermitteln dürfen bzw. müssen.

Erneut in Erinnerung ruft die Volksanwaltschaft, dass Behörden zur buchstaben- und zeichengetreuen Wiedergabe des Familiennamens in Dokumenten wie Führerscheinen oder Reisepässen verpflichtet sind. Können Sonderzeichen (Striche, Häkchen etc.) bei der EDV-mäßigen Verarbeitung nicht erstellt werden, haben Antragsteller das Recht auf entsprechende hand- oder maschinenschriftliche Ergänzung.

Vorschläge zur Weiterentwicklung der Volksanwaltschaft
Der Bericht der Volksanwaltschaft zeigt aber nicht nur konkrete Missstände in der Verwaltung und Lösungsmöglichkeiten auf, sondern enthält auch Vorschläge der VolksanwältInnen zur Weiterentwicklung der Volksanwaltschaft selbst. Unter anderem sprechen sich die VolksanwältInnen dafür aus, Prüfungsverfahren durch eine Verkürzung der Auskunftsfrist der geprüften Stelle auf fünf Wochen zu beschleunigen und ihre Kontrollbefugnis auf ausgegliederte Rechtsträger und auf Gemeindeverbände und Körperschaften öffentlichen Rechts auszudehnen. Von 1991 bis 2004 hätten allein auf Bundesebene etwa 50 Ausgliederungen die Prüfzuständigkeit der Volksanwaltschaft schrittweise reduziert, heißt es dazu im Bericht. KonsumentInnen, die sich nach der Ausgliederung über mangelhafte oder sprunghaft verteuerte Dienstleistungen beschweren möchten, seien immer wieder mit überlasteten Telefon-Hotlines und konsequent unbeantworteten Eingaben konfrontiert.

Darüber hinaus drängen die VolksanwältInnen auf eine Ermächtigung, Gesetze beim Verfassungsgerichtshof anfechten und Amtsbeschwerden zur Wahrung des Gesetzes vor dem VfGH bzw. dem VwGH erheben zu dürfen. Bei Verzögerungen von gerichtlichen Verfahren, Verfahren vor dem Verfassungs- und dem Verwaltungsgerichtshof sowie von Verfahren vor den geplanten Verwaltungsgerichten erster Instanz soll die Volksanwaltschaft dem zuständigen Organ empfehlen können, entsprechende Verfahrenshandlungen zur Beschleunigung der Verfahren vorzunehmen. Verhindern will die Volksanwaltschaft außerdem drohende Kontrolleinschränkungen im Falle der Abschaffung der mittelbaren Bundesverwaltung.

Nationalrat und Bundesrat sollen, geht es nach den Vorschlägen von Bauer, Kostelka und Stadler, die ausdrückliche Befugnis erhalten, die Volksanwaltschaft mit der Prüfung von konkreten Missständen in der Verwaltung zu betrauen. Gleichzeitig wünschen sich die VolksanwältInnen eine Befugnis zur Vorlage von "Sonderberichten" an das Parlament und ein erweitertes Rederecht im Nationalrat und im Bundesrat. Vorstellen können sie sich schließlich auch die Verschmelzung der Bundesheer-Beschwerdekommission mit der Volksanwaltschaft und die Betrauung der Volksanwaltschaft mit den Aufgaben diverser Rechtsschutzbeauftragter. Einer Umwandlung der Volksanwaltschaft von einem Kollegialorgan in ein Organ mit nur einem Leiter erteilen die drei VolksanwältInnen eine Absage.

Die Vorschläge der Volksanwaltschaft wurden auch dem Österreich-Konvent übermittelt.

Die Volksanwaltschaft hält regelmäßig Sprechtage ab - 2003 waren es 270 - und bietet auch via Internet (www.volksanwaltschaft.gv.at ) ein Online-Beschwerdeformular an. Für Rat- und Hilfesuchende stehen außerdem täglich zwischen 8 Uhr und 16 Uhr ein telefonischer Auskunftsdienst (Tel. 51505-100) bzw. eine kostenlose Service-Nummer (0800/223 223) zur Verfügung. Die ORF-Sendereihe "Volksanwalt - Gleiches Recht für alle", in der die VolksanwältInnen besonders berichtenswerte Fälle aus ihrer Prüfungstätigkeit darstellen, erreicht eine durchschnittliche Zuschauerquote von 436.000.
     
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