Nach wie vor gefragte Anlaufstelle für Bürgerinnen und Bürger
Wien (pk) - Die Volksanwaltschaft ist nach wie vor eine gefragte Anlaufstelle bei Problemen mit der
Verwaltung. Im vergangenen Jahr wandten sich insgesamt 15.787 Bürgerinnen und Bürger mit ihren Anliegen
an die drei VolksanwältInnen, um fast 1.000 mehr als im bisherigen Rekordjahr 2002. 6.561 Prüfverfahren
wurden eingeleitet. Das geht aus dem jährlichen Bericht der Volksanwaltschaft an den Nationalrat und den Bundesrat
hervor ( III-79 d.B.). Die meisten Beschwerden betrafen das Justizministerium und das Sozialministerium.
Allerdings ist die Volksanwaltschaft nicht für alle Fälle, die an sie herangetragen werden, tatsächlich
zuständig. Eine Aufschlüsselung der 15.787 Beschwerdefälle des Jahres 2003 zeigt, dass davon lediglich
10.316 den Bereich der öffentlichen Verwaltung und damit den Kompetenzbereich der Volksanwaltschaft betrafen,
in 5.471 Fällen erwies sich die Volksanwaltschaft als unzuständig. So werden immer wieder familienrechtliche
Probleme zwischen Privatpersonen, etwa im Zusammenhang mit Scheidungen und Scheidungsfolgen, an die Volksanwaltschaft
herangetragen. In weiteren 3.755 Fällen konnte keine Prüfungsverfahren eingeleitet werden, weil die behördlichen
Verfahren noch nicht abgeschlossen waren oder den Beschwerdeführern noch ein Rechtsmittel offen stand.
Von den eingeleiteten 6.561 Prüfverfahren bezogen sich 4.184 auf die Bundesverwaltung, 2.363 richteten sich
gegen die Landes- und Gemeindeverwaltung. Gerechnet pro Einwohner gibt es die meisten Beschwerden in Wien, am unteren
Ende der Skala rangiert Tirol. In 69 Fällen leitete die Volksanwaltschaft ein so genanntes "amtswegiges
Prüfungsverfahren" ein, wurde also von sich aus tätig.
10 Empfehlungen und 9 Mißstandsfeststellungen
Abgeschlossen werden konnten im Berichtsjahr 2003 7.078 Prüfungsverfahren, wobei es in zehn besonders schwer
wiegenden Fällen einer formellen Empfehlung und in neun Fällen einer Missstandsfeststellung bedurfte,
zwei Fälle führten zu einer Verordnungsanfechtung. Daneben wurden weiteren 758 Beschwerden Berechtigung
zuerkannt. Die Empfehlungen und Missstandsfeststellungen betrafen beispielsweise die Verzögerung von Gerichtsverfahren,
ein als Wahlwerbung beurteiltes Schreiben von Außenministerin Benita Ferrero-Waldner an AuslandsösterreicherInnen
im Vorfeld der Nationalratswahl 2002, Geschwindigkeitsbeschränkungen auf der A 21, eine unverständliche
Disziplinarmaßnahme im Verteidigungsministerium, das Unterlassen fremdenpolizeilicher Maßnahmen in
einem Einzelfall und Verzögerungen bei einer Ruhestandsversetzung.
Bei immerhin 3.336 geprüften Fällen sahen die drei VolksanwältInnen - Rosemarie Bauer, Peter Kostelka,
Ewald Stadler - hingegen keinen Anlass für eine Beanstandung. Die übrigen der im Jahr 2003 erledigten
Beschwerden wurden entweder zurückgezogen (488), erwiesen sich als unzulässig (938) bzw. nicht als in
die Kompetenz der Volksanwaltschaft fallend (1.426) oder waren zur geschäftsordnungsmäßigen Behandlung
nicht geeignet (111).
Legistische Anregungen und Grundrechtsteil
Wie die früheren Berichte enthält auch der nunmehr 27. Bericht der Volksanwaltschaft eine Reihe von legistischen
Anregungen, die sich aus der Tätigkeit der Volksanwaltschaft ergeben. So urgieren die VolksanwältInnen
etwa eine Angleichung der 10-jährigen Verjährungsfrist nach dem Amtshaftungsgesetz an die 30-jähritge
Verjährungsfrist nach dem bürgerlichen Gesetzbuch, die steuerliche Absetzbarkeit der Kosten einer künstlichen
Befruchtung, eine flexiblere Gestaltung der Voraussetzungen für die Rezeptgebührenbefreiung, eine gesetzliche
Regelung des Musiktherapeutenberufs, die Schaffung einer zentralen Beratungs- und Serviceeinrichtung für psychisch
Kranke und deren Angehörige, die Ausstellung von Heirats- und Sterbeurkunden auch ohne Anführung des
religiösen Bekenntnisses, die Schaffung eines bundeseinheitlichen Pensionistenausweises, die Ermöglichung
des Zutritts mit Blindenführerhund zu allen öffentlichen Gebäuden und Einrichtungen, die Stärkung
von Nachbarrechten bei Errichtung von Mobilfunk-Sendemasten und die Herabsetzung der Grenzwerte für die Betriebsgeräusche
von Kraftfahrzeugen und Motorrädern. Auch der Forderung des Rechnungshofes nach einer Erarbeitung von Leitlinien
zur Öffentlichkeitsarbeit der Bundesregierung schließt sich die Volksanwaltschaft an.
Aufmerksam gemacht wird darüber hinaus, dass die durchschnittliche Bearbeitungsdauer von Pensionsanträgen
nach der Fusion der Pensionsversicherungsanstalten für Arbeiter und für Angestellte signifikant länger
dauerte als im Jahr vor der Fusion, obwohl die Fusion nicht zuletzt mit zu erwartenden Synergieeffekten begründet
worden war.
In einigen Bereichen konnte die Volksanwaltschaft mit ihren Anregungen - wie auch schon in der Vergangenheit -
bereits Erfolge verzeichnen. So verabschiedete das Parlament ein bundeseinheitliches Tierschutzgesetz, berücksichtigte
bei der Strafprozessreform einige Anregungen der Volksanwaltschaft, führte Zuschläge zum Kinderbetreuungsgeld
bei Mehrlingsgeburten ein und beseitigte Härten für ältere Langzeitarbeitslose. Weiters wurde die
Schülerfreifahrt auf Pflichtpraktika außerhalb des Schulstandortes ausgedehnt und langjährig berufstätigen
Invaliden der Zugang zur Pension wegen geminderter Erwerbsfähigkeit eröffnet. Hinsichtlich der Forderung
nach Schaffung eines bundeseinheitlichen Heimvertragsgesetzes und bei der pensionsversicherungsrechtlichen Absicherung
von Pflegepersonen kam es zumindest zu Teillösungen.
Ein eigenes Kapitel in ihrem Bericht widmet die Volksanwaltschaft wieder Grundrechtsfragen. Beanstandet werden
hier etwa gravierende Verfahrensverzögerungen, nicht nur im Justizbereich, sondern auch in der Bundes-, der
Länder- und der Gemeindeverwaltung, sowie ein teilweise überschießendes Vorgehen der Sicherheitsbehörden
bei Verdacht geringfügiger strafgesetzwidriger Handlungen. Außerdem mahnen die VolksanwältInnen
zur Wahrung des Datenschutzes gesetzliche Regelungen dafür ein, unter welchen Umständen AmtsärztInnen
gesundheitsbezogene Daten von Personen an andere Behörden, etwa an die Führerscheinbehörde, übermitteln
dürfen bzw. müssen.
Erneut in Erinnerung ruft die Volksanwaltschaft, dass Behörden zur buchstaben- und zeichengetreuen Wiedergabe
des Familiennamens in Dokumenten wie Führerscheinen oder Reisepässen verpflichtet sind. Können Sonderzeichen
(Striche, Häkchen etc.) bei der EDV-mäßigen Verarbeitung nicht erstellt werden, haben Antragsteller
das Recht auf entsprechende hand- oder maschinenschriftliche Ergänzung.
Vorschläge zur Weiterentwicklung der Volksanwaltschaft
Der Bericht der Volksanwaltschaft zeigt aber nicht nur konkrete Missstände in der Verwaltung und Lösungsmöglichkeiten
auf, sondern enthält auch Vorschläge der VolksanwältInnen zur Weiterentwicklung der Volksanwaltschaft
selbst. Unter anderem sprechen sich die VolksanwältInnen dafür aus, Prüfungsverfahren durch eine
Verkürzung der Auskunftsfrist der geprüften Stelle auf fünf Wochen zu beschleunigen und ihre Kontrollbefugnis
auf ausgegliederte Rechtsträger und auf Gemeindeverbände und Körperschaften öffentlichen Rechts
auszudehnen. Von 1991 bis 2004 hätten allein auf Bundesebene etwa 50 Ausgliederungen die Prüfzuständigkeit
der Volksanwaltschaft schrittweise reduziert, heißt es dazu im Bericht. KonsumentInnen, die sich nach der
Ausgliederung über mangelhafte oder sprunghaft verteuerte Dienstleistungen beschweren möchten, seien
immer wieder mit überlasteten Telefon-Hotlines und konsequent unbeantworteten Eingaben konfrontiert.
Darüber hinaus drängen die VolksanwältInnen auf eine Ermächtigung, Gesetze beim Verfassungsgerichtshof
anfechten und Amtsbeschwerden zur Wahrung des Gesetzes vor dem VfGH bzw. dem VwGH erheben zu dürfen. Bei Verzögerungen
von gerichtlichen Verfahren, Verfahren vor dem Verfassungs- und dem Verwaltungsgerichtshof sowie von Verfahren
vor den geplanten Verwaltungsgerichten erster Instanz soll die Volksanwaltschaft dem zuständigen Organ empfehlen
können, entsprechende Verfahrenshandlungen zur Beschleunigung der Verfahren vorzunehmen. Verhindern will die
Volksanwaltschaft außerdem drohende Kontrolleinschränkungen im Falle der Abschaffung der mittelbaren
Bundesverwaltung.
Nationalrat und Bundesrat sollen, geht es nach den Vorschlägen von Bauer, Kostelka und Stadler, die ausdrückliche
Befugnis erhalten, die Volksanwaltschaft mit der Prüfung von konkreten Missständen in der Verwaltung
zu betrauen. Gleichzeitig wünschen sich die VolksanwältInnen eine Befugnis zur Vorlage von "Sonderberichten"
an das Parlament und ein erweitertes Rederecht im Nationalrat und im Bundesrat. Vorstellen können sie sich
schließlich auch die Verschmelzung der Bundesheer-Beschwerdekommission mit der Volksanwaltschaft und die
Betrauung der Volksanwaltschaft mit den Aufgaben diverser Rechtsschutzbeauftragter. Einer Umwandlung der Volksanwaltschaft
von einem Kollegialorgan in ein Organ mit nur einem Leiter erteilen die drei VolksanwältInnen eine Absage.
Die Vorschläge der Volksanwaltschaft wurden auch dem Österreich-Konvent übermittelt.
Die Volksanwaltschaft hält regelmäßig Sprechtage ab - 2003 waren es 270 - und bietet auch via Internet
(www.volksanwaltschaft.gv.at ) ein Online-Beschwerdeformular an. Für Rat- und Hilfesuchende stehen außerdem
täglich zwischen 8 Uhr und 16 Uhr ein telefonischer Auskunftsdienst (Tel. 51505-100) bzw. eine kostenlose
Service-Nummer (0800/223 223) zur Verfügung. Die ORF-Sendereihe "Volksanwalt - Gleiches Recht für
alle", in der die VolksanwältInnen besonders berichtenswerte Fälle aus ihrer Prüfungstätigkeit
darstellen, erreicht eine durchschnittliche Zuschauerquote von 436.000. |