Ansprache des Präsidenten des EU-Parlaments  

erstellt am
15. 09. 04

Straßburg (euparl) - Der Präsident des Europäischen Parlaments, Josep Borrell, erklärte, er werde den Abgeordneten seine Prioritäten für die Agenda der nächsten Jahre darlegen. Er sei stolz, zur größten multinationalen parlamentarischen Organisation zu gehören, einer Organisation, die Entscheidungen treffe, die die Bürger täglich beträfen. Dieses Gefühl des Stolzes gehe einher mit einer Verantwortung bei der Ausübung der Befugnisse. Das Parlament sei eine der beiden Quellen der Legitimität der EU. Es müsse nicht immer mit den Mitgliedstaaten, der anderen Quelle der Legitimität, übereinstimmen. Das Parlament spiegele die Vielfalt Europas wider.

Borrell erklärte, er habe im Laufe des Sommers kategorisch im Namen des Parlaments terroristische Aktionen verurteilt. Er habe nun die 25 Staats- und Regierungschefs gebeten, an den Schulen in den Mitgliedstaaten der EU heute um 12.00 Uhr eine Schweigeminute einzulegen, um den Opfern des Anschlags von Beslan zu gedenken. Verschiedene Länder folgten seiner Bitte. Das EP verurteile alle terroristischen Aktionen. Es gebe keine Entschuldigung oder Begründung; alle Formen des Terrorismus seien zu verurteilen. Der Terrorismus müsse jedoch auch bekämpft werden. Gegen die unterschwelligen Gründe müsse angekämpft werden und besonnene Reaktionen seien notwendig. Analysieren heiße nicht legitimieren.

Seine oberste Verantwortung sei es, das Funktionieren des erweiterten EP zu gewährleisten. Die Probleme der Größe und der Effizienz müssten gelöst werden. Die Abgeordneten des EP müssten endlich ein Statut erhalten und das Problem der Sprachen müsse gelöst werden. Der Verfassungsvertrag müsse ratifiziert werden. Wichtigste Aufgabe des Parlaments sei es, in der Debatte über die Ratifizierung Impulse zu geben. Es müsse die Agora für eine offene Debatte in Europa sein. Man müsse dem Bürger zeigen, worum es in der Verfassung gehe, was die Verfassung aussage und was nicht. Er hoffe, dass die Referenden paneuropäisch angegangen würden. Man müsse vermeiden, dass innenpolitische Themen die Debatte beeinflussten.

Eine unmittelbare Aufgabe des EP sei nun die Einsetzung der Kommission. Das EP müsse demonstrieren, dass es die Kommission nicht nur abwinke, sondern sich mit den Kommissaren und ihren Zielvorstellungen auseinandersetze. Man brauche eine Debatte über die großen Leitlinien für die Zukunft. In den Anhörungen müsse klar werden, wie die Kommission verschiedene Probleme anzugehen gedenke. Nach den Anhörungen werde er die Kommissionsmitglieder bitten, regelmäßig vor dem EP zu sprechen.

Eine wichtige Frage sei, was mit der Türkei geschehe. Die Konferenz der Präsidenten werde am 23. September 2004 den türkischen Premierminister Erdogan empfangen. Formell habe das EP zwar keine Einflussmöglichkeiten auf den Beginn der Verhandlungen mit der Türkei, aber es dürfe nicht schweigen. Vor der entscheidenden Ratssitzung im Dezember d. J. sollte das EP einen Bericht ausarbeiten.

Wichtig sei auch die neue Finanzielle Vorausschau. Sie enthalte wichtige Eckdaten für viele Vorschläge. Ihre Bedeutung werde oft nicht ganz erfasst. Die Finanzielle Vorausschau müsse vom Parlament den Bürgern in einer Sprache nahe gebracht werden, die auch von ihnen verstanden werde. Daher gebe es den Vorschlag, einen Nichtständigen Ausschuss zur Finanziellen Vorausschau zu schaffen. Über diesen werde man am Mittwoch dieser Woche abstimmen.

Das EP müsse seine Besorgnis darüber erklären, dass die Ziele von Lissabon bis 2010 nicht erfüllt werden könnten. Es müsse mehr in Humanressourcen investiert und die gewachsene Rolle der Umweltpolitik beachtet werden. Die Rolle der Union in der Welt müsse verstärkt werden.

Das EP müsse zeigen, dass die parlamentarische Demokratie gereift sei. Es sei nun an der Zeit, dass die Bürger in Europa verstärkt beachtet würden.
     
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