Straßburg (euparl) - Der Präsident des Europäischen Parlaments,
Josep Borrell, erklärte, er werde den Abgeordneten seine Prioritäten für die Agenda der nächsten
Jahre darlegen. Er sei stolz, zur größten multinationalen parlamentarischen Organisation zu gehören,
einer Organisation, die Entscheidungen treffe, die die Bürger täglich beträfen. Dieses Gefühl
des Stolzes gehe einher mit einer Verantwortung bei der Ausübung der Befugnisse. Das Parlament sei eine der
beiden Quellen der Legitimität der EU. Es müsse nicht immer mit den Mitgliedstaaten, der anderen Quelle
der Legitimität, übereinstimmen. Das Parlament spiegele die Vielfalt Europas wider.
Borrell erklärte, er habe im Laufe des Sommers kategorisch im Namen des Parlaments terroristische Aktionen
verurteilt. Er habe nun die 25 Staats- und Regierungschefs gebeten, an den Schulen in den Mitgliedstaaten der EU
heute um 12.00 Uhr eine Schweigeminute einzulegen, um den Opfern des Anschlags von Beslan zu gedenken. Verschiedene
Länder folgten seiner Bitte. Das EP verurteile alle terroristischen Aktionen. Es gebe keine Entschuldigung
oder Begründung; alle Formen des Terrorismus seien zu verurteilen. Der Terrorismus müsse jedoch auch
bekämpft werden. Gegen die unterschwelligen Gründe müsse angekämpft werden und besonnene Reaktionen
seien notwendig. Analysieren heiße nicht legitimieren.
Seine oberste Verantwortung sei es, das Funktionieren des erweiterten EP zu gewährleisten. Die Probleme der
Größe und der Effizienz müssten gelöst werden. Die Abgeordneten des EP müssten endlich
ein Statut erhalten und das Problem der Sprachen müsse gelöst werden. Der Verfassungsvertrag müsse
ratifiziert werden. Wichtigste Aufgabe des Parlaments sei es, in der Debatte über die Ratifizierung Impulse
zu geben. Es müsse die Agora für eine offene Debatte in Europa sein. Man müsse dem Bürger zeigen,
worum es in der Verfassung gehe, was die Verfassung aussage und was nicht. Er hoffe, dass die Referenden paneuropäisch
angegangen würden. Man müsse vermeiden, dass innenpolitische Themen die Debatte beeinflussten.
Eine unmittelbare Aufgabe des EP sei nun die Einsetzung der Kommission. Das EP müsse demonstrieren, dass es
die Kommission nicht nur abwinke, sondern sich mit den Kommissaren und ihren Zielvorstellungen auseinandersetze.
Man brauche eine Debatte über die großen Leitlinien für die Zukunft. In den Anhörungen müsse
klar werden, wie die Kommission verschiedene Probleme anzugehen gedenke. Nach den Anhörungen werde er die
Kommissionsmitglieder bitten, regelmäßig vor dem EP zu sprechen.
Eine wichtige Frage sei, was mit der Türkei geschehe. Die Konferenz der Präsidenten werde am 23. September
2004 den türkischen Premierminister Erdogan empfangen. Formell habe das EP zwar keine Einflussmöglichkeiten
auf den Beginn der Verhandlungen mit der Türkei, aber es dürfe nicht schweigen. Vor der entscheidenden
Ratssitzung im Dezember d. J. sollte das EP einen Bericht ausarbeiten.
Wichtig sei auch die neue Finanzielle Vorausschau. Sie enthalte wichtige Eckdaten für viele Vorschläge.
Ihre Bedeutung werde oft nicht ganz erfasst. Die Finanzielle Vorausschau müsse vom Parlament den Bürgern
in einer Sprache nahe gebracht werden, die auch von ihnen verstanden werde. Daher gebe es den Vorschlag, einen
Nichtständigen Ausschuss zur Finanziellen Vorausschau zu schaffen. Über diesen werde man am Mittwoch
dieser Woche abstimmen.
Das EP müsse seine Besorgnis darüber erklären, dass die Ziele von Lissabon bis 2010 nicht erfüllt
werden könnten. Es müsse mehr in Humanressourcen investiert und die gewachsene Rolle der Umweltpolitik
beachtet werden. Die Rolle der Union in der Welt müsse verstärkt werden.
Das EP müsse zeigen, dass die parlamentarische Demokratie gereift sei. Es sei nun an der Zeit, dass die Bürger
in Europa verstärkt beachtet würden. |