Khol: "Der Vergangenheit ehrlich begegnen"
Wien (pk) - Erstmals in der Geschichte der jährlich stattfindenden Sudetendeutschen
Heimattage hielt heuer der Präsident des Nationalrates die Festrede vor der Sudetendeutschen Landsmannschaft.
In seiner Rede dankte der Präsident den Sudetendeutschen: „Der Beitrag von hunderttausenden Sudetenösterreicherinnen
und Sudetenösterreichern, die in Österreich eine neue Heimat fanden, zum Wiederaufbau unserer Heimat,
ihr Fleiß und ihre Anständigkeit, sind unverzichtbar. Die Republik dankt Ihnen allen dafür.“
Der Präsident des Nationalrates betonte, dass sich in den vergangenen Jahren die Beziehungen zwischen Österreich
und der Tschechischen Republik immer weiter entwickelten und dass mit der EU-Mitgliedschaft der Tschechischen Republik
die beiden Länder in eine neue Phase der Zusammenarbeit eingetreten sind. Österreich ist klar für
die Erweiterung der Europäischen Union und damit für die Aufnahme der Tschechischen Republik in die Union
eingetreten, obwohl für Österreich die Frage der Beneš-Dekrete noch nicht geklärt ist. Diese ließe
sich aber gerade jetzt in einem Klima der guten Zusammenarbeit ausräumen, und zwar „je eher, desto besser“,
so Khol.
Parallel zur Aufarbeitung der Vertreibung der Sudetendeutschen auf europäischer Ebene müsse man vor allem
auf einen Umdenkprozess in der modernen tschechischen Gesellschaft setzen. Die Fakten über die Vertreibungen
des Jahres 1945 seien unleugbar und schon in naher Zukunft werden die tschechischen Bürger offen und auch
öffentlich fragen, was damals wirklich geschehen ist. Die Erklärung des tschechischen Ministerpräsidenten
Vladimir Špidla im Juni 2003 stelle in diesem Zusammenhang einen bedeutenden Schritt dar, zumal er klare Worte
des Bedauerns gefunden und die Ereignisse der unmittelbaren Nachkriegszeit als unannehmbare Taten bezeichnet hatte.
Khol betonte, dass sich Österreich aber darüber hinaus weitere Gesten des guten Willens seitens der Tschechischen
Republik erwarte, insbesondere materielle Gesten der Versöhnung gegenüber der deutschsprachigen Minderheit
in der Tschechischen Republik und gegenüber den Vertriebenen sowie die Aufhebung des sogenannten Straffreistellungsgesetzes
aus dem Jahr 1946.
„Die Vergangenheit holt jedes Land unweigerlich ein. Und nur wenn ein Land seiner Vergangenheit ehrlich begegnen
kann, ist es für die Gestaltung der Zukunft gerüstet“, so Khol.
Abschließend würdigte der Präsident des Nationalrates die wichtigen Beiträge der Sudetenösterreicherinnen
und Sudetenösterreicher zur Vielfalt und zum kulturellen Reichtum Österreichs und dankte ihnen, dass
sie die Sudetendeutsche Geschichte und das Sudetendeutsche Brauchtum weiterhin pflegen. |