Hirtenbrief des evangelischen Bischofs wird in allen Gottesdiensten verlesen Situation
wie in St. Pölten in evangelischer Kirche undenkbar
Wien (epd Ö) - In einem Hirtenbrief an alle Pfarrgemeinden verwahrt sich der evangelisch-lutherische
Bischof Mag. Herwig Sturm strikt gegen Aussagen im Zusammenhang mit den Vorfällen in St. Pölten, wonach
die Situation in der Evangelischen Kirche “auch nicht anders sei". Schon am Montag (20. 09.)hatte Sturm
die Behauptungen von Volksanwalt Ewald Stadler entschieden zurückgewiesen, wonach die evangelischen Kirchen
die gleichen Probleme hätten mit der Bewältigung der Sexualität wie die römisch-katholische
(ORF-Sendung “offen gesagt" vom 19. September). “Evangelische Pfarrerinnen und Pfarrer können die Gestalt,
in der sie ihre Sexualität leben, frei wählen, in Verantwortung vor Gott und der Gemeinde", hält
der Bischof in seinem Hirtenbrief, der in allen Gottesdiensten verlesen werden soll, fest. Sturm erinnert an die
Reformatoren. Sie hätten die biblische Wahrheit wieder entdeckt, “dass Gott nicht nur die Seele, sondern auch
den Leib geschaffen hat, und dass der Mensch in seiner Ganzheit zu Freude und Glück in Verantwortung für
sich und für andere berufen ist". Die Sexualität als wesentliche Kraft der Beziehung wurde so als
Gabe Gottes dankbar angenommen, die lange Tradition einer christlichen Leibfeindlichkeit beendet und die Verpflichtung
der Priester zur Ehelosigkeit aufgehoben. Martin Luther habe geheiratet, eine Familie gegründet und mit dem
ersten evangelischen Pfarrhaus den Grundstein für eine segensreiche Tradition gelegt.
Gleichberechtigte Rolle der Frauen
Unterstrichen wird vom Bischof auch die gleichberechtigte Rolle der Frauen auf allen Ebenen der Evangelischen
Kirche. Sturm: “Wo Frauen mitwirken, ändert sich das Klima des Denkens, des Redens und des Umgangs miteinander.
Das ist ein Gewinn an Behutsamkeit und Menschlichkeit, von dem unsere Kirche in jeder Weise profitiert." Angehende
evangelische PfarrerInnen und ReligionslehrerInnen studieren an öffentlichen Universitäten und Akademien,
betont der Bischof. Sexualität sei kein Tabu, sondern fordere heraus zur Integration in die Gesamtpersönlichkeit.
Eine Handlungsunfähigkeit und Ohnmacht, wie sie derzeit in der Diözese St. Pölten erlebt werde,
sei in der evangelischen Kirche undenkbar. Denn: “Bei uns werden alle Ämter durch Wahl besetzt und können
von den zuständigen Gremien wieder enthoben werden."
Evangelische Menschen seien fehlbar wie andere auch. Sturm: “Unsere Kirche hat sich klare Regeln gegeben, um bei
Problemen aller Art rasch und konsequent handeln zu können." Die Würde jedes Menschen, der Schutz
der Schwachen und die Bewährung des Evangeliums haben, so der Bischof, oberste Priorität.
Der Hirtenbrief wurde allen Pfarrgemeinden, allen ReligionslehrerInnen, den Werken und Vereinen sowie den PfarrerInnen
im Ruhestand übermittelt. |