Einmal tief ausatmen   

erstellt am
23. 09. 04

Untersuchung der Atemluft soll Krankheiten aufdecken
Innsbruck (universität) - Atemtests könnten bald alltäglich werden, wenn es nach dem Willen einiger Wissenschaftler geht. Brustkrebs, Angina pectoris, Organabstoßung, Lungentumore oder Schlafstörungen sollen in Zukunft durch die Analyse der Atemluft von Patienten erkannt werden. Experten aus der ganzen Welt treffen sich von 23. bis 26. September an der Fachhochschule in Dornbirn (Vorarlberg), um die aktuelle Entwicklung der Atemgasanalyse zu diskutieren.

Schon seit Hippokrates achten Mediziner auf den Atem ihrer Patienten, gelten unangenehme Gerüche doch als Indikator für mögliche Erkrankungen. So deutet ein süßlich-fruchtiger Atem auf Diabetes hin, Ammoniak-ähnlicher Geruch verrät ein mögliches Nierenproblem und starker Zersetzungsgeruch kommt bei Lungenabszessen häufig vor. Doch kein Arzt käme auf den Gedanken, Krankheiten wie Krebs oder Schizophrenie anhand des Atems eines Patienten zu diagnostizieren. Mit modernster Technologie soll dies in Zukunft möglich werden. „Wir befinden uns mit dem Atemtest kurz vor dem Durchbruch, in Zukunft wird es für Ärzte ganz normal sein, den Patienten Atemproben abzunehmen“, erklärt der Amerikaner Prof. Michael Phillips, einer der Vorreiter der Atemforschung, der an der Tagung in Dornbirn teilnehmen wird, die von Prof. Anton Amann von der Medizinischen Universität Innsbruck organisiert wird.

Fingerabdruck des Atems
Prof. Michael Phillips arbeitet seit über 20 Jahren an der Atemgasanalyse. Anfang der Siebzigerjahre hatte der Nobelpreisträger Linus Pauling erstmals den menschlichen Atem chemisch untersucht und festgestellt, dass die menschliche Ausatemluft aus über 200 verschiedenen gasförmigen Substanzen besteht. Für die Analyse dieser Stoffe sammelt Prof. Phillips flüchtige organische Verbindungen durch Bindung an Aktivkohle. Mit Hilfe eines thermischen Desorbers werden sie wieder von der Aktivkohle getrennt und gaschromatographisch untersucht. Dabei lassen sich Muster von kettenförmigen Kohlenstoffatomen – so genannten verzweigten Alkanen – erkennen, die Auskunft über die Stoffwechselaktivität im Menschen geben. Durch den Vergleich dieser Muster können die Wissenschaftler Aussagen über mögliche Veränderungen im Körper machen. Das Alkan-Muster verändert sich mit zunehmendem Alter, aber vor allem auch, wenn der Organismus unter Stress steht, wie dies bei Erkrankungen der Fall ist. Je nach betroffenem Organ entsteht so eine Art gasförmiger Fingerabdruck, der dem Arzt als Indikator dienen kann.

Neben verzweigten Alkanen werden auch die Konzentrationen anderer Stoffe untersucht, beispielsweise Stickoxid, Kohlenmonoxid, Aceton, Isopren oder Heptanon. Die Rolle von erhöhten Heptanon-Konzentrationen bei Patienten mit Propionacidämie, einer erblichen Stoffwechselerkrankung, ist in Innsbruck durch Dr. Sabine Scholl-Bürgi und Prof. Daniela Skladal von der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkunde in Zusammenarbeit mit Prof. Anton Amann untersucht worden.

Neben der Gaschromatographie werden zunehmend neue massenspektrometrische Methoden mit "sanfter" Ionisation benützt, um Gasproben rasch zu analysieren. So sind in den letzten 15 Jahren Massenspektrometer unterschiedlicher Bauart entwickelt worden, die online-Analysen von Atemgasproben erlauben. Dies bedeutet, dass nicht nur einzelne Atemgasproben von Patienten oder Probanden untersucht werden, sondern bei laufender Probenentnahme Veränderungen im gasförmigen Fingerabdruck beobachtet und analysiert werden können.

Alternative zu klassischen Methoden
Erste Studien mit neuen Atemtests sind viel versprechend. So wurden etwa in den USA im Rahmen einer Studie 48 von 51 Brustkrebspatientinnen richtig erkannt. Das entspricht etwa der Zuverlässigkeit der Mammographie. Auch bei Lungenkrebspatienten erreichte die Verlässlichkeit einen Wert von 85%. Damit könnte der Atemtest bald zu einer Alternative zu den herkömmlichen Methoden werden. Wo bisher eine Gewebeentnahme notwendig war, könnte die Untersuchung dann völlig risikolos über die Atemluft erfolgen. Freilich sind die Kosten für eine solche Analyse derzeit noch sehr hoch. Auch muss die diagnostische Zuverlässigkeit noch ausführlich überprüft werden, bevor Patienten vom Arzt aufgefordert werden: „Einmal tief ausatmen, bitte!“
     
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