Kein Akademikermangel in Österreich – undifferenzierte Betrachtungsweise
der OECD-Daten führt zu falschen Schlussfolgerungen.
Wien (bm:bwk) - In seiner aktuellen Studie zu den OECD-Daten in „Education at a Glance 2004“ hat
das IBW deutlich aufgezeigt, dass die vorschnelle, undifferenzierte Betrachtungsweise der Daten zu falschen Schlussfolgerungen
führen kann, wie es beispielsweise beim angeblich zu geringen Akademikeranteil in Österreich geschehen
ist. Es kann nicht sein, dass auf der einen Seite von den OECD-Daten auf einen zu geringen Akademiker-Anteil geschlossen
wird und nahezu zeitgleich in den Medien aufgezeigt wird, dass sich die Berufsmöglichkeiten der Akademiker
in Österreich verschlechtern. Es wäre eine wichtige Aufgabe der OECD, die entsprechenden Hintergründe
aufzuzeigen und die scheinbaren Widersprüche zu erklären, was derzeit nicht geschieht. Die Frankfurter
Allgemeine Zeitung hat am 15. September in einem Kommentar über den Leiter der OECD-Abteilung „Indikatoren
und Analysen“, der „Education at a Glance“ herausgibt, geschrieben: „Auf eine wertungsfreie Analyse der vorhandenen
Daten mit Ursachenforschung lässt Schleicher die deutsche Bildungspolitik vergeblich warten“.
Das IBW kommt zum Schluss, dass in der vorschnell geführten öffentlichen Diskussion nicht Gleiches mit
Gleichem verglichen wurde sondern nur aus dem Zusammenhang gerissene Teilaspekte diskutiert wurden. „Wenn man sich
die Zusammenhänge anschaut, dann erkennt man, dass die österreichischen Diplomstudien aufgrund ihres
Qualifikationszieles vergleichsweise länger dauern als die kurzen Studien. Das Bakkalaureat befindet sich
erst in Einführung, eine bildungsstatistische Vergleichsmessung Österreichs bezüglich der Bakkalaureatsquote
mit Ländern, die dieses seit jeher haben, grenzt daher an Unseriosität. Länder mit einer hohen Akademikerquote
haben jedoch einen hohen Anteil an Kurzstudien, die auch für die Anforderungen des mittleren Tätigkeitsfelds
am Arbeitsmarkt qualifizieren. In Österreich werden diese Anforderungen in der Regel durch die Ausbildungsmöglichkeiten
an den berufsbildenden höheren Schulen bestens abgedeckt, einem erfolgreichen Schultyp, der in anderen Staaten
in dieser Form jedoch kaum vorhanden ist. Wenn jemand nur den Hochschulabsolventenanteil sieht und diese Zusammenhänge
außer Acht lässt, muss er zwangsläufig zur falschen Schlussfolgerung kommen, dass Österreich
mehr Akademiker bräuchte“, so Arthur Schneeberger, Bildungsforscher am IBW.
Nicht zuletzt durch die Steigerung des jährlichen Neuangebots von Hochschulabsolventen in den letzten Jahren
um 60% von 10.600 im Studienjahr 1990/91 auf 17.100 im Studienjahr 2001/02 ist in Österreich die Nachfrage
nach Akademikern für die oberen Tätigkeitsfelder im großen und ganzen abgedeckt. Jetzt gehe es
darum, auch in Österreich das gute Ausbildungsangebot der berufsbildenden höheren Schulen weiter auszubauen
und durch Kurzstudien zu ergänzen. Genau das setzt Bildungsministerin Elisabeth Gehrer derzeit um - die Zahl
der Ausbildungsplätze an den berufsbildenden höheren Schulen ist seit 1995 um 30.000 ausgebaut worden.
Auch die Zahl der Bakkalaureatsstudien steigt kontinuierlich: an den Universitäten gab es im WS 2003 157 Bakalaureatsstudien,
heuer sind es 172, also um 15 mehr. An den Fachhochschulen beginnen heuer 30 neue Bakkalaureatsstudiengänge,
insgesamt werden damit 36 angeboten.
Die Behauptung, dass Österreich für Bildung zu wenig ausgibt, ist auf Grundlage der verfügbaren
Daten zurückzuweisen. Mit 5,8% des BIP liegt Österreich im oberen Bereich des Ländervergleichs.
Die Einhebung von Studienbeiträgen ist im Übrigen in jenen Ländern seit langem üblich, die
über ein breites Angebot von kurzen und aufbauenden Studien verfügen und hohe Teilnahmen im Tertiärbereich
aufweisen. |