Semanas de Cine Espanol  

erstellt am
28. 09. 04

Das spanische Kino jenseits von Almodóvar
Wien (filmarchiv) - Das "Filmarchiv Austria" widmet seinen ersten Oktoberschwerpunkt zum Finale des mediterranen Sommerkinos dem aufstrebenden Filmland Spanien.

Nachdem bereits die Werkschau zum Filmschaffen Pedro Almodóvars - von einigen neueren Produktionen anderer Regisseure begleitet - für einen Glanzpunkt im CINÉ MÉDITERRANÉE sorgte, dem ein großer Publikumserfolg beschieden war, entführt die Filmreihe SEMANAS DE CINE ESPANOL den Zuschauer auf eine Entdeckungsreise durch das gesamte spanische Nach-kriegskino, das Meilensteine der Landesgeschichte bis zur Gegenwart durch ein vielfältiges Prisma von Stilen und Genres spiegelt.

Während der Franco-Ära isoliert und zu einem von der Zensur gequälten, lokalen Mauerblüm-chendasein verdammt, das nur wenige couragierte Pioniere durchbrechen konnten, entwickelte sich das spanische Filmschaffen in den Jahrzehnten nach Francos Tod kontinuierlich zu einer der potentesten Kinematografien Europas.

Das Programm bietet neben einigen exemplarischen Rückgriffen in die Pionierzeit des kritischen Kinos einen repräsentativen Querschnitt durch die Produktion der Post-Franco-Ära.

Die international berühmtesten spanischen Regisseure markieren die filmischen Meilensteine der Pionierzeit: Luis García Berlangas satirische Komödien BIENVENIDO, MR. MARSHALL! (1952) und EL VERDUGO (1963) durchbrachen den Bann internationaler Isolation. Dazwischen platzte Luis Bunuels Aufsehen erregendes Meisterwerk VIRIDIANA (1961) wie ein Meteorit in die erstarrte Zensurlandschaft des spanischen Kulturlebens. Carlos Saura wagte in seiner Parabel LA CAZA (1965) ebenfalls einen sehr kritischen Blick auf die spanische Gesellschaft der Franco-Ära. Zu den noch nicht entdeckten Perlen des spanischen Kinos gehört auch die schwarze Komödie von Antonio Eceiza DE CUERPO PRESENTE (1967).

Sauras Form des aus realistischen Details entwickelten Metaphernkinos über die rigorosen und morbiden Strukturen der herrschenden Schichten, einer unheiligen Allianz von Besitzbürgertum, Kirche und Militär, an der eine Frau - gespielt von Geraldine Chaplin - zerbricht, die sich nicht unterwerfen will, brachte er in ANA Y LOS LOBOS (1972) zur Vollendung. An der historischen Bruchlinie zur neuen Zeit analysierte er die großbürgerliche Familie in CRÍA CUERVOS (1975) aus dem Blickwinkel eines Kindes. Victor Erice schuf mit EL ESPÍRITU DE LA COLMENA (1973) eine tief berührende Dorfgeschichte, die den Zuschauer die seelischen Folgen des Bürgerkriegs als nationales Trauma aus der Perspektive eines Mädchens erfahren lässt, dessen Vater sich in der Vorstellung des Kindes in die Filmfigur Frankensteins verwan-delt. Die kleine Ana Torrent verkörpert in beiden Filmen eindrucksvoll die Hauptrolle. Zu einem der bedeutendsten Vertreter des kritischen Kinos der 70er- und 80er-Jahre avancierte Manuel Gutiérrez Aragón: Er schildert in CAMADA NEGRA (1977) das unheilvolle Wirken eines kleinbürgerlich faschistischen Familienclans, während er in LOS DEMONIOS EN EL JARDÍN (1982) das rurale Spanien der Franco-Ära mit Ironie und surrealistischem Touch beschwört.
Die Eiszeit nach dem Bürgerkrieg ist auch bestimmendes Thema von Vicente Arandas Filmen TIEMPO DE SILENZIO (1986) und AMANTES (1991).

Zur Generation der Filmemacher, die ihre Karriere in den 80er-Jahren starteten, gehört Fernando Trueba ("Belle époque"), der in EL ANO DE LAS LUCES (1986) das sexuelle Erwachen und die Liebe in Zeiten des Kriegszustandes humorvoll evoziert. Das Thema der Adoleszenz in jener Epoche beschreibt auch Montxo Armendáriz in SECRETOS DEL CORAZÓN (1997).

In den 90er-Jahren etablierten sich neben Almodóvar zwei Meisterregisseure der jüngeren Generation: Julio Medem beschwört in seinem Debütfilm VACAS (1991) das Baskenland des 19. Jahrhunderts zur Zeit der Karlistenkriege, während Imanol Uribe in EL REY PASMADO (1991) die finstere Epoche der Inquisition mit erotischem Humor erhellt. BWANA (1996) zeigt hingegen eine schockierende Episode aus der Gegenwart: Ein Immigrant wird Opfer von Rassismus und Feigheit. Während Carlos Sauras Werke AY CARMELA! (1990), einer der berührendsten Filme über den Bürgerkrieg, und GOYA EN BURDEOS (1999) den Rückblick auf Spaniens geschichte komplettieren, liefern Álex de Iglesias mit LA COMUNIDAD (2000) und EL DÍA DE LA BESTIA (1995) oder Enrique Urbizu mit LA CAJA 507 (2002) Einblicke ins zeitgenössische Leben in Form von spannenden Thrillern. Bigas Luna entwickelte in JAMÓN, JAMÓN (1992) und SON DE MAR (2001) sein Genre des Erotikkinos, während Benito Zambra-no mit Solas (1999) der Gegenwart eine sensible, sozial determinierte Frauenstudie abgewinnt.

Vom 1. - 13. Oktober (drei Vorstellungen täglich) werden insgesamt 27 Spielfilme gezeigt.
Der Reigen der Namen, die das spanische Kino repräsentieren, beweist, dass diese reiche Kinematografie nicht allein am Werk Almodóvars gemessen werden darf. Spanien im Oktober eröffnet nochmals den Blick auf eine aufregende europäische Landesgeschichte unter der glut-vollen Sonne des Südens.


Konzept, Filmauswahl: Helmut Pflügl

Informationen: http://www.filmarchiv.at
     
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