Bundeskanzler Schüssel und Wiens Bürgermeister Häupl beglückwünscht Elfriede
Jelinek
Wien (bpd/rk) - Bundeskanzler Wolfgang Schüssel, der sich derzeit bei einem Gipfeltreffen der
europäischen und asiatischen Staats- und Regierungschefs in Vietnam aufhält, beglückwünscht
Elfriede Jelinek zum Literatur-Nobelpreis: "Schon als Elias Canetti 1981 den Literatur-Nobelpreis gewann,
wurde damit ein spezifisch österreicherischer Umgang mit der deutschen Sprache gewürdigt. Österreich
ist auch der Sprachboden von Elfriede Jelinek, ihre oft leidvoll erfahrene und von ihr umso leidenschaftlicher
kritisierte Heimat. Die hohe Stockholmer Ehrung soll und darf ihrer Kritik nicht den Stachel nehmen.
Elfriede Jelinek gräbt stetig nach den Wurzeln unserer österreichischen Geschichte, aber auch nach Ursachen
jüngster Katastrophen, wie dem Unglück von Kaprun. Als Leser entdeckt man fortwährend ein anderes
Österreich, als man zu kennen meint. Sie ist seit je her eine Unbequeme, eine Radikale, keine die der Öffentlichkeit
etwas schenkt. Sie schafft Irritationen, und dafür muss Kultur Raum geben.
Elfriede Jelinek hat schon in den frühen siebziger Jahren die Sprache der Politik und der Medien untersucht,
mit höchster Empfindsamkeit. Sie wurde mit ihrem Stück "Was geschah nachdem Nora ihren Mann verlassen
hatte" eine Säulenheilige des Feminismus. Sie fand seither immer genauere, feinere Zugänge zu den
Ursachen von weiblichem Leid.
Ihre Prosa fließt melodiös, diese Musikalität folgt einer langen österreichischen Tradition,
die sie mit ihrer spezifischen literarischen Kunst weiterschreibt. Ihre Texte gleichen einem unendlichen Teppich,
auf dem der, der darauf schreitet, immer wieder neue Blüten entdeckt."
Wiens Bürgermeister Dr. Michael Häupl
Mit "großem Respekt und großer Freude" reagiert Wiens Bürgermeister Dr. Michael
Häupl auf die Entscheidung, Elfriede Jelinek mit dem Literaturnobelpreis auszuzeichnen. Ihre scharfe Kritik
an gesellschaftlichen Missständen und ihre ebenso konsequente wie tiefgreifende Auseinandersetzung mit den
Themen Sexualität, Gewalt und Macht sei für Österreich unverzichtbar. Dass Jelinek ihre Auszeichnung
"nicht als Blume im Knopfloch für Österreich" verstanden wissen will, ist für Häupl
selbstverständlich: "Hier wird einer großen Kulturschaffenden eine große Auszeichnung zuteil
- diese Ehre gilt ausschließlich ihr persönlich." Jelinek wurde bereits mit zahlreichen nationalen
und internationalen Preisen ausgezeichnet, darunter auch mit dem Würdigungspreis der Stadt Wien im Jahr 1989.
Wiens Kulturstradtrat Dr. Andreas Mailath-Pokorny
Begeistert reagiert Wiens Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny auf die Zuerkennung des Nobelpreises für
Literatur an Elfriede Jelinek. "Elfriede Jelinek ist einer der wichtigsten deutschsprachigen Dramatikerinnen
und Erzählerinnen. Ein Markenzeichen Elfriede Jelineks ist ihre radikale und kompromisslose Ästhetik
in ihren Werken. Eine Radikalität, die auch in ihrem politischen Engagement zum Ausdruck kommt. Zur Tagespolitik
und zur Zeitgeschichte hat sich Elfriede Jelinek stets kritisch geäußert." Er freue sich, dass
mit Elfriede Jelinek endlich wieder einmal eine Frau mit dem begehrtesten Literaturpreis ausgezeichnet werde, so
Mailath-Pokorny. |