Medientage: Sorge über Brüsseler Regulierungswut  

erstellt am
15. 10. 04

Privatsender reklamieren Werbekuchen für sich - Verstärkte Kontrolle des ORF
Wien (pte) - Die Sorge über Brüsseler Regulierungswut im Werbemarkt eint Vertreter des privaten und öffentlich-rechtlichen Fernsehens. Ansonsten war der TV-Gipfel der in Wien stattfindenden Österreichischen Medientage vor allem ein Match Private versus Öffentlich-Rechtliche bzw. ORF. Unter dem Motto "Wenn Programm und Werbung verschmelzen" diskutierten Alexander Wrabetz, kaufmännischer Direktor des ORF, Helmut Brandstätter (Puls TV), Hans Mahr (RTL), Markus Breitenecker (ProSieben Austria), Anke Schäferkordt (VOX), Alfred Grinschgl (RTR) und Medienrechtsexperte Heinz Wittmann über künftige Einnahmequellen der TV-Sender in Österreich und der EU.

Sonderwerbeformen und das Drängen der Werbung ins Programm sei kein Anliegen der TV-Sender, sondern ein Wunsch der Wirtschaft, betont Wrabetz. Mahr will nicht von "verschmelzen" sprechen, sondern die Werbung mit dem Programm "vermählen". TV-Sender können sich auf klassische Werbung nicht mehr verlassen. Die "Ups und Downs" der klassischen Werbeumsätze müssen mit neuen "Revenuestreams" ergänzt werden, die Mahr in Mehrwertnummern, Sponsoring aber auch Product Placement sieht. Generell schade eine "übermäßige Regulierung" dem Werbemarkt, ist auch Schäferkordt überzeugt. Das Publikum sei durch eine zu strenge Regulierung mit der klassischen Werbung unzufrieden, was einen Trend zu neuen Werbeformen bei der Wirtschaft auslöse. Der Zuseher merke heute sofort, wo Werbung im Spiel ist. Zuviel Werbung schade daher der Glaubwürdigkeit des Senders. Eine klare Trennung sowie Regulierung sei bei Privat-TV nur im Informationsbereich notwendig, nicht aber im fiktionalen Bereich, so Schäferkordt.

In Europa treten die Privaten für einen Trend ein, der den überwiegenden Teil des Werbekuchens für private Sender reserviert. In Zeiten sinkender Werbeumsätze sollen die Öffentlich-Rechtlichen sich ausschließlich durch Gebühren finanzieren. Werbung soll also weitgehend den Privaten vorbehalten sein. In Österreich wären die privaten TV-Sender schon zufrieden, wenn sich der ORF wenigstens an die bestehenden Gesetze hielte. Eine ausschließliche Gebührenfinanzierung des ORF hält Brandstätter, Chef des Wiener Stadtsenders Puls TV, für "unrealistisch". Deshalb fordert er "gleiche Regeln für alle" und einen Anteil an den Gebühren des ORF bzw. eine Förderung österreichischer Produktionen. Sein Aufruf zum Schulterschluss mit dem ORF "gemeinsam gegen die Deutschen" kommt bei den Vertretern der deutschen Sender naturgemäß schlecht an. Mahr stellt die Frage, was denn "österreichisches" Programm ausmache und nennt die von RTL gemeinsam mit dem ORF produzierte und auch in Österreich spielende TV-Serie Medicopter als Beispiel. "Austroklaustrophobie" sei nicht die Lösung für die österreichische Medienwirtschaft, sondern die "Bewährung in einem großen Raum", so Mahr.

Bei der Forderung nach "Fair Play" und gleichen Regeln für alle bekommt Brandstätter Schützenhilfe vom Medienrechtsexperten Wittmann. Seit 1. August 2004 soll die Medienbehörde KommAustria die Einhaltung der Werberegeln beim ORF überwachen. Angesichts zahlreicher Verstöße des ORF gegen Werbeverbote fragt Wittman in Richtung Grinschgl: "Wo bleibt die Kontrolle?". Auch Grinschgl ist der Meinung, dass angesichts unklarer gesetzlicher Regelungen "Below the line"-Aktivitäten beim ORF leicht "beyond the law" abschweifen. Ihm schwebt eine 2:1-Finanzierung des ORF von Gebühren und Werbung vor. Das würde dem ORF aber laut Wrabetz rund 100 Mio. Euro kosten. Da dieser Verlust nicht eingespart werden könne, bedeute dies weniger Eigenproduktionen und das sei keinesfalls gut für den österreichischen Medienmarkt.
     
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