Privatsender reklamieren Werbekuchen für sich - Verstärkte Kontrolle des ORF
Wien (pte) - Die Sorge über Brüsseler Regulierungswut im Werbemarkt eint Vertreter des
privaten und öffentlich-rechtlichen Fernsehens. Ansonsten war der TV-Gipfel der in Wien stattfindenden Österreichischen
Medientage vor allem ein Match Private versus Öffentlich-Rechtliche bzw. ORF. Unter dem Motto "Wenn Programm
und Werbung verschmelzen" diskutierten Alexander Wrabetz, kaufmännischer Direktor des ORF, Helmut Brandstätter
(Puls TV), Hans Mahr (RTL), Markus Breitenecker (ProSieben Austria), Anke Schäferkordt (VOX), Alfred Grinschgl
(RTR) und Medienrechtsexperte Heinz Wittmann über künftige Einnahmequellen der TV-Sender in Österreich
und der EU.
Sonderwerbeformen und das Drängen der Werbung ins Programm sei kein Anliegen der TV-Sender, sondern ein Wunsch
der Wirtschaft, betont Wrabetz. Mahr will nicht von "verschmelzen" sprechen, sondern die Werbung mit
dem Programm "vermählen". TV-Sender können sich auf klassische Werbung nicht mehr verlassen.
Die "Ups und Downs" der klassischen Werbeumsätze müssen mit neuen "Revenuestreams"
ergänzt werden, die Mahr in Mehrwertnummern, Sponsoring aber auch Product Placement sieht. Generell schade
eine "übermäßige Regulierung" dem Werbemarkt, ist auch Schäferkordt überzeugt.
Das Publikum sei durch eine zu strenge Regulierung mit der klassischen Werbung unzufrieden, was einen Trend zu
neuen Werbeformen bei der Wirtschaft auslöse. Der Zuseher merke heute sofort, wo Werbung im Spiel ist. Zuviel
Werbung schade daher der Glaubwürdigkeit des Senders. Eine klare Trennung sowie Regulierung sei bei Privat-TV
nur im Informationsbereich notwendig, nicht aber im fiktionalen Bereich, so Schäferkordt.
In Europa treten die Privaten für einen Trend ein, der den überwiegenden Teil des Werbekuchens für
private Sender reserviert. In Zeiten sinkender Werbeumsätze sollen die Öffentlich-Rechtlichen sich ausschließlich
durch Gebühren finanzieren. Werbung soll also weitgehend den Privaten vorbehalten sein. In Österreich
wären die privaten TV-Sender schon zufrieden, wenn sich der ORF wenigstens an die bestehenden Gesetze hielte.
Eine ausschließliche Gebührenfinanzierung des ORF hält Brandstätter, Chef des Wiener Stadtsenders
Puls TV, für "unrealistisch". Deshalb fordert er "gleiche Regeln für alle" und einen
Anteil an den Gebühren des ORF bzw. eine Förderung österreichischer Produktionen. Sein Aufruf zum
Schulterschluss mit dem ORF "gemeinsam gegen die Deutschen" kommt bei den Vertretern der deutschen Sender
naturgemäß schlecht an. Mahr stellt die Frage, was denn "österreichisches" Programm ausmache
und nennt die von RTL gemeinsam mit dem ORF produzierte und auch in Österreich spielende TV-Serie Medicopter
als Beispiel. "Austroklaustrophobie" sei nicht die Lösung für die österreichische Medienwirtschaft,
sondern die "Bewährung in einem großen Raum", so Mahr.
Bei der Forderung nach "Fair Play" und gleichen Regeln für alle bekommt Brandstätter Schützenhilfe
vom Medienrechtsexperten Wittmann. Seit 1. August 2004 soll die Medienbehörde KommAustria die Einhaltung der
Werberegeln beim ORF überwachen. Angesichts zahlreicher Verstöße des ORF gegen Werbeverbote fragt
Wittman in Richtung Grinschgl: "Wo bleibt die Kontrolle?". Auch Grinschgl ist der Meinung, dass angesichts
unklarer gesetzlicher Regelungen "Below the line"-Aktivitäten beim ORF leicht "beyond the law"
abschweifen. Ihm schwebt eine 2:1-Finanzierung des ORF von Gebühren und Werbung vor. Das würde dem ORF
aber laut Wrabetz rund 100 Mio. Euro kosten. Da dieser Verlust nicht eingespart werden könne, bedeute dies
weniger Eigenproduktionen und das sei keinesfalls gut für den österreichischen Medienmarkt. |