Batzen, Wuschel und Zapfen  

erstellt am
14. 10. 04

Witzzeichner besuchen das Museum – Intervention 2 in der Dauerausstellung
Wien (museum.wien) - Das Wien Museum lud neun Zeichner und Zeichnerinnen dazu ein, die Dauerausstellung des Museums zu „begutachten“ und in Reaktion darauf Arbeiten wie Comic Strips, Bilderzählungen, Reportagen und Humorzeichnungen anzufertigen. Die Arbeiten von Thomas Kriebaum, Ulli Lust, Nicolas Mahler, Much (Michael Unterleitner), Tex Rubinowitz, Jean Veenenbos, Sibylle Vogel, Heinz Wolf und Rudi Klein, der die Schau auch kuratierte, sind vom 21. Oktober 2004 bis 20. Februar 2005 in einer auf alle drei Stockwerke der ständigen Sammlungspräsentation verstreuten Ausstellung zu sehen.

Nach „Migrationsziel Wien“ setzt „Batzen, Wuschel und Zapfen“ die Reihe der „Interventionen“ fort, die für Abwechslung in der Dauerausstellung sorgen soll.

Die Zeichnungen der „furchtlosen Expeditionsteilnehmer“ stellen mit ihren unterschiedlichen Techniken, Stilen und Sichtweisen eine unterhaltsame und pointierte Kommentierung der Sammlung dar. Sie zeigen und ermöglichen einen neuen, humorvollen Blick auf geschichtliche und museale Zusammenhänge, Museumsobjekte und -besucher. Die Humorzeichner treffen mit ihrem subversiv unbedarften Zugang auf die „fremde“ Museumswelt und hinterfragen deren Rituale ehrfürchtiger Betrachtung und korrekter wissenschaftlicher Katalogisierung. So gesehen sind manche Objekte von einzigartiger his-torischer Bedeutung eben auch bloß „Batzen“, „Wuschel“ oder „Zapfen“.

Das Hauszeichen „Zum Roten Igel“ beispielsweise, das im 1. Stock des Wien Museums ausgestellt ist, wird von Nicolas Mahler einfach auf den Kopf gestellt. Schon entsteht daraus das Hauszeichen „Zur Quaste“. (Die historische Bedeutung der Hauszeichen – sie dienten vor Einführung der systematischen Hausnummerierung unter Maria Theresia zur allgemeinen Orientierung in der Stadt und sollten überdies das Haus beschützen – wird auf ihren formalen Wert reduziert und somit ad absurdum ge-führt.)

Rudi Kleins 1. Version vom Albertinischen Plan gibt vor, dem Albertinischen Plan vorausgegangen zu sein. Wegen eines Tintenkleckses („öha! Batze!“ ist auf Kleins 1. Version zu lesen) wurde er verworfen. Der Albertinische Plan ist einer der ersten Stadtpläne überhaupt, mit Sicherheit der früheste erhaltene der Stadt Wien, „und darf“, wie es im Schausammlungskatalog heißt, „als wichtiges Beispiel der naturwissenschaftlichen Blüte an der Wiener Universität am Beginn des 15. Jahrhunderts gelten“.

„Das mühselige Leben des Hellebardiers“, wie es Much nachzeichnet, stellt die historischen Objekte der Sammlung in einen alltäglichen Kontext: Ein mit einer viel zu langen Lanze herumirrender Ritter kommt nach Hause und muss sich von seiner Frau anhören: „Dauernd stoßt man dran oder stolpert drüber oder die Kinder machen Unfug damit.“ Mecker, mecker, mecker, und das, obwohl der Herr des Hauses den ganzen Tag Ritter aufgespießt hat!

Oder: Ein anderer Ritter in Rüstung verlässt zum Entsetzen seiner Frau mit nacktem Hintern das Haus mit dem Kommentar „Alle meine Freunde gehen so“. Der scharfe Blick des Zeichners entlarvt, was uns die längste Zeit entgeht. Denn wer sich eine Rüstung genauer anschaut, merkt, da fehlt tatsächlich etwas.

Tex Rubinowitz verleiht seiner Schwimmbrille, einem Bic-Kugelschreiber, einer bestickten Unterhose und einer 3D-Brille museale Weihen, indem er die Gegenstände aus seinem Alltag in eine Vitrine neben Erinnerungsgegenstände an den Dichter Franz Grillparzers legt: dort sieht man einen Lorbeerkranz, Grillparzers Federkiel, die Stickerei einer Tochterschule oder des Dichters Brillenetui.

Was alt, defekt, nicht mehr zeitgemäß oder verschroben ist, gehört ins Museum, wo man ganz allge-mein mit allen Sorten von Vergangenheit zu tun hat. So scheint es zumindest der politische Karikaturist Jean Veenenbos zu sehen, der eine Hausfrau Vergangenheitsbewältigung betreiben lässt, indem sie aus einem alten Teppich Staub in Hakenkreuzform herausklopft.

Erfrischend politically incorrect sind viele dieser Zeichnungen. Wo das Biedermeierbild des frierenden Brezelbuben von Peter Fendi an das Gefühl des Betrachters appelliert, erzählt Rudi Klein die Ge-schichte frech weiter, wenn sein in das Bild hineinspazierter Käufer sich erhitzt: „Was soll das? Die Brezel sind ja total kalt!“ Und mit einer Putzfrau, die vor Gustav Klimts Gemälde „Emilie Flöge“ und Maximilian Kurzweils „Dame in Gelb“ – zwei der bedeutendsten Porträts des Museums –, posiert, holt Sibylle Vogel die Kunst ins Leben zurück.

Aber auch die Museumsbesucher und -besucherinnen kommen nicht zu kurz: Ulli Lusts junge Frau steht mit lässigem Hüftschwung vor zwei Modepuppen mit Kleidern aus dem 19. Jahrhundert und ist dabei den nach der „Cul de Paris“-Mode gekleideten Damen in der Pose gar nicht so unähnlich. Und ein gelangweiltes Pärchen, das sich auf einer Bank ausruht, steht im krassem Gegensatz zu den dahinter hängenden Porträts von Kaiser Franz Josef I. und Kaiserin Elisabeth.

Die Ergebnisse dieser spannenden Begegnungen sind jedenfalls ein Angebot für die Besucher und Besucherinnen, auf einem garantiert lustvollen Rundgang durch das Wien Museum die Museumswelt und ihre Objekte neu zu entdecken.

Ausstellungsort: Wien Museum Karlsplatz, 1040 Wien
Ausstellungsdauer: 21. Oktober 2004 – 20. Februar 2005
Öffnungszeiten: Dienstag bis Sonntag und Feiertag, 9.00 Uhr bis 18.00 Uhr
     
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