Erklärung der Kommission – Erklärung und Aussprache
Brüssel (europarl.eu.int) - Der Präsident der Europäischen Kommission, Romano Prodi,
sagte in seiner letzten Ansprache als Präsident der Kommission vor dem EP, dass es zu Beginn seiner Amtszeit
viele Unsicherheiten gegeben habe (Euro, Erweiterung, politische Situation auf dem Balkan, die Krise der Kommission
nach Ereignissen 1998, 1999).
Die Kommission habe die Herausforderungen angenommen und Europa eine ehrgeizige
Agenda gegeben, in deren Zentrum die Er-weiterung gestanden habe.
Prodi sprach über die institutionelle Reform der vergangenen Jahre, die mit der Unter-zeichnung des Verfassungsvertrags
in Rom zu Ende gehe. Es habe auch eine tiefgreifende Reform im Bereich der administrativen Strukturen und Apparate
der Kommission ge-geben. Hierbei habe die Kollegialität eine große Rolle gespielt.
Was die Rolle Europas in der Welt angehe, so habe man einen Vorschlag für eine neue Nachbarschaftspolitik
vorgelegt, den Dialog mit den Kulturen angestoßen und gegenseitige Begegnungen gefördert. Man habe sich
klar für den Multilateralismus ausgesprochen, wobei globale und regionale Gouvernance, eine engere Partnerschaft
mit den Vereinten Nationen und der Abbau des Nord-Süd-Gefälles die bestimmenden Ziele gewesen seien.
Im wirtschaftlichen Bereich habe der Euro die Hauptrolle gespielt. Man habe darauf bestanden, die wirtschaftliche
Gouvernance zu stärken und unablässig einen Beitrag zur Lissabon-Strategie geleistet.
Im sozialen Bereich habe die sozialpolitische Agenda den Rahmen für viele Maßnahmen gesetzt. Viele sozialpolitische
Ziele seien jedoch nicht erreicht worden, insbesondere in Bereichen, die Einstimmigkeit der Mitglied-staaten erforderten.
Im Zusammenhang mit der Schaffung eines Raumes der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts habe es viele Vorschläge
gegeben. Man habe eine Vision für die Union nach der Erweiterung zusammen mit den Vorschlägen für
die neue Finanzielle Vorausschau vorge-legt.
Abschließend ging er auf den Abschluss der Rahmenvereinbarung zwischen Kommission und Parlament für
die gesamte Legislaturperiode ein. Diese habe das politische Zusammenspiel zwischen den beiden Institutionen verstärkt.
Die Beziehungen zwischen Parlament und Kommission hätten sich konstruktiv entwickelt.
Der Präsident des Europäischen Parlaments:
Der Präsident des Europäischen Parlaments, Josep BORREL, dankte Romano Prodi für
seine Arbeit. Er sei Kommissionspräsident in einem Europa der historischen Veränderungen gewesen. Die
größte Erweiterung Euro-pas sei unter seinem Vorsitz durchgeführt worden. Prodi habe auch engagiert
an den Arbeiten für eine europäische Verfassung teilgenommen.
Vertreter der Fraktionen:
Hans-Gert POETTERING (EVP-DE, DE) erklärte, er hätte sich gewünscht, dass der Rat
sowie die Kommission in voller Besetzung der heutigen wichtigen Aussprache anwesend seien. Die Prodi-Kommission
sei eine Kommission mit Licht und mit Schatten gewesen. Die interinstitutionelle Vereinbarung habe die Demokratie
und den Parlamentarismus gestärkt. Auch die neue Kommission sei daran gebunden.
Bei dem historischen Anliegen der Erweiterung sei man gemeinsam sehr erfolgreich gewesen. Nicht zu den Glanzpunkten
zähle Prodis Handeln im Zusammenhang mit dem Stabilitätspakt. Er hoffe, dass die neue Kommission den
Stabilitätspakt verteidige.
Nicht so zufrieden sei er mit den Vorschlägen zur Chemiepolitik. Europa müsse wettbewerbsfähig gemacht
werden, es dürfe nicht deindustrialisiert werden. Es sei ein Manko, dass man sich im Hinblick auf die Lissabon-Strategie
nicht konkrete Ziele gesetzt habe. Man müsse sich nun strategische Ziele mit Daten setzen. Er habe es bedauert,
dass Prodi in den letzten Jahren einen Vorrang in der In-nenpolitik gesehen habe.
Martin SCHULZ (SPE, DE) führte an, dass Prodi sein Amt in einer schwieriger Situation übernommen
habe. Er habe aber die Beziehungen zwischen EP und Kommission dadurch entspannt, dass er auf das Europäische
Parlament zugegangen sei. Sein Nachfolger werde an diesem Maßstab gemessen werden.
Prodi habe in einer schwierigen Krise Positi-on bezogen: er habe im Plenum erklärt, dass ein Rückgriff
auf Waffen das allerletzte Mit-tel der Politik sein dürfe, und dass der einzige legitime Rahmen die UNO sei.
In der Frage des Irak-Krieges habe Prodi die richtigen Konsequenzen gezogen.
Wichtig sei die Einführung des Euro gewesen. Der Kampf für die Verfassung sei ein weiteres Anliegen gewesen,
für das Prodi gestanden habe. In Bezug auf die Erweiterung habe er vorbildlich gearbeitet. Prodi könne
auf seine Bilanz stolz sein.
Graham R. WATSON (ALDE/ADLE, UK) dankte Prodi dafür, dass er "Europa in den Dienst der Menschen"
stellen wollte. In Bezug auf die Lissabon-Strategie, die Einführung des Euro, die internen Reformen und die
Erweiterung werde Prodis Arbeit Fortbestand haben. Er appellierte an Prodis Nachfolger, sich auf die gute Kooperation
zwischen Kommission und Parlament zu stützen.
Watson sprach sich positiv über die "intelligente und innovative Gesetzgebung im Binnenmarkt" aus,
doch seien die Wirtschaftsreformen noch nicht vollendet; die Lissabon-Agenda sei leider oft vernachlässigt
worden. Er erkenne auch die Arbeit der Kommission bezüglich der Erweiterung an, wodurch ein "Traum verwirklicht"
worden sei. Prodis Kommission hinterlasse ein "großes und wei-seres" Europa.
Monica FRASSONI (GRÜNE/EFA, IT) äußerte sich grundsätzlich positiv über die Prodi-Kommission.
Prodi habe die Stärkung der EU vorangetrieben. Seine Irak-Position sei klar und von ihrer Fraktion geteilt
worden. Dennoch habe dadurch nicht der Krieg ver-mieden werden können, weil Europa nicht mit einer Stimme
gesprochen habe.
Hinsichtlich der Erweiterung sei viel Arbeit geleistet worden, doch sei sie enttäuscht, dass die Zypern-Frage
nicht geklärt worden sei. Prodis Führungsposition bei der Kyoto-Konferenz sei gut gewesen, sie hätte
sich jedoch einen konkreten Stabilitätspakt zum Klimawandel gewünscht.
Uneinig sei man sich bei der genetischen Humanforschung, der Wichtigkeit der Umwelt sowie den Verfahren, bei denen
die Rolle des Parlaments nicht klar beschrieben sei, gewesen.
Francis WURTZ (KVEL/NGL, FR) meinte, die Arbeit von fünf Jahren in drei Minuten zu bewerten, gleiche
der "Quadratur des Kreises". Die Kommission habe zwar brillante Einzelpersönlichkeiten, doch die
politische Gesamtarbeit sei kritikwürdig. Die Agenda von Lissabon habe Vollbeschäftigung gefordert, tatsächlich
sei aber ein Rückgang von Arbeitsplätzen festzustellen. In Bezug auf das Tampere-Programm von 1999 seien
insbesondere die Politik des Asyl-Rechts und der Migration gescheitert. Das Problem der Migrationsströme habe
nicht gelöst werden können. Auch in Bezug auf die transatlantischen Beziehungen seien nicht die richtigen
Schlüs-se gezogen worden.
Man müsse innerhalb der Institutionen kritischer sein, denn Widersprüche seien der "Motor des Fortschritts".
Maciej Marian GIERTYCH (IND/DEM, PL) erklärte, die abgehende Kommission habe sich ungerecht im Hinblick
auf die neuen Mitgliedstaaten verhalten. Früher hätten neu aufgenommene Länder die gleichen Rechte
wie die alten erhalten. Polen und andere neue Mitgliedstaaten hätten nun viel schlechtere Bedingungen erhalten.
Es fehle an Mut, über Referendum über neue Beitritte abstimmen zu lassen; es müsse mehr Demokratie
geben. Er sei nicht zufrieden mit dem Verfassungsentwurf der Union. Durch diesen werde die Union zu einem einheitlichen
Staatsblock. Man müsse die Subsidiarität berücksichtigen. Schritt für Schritt werde die Kommission
zur europäischen Regierung.
Laut Cristiana MUSCARDINI (UEN, IT) sind leider viele Probleme nicht gelöst worden: Der Übergang
zum Euro sei nicht gut gestaltet worden, es gebe keine Kriterien für das allgemeine Präferenzsystem und
die Agentur für Lebensmittelsicherheit sei Theo-rie geblieben.
Die Terrorismusbekämpfung sei nicht die große Priorität gewesen. Der internationale Terrorismus
sei ein Massenmedienterrorismus geworden.
Es seien dennoch Jahre mit positiven Neuerungen gewesen. Leider sei man nicht in der Lage gewesen, mehr Subsidiarität
und weniger Bürokratie zu erzielen und Europa dem Bürger näher zu bringen.
Ryszard CZARNECKI (FL, PL) dankte Prodi für dessen Freundlichkeit und Offenheit seinem Land gegenüber.
Prodi sei ein Kommissionspräsident zu historischen Zeiten gewesen. Durch die Erweiterung sei die Union europäischer
und repräsentativer geworden. Er habe die Hoffnung, dass sie nun wettbewerbsfähiger werde.
Es gebe noch Probleme zu lösen, wie die des Europa der zwei Geschwindigkeiten und der Arbeitslosigkeit.
Weiterer deutschsprachiger Redner:
Hannes SWOBODA (SPE, AT) bestätige, dass die Kommission mit dem EP sehr eng und gut zusammengearbeitet
habe. Prodi habe hier Standards gesetzt. Die Erweiterung gebe Prodi recht. Prodi habe auf die Wichtigkeit des Dialogs
mit dem Islam aufmerksam gemacht. Die von ihm initiierte Nachbarschaftspolitik müsse fortgesetzt werden.
Swoboda hätte sich in der Beschäftigungspolitik mehr gewünscht. Ein Nichtvorangehen habe aber oft
am Rat und nicht an der Kommission gelegen. Es werde eine Mehrheit für die neuen Vorschläge zum Stabilitätspakt
geben.
Zur neuen Kommission erklärte er, es gehe jetzt nicht darum, einen Mann abzuschießen, da er einer politischen
Richtung angehöre, sondern darum, dass man die Standards, die die Prodi-Kommission in Fragen der Grund- und
Freiheitsrechte gesetzt habe, aufrechter-halten wolle. |