Schönborn: Wissen über Weltreligionen in "neuer EU" immer dringender  

erstellt am
14. 10. 04

Festakt zum zehnjährigen Bestehen der Zeitschrift "Religionen unterwegs" und zum gleichzeitigen 15-Jahr Jubiläum der kirchlichen "Kontaktstelle für Weltreligionen"
Wien (stephanscom.at) - Die aktuellen Entwicklungen im "neuen Europa", die folgenreich sind, betreffen auch sehr stark die zukünftige religiöse Zusammensetzung des Integrationsgebiets. Deshalb wird "das Anliegen eines vertieften und gediegenen Wissens um die Inhalte und Formen der bei uns staatlich anerkannten Gemeinden der Weltreligionen immer dringlicher": Das betonte Kardinal Christoph Schönborn in einer Grußbotschaft zum zehnjährigen Bestehen der Zeitschrift "Religionen unterwegs". Zu dem Jubiläum - gleichzeitig das 15-Jahr-Jubiläum der kirchlichen "Kontaktstelle für Weltreligionen" (KWR) - fand am Dienstagabend im Wiener Curhaus ein Festakt mit Weihbischof Helmut Krätzl, Ökumene-Verantwortlicher Oberin Christine Gleixner sowie den Theologen Prof. Hans Waldenfels SJ (Bonn), Prof. Adel Theodore Khoury (Münster) und Prof. Ulrich Körtner (Wien) statt.

Kardinal Schönborn betonte, die Kirche werde zusehends besondere Bemühungen in Richtung Wissensvermittlung über Weltreligionen und Modelle der Begegnung - "good practice" - lenken müssen. Die Zeitschrift "Religionen unterwegs" habe hier besondere Bedeutung; "dass diese Zeitschrift über die Grenzen unseres Landes Verbreitung finden konnte, spricht für ihre Qualität".

Der Vorsitzende der Österreichischen Bischofskonferenz äußerte auch den Wunsch, dass die "Kontaktstelle für Weltreligionen" ihre wichtige Aufgabe weiter erfüllen könne. Denn die Kirche der heutigen Zeit benötige gerade im interreligiösen Bereich Taten, die auch die Aktualität des Zweiten Vatikanischen Konzils in Erinerung rufen.

Die 1989 gegründete, von Weihbischof Krätzl als zuständigem Referatsbischof koordinierte und von Rektor Petrus Bsteh geleitete "Kontaktstelle für Weltreligionen" unterstützt österreichweit mit ihren Kontaktkomitees verschiedenste Bemühungen um den interreligiösen Dialog. Sie unterhält enge Verbindungen zum Päpstlichen Rat für den interreligiösen Dialog im Vatikan, zu Einrichtungen des Weltkirchenrats, zum Rat der Europäischen Bischofskonferenzen (CCEE) in St. Gallen und zur Konferenz Europäischer Kirchen (CEC/KEK) in Genf.

In einer Grußbotschaft schrieb der Präsident des Päpstlichen Rates für den interreligiösen Dialog, Kurienerzbischof Michael Fitzgerald, das Gespräch von Angehörigen der Weltreligionen miteinander sei eine absolute Notwendigkeit. "Dies gilt" - so Fitzgerald - "zunächst für Europa, das nun beträchtlich erweitert wurde, das aber noch weiter zu wachsen hat". Vor allem bei der Weiterbildung von Christen auf verschiedenen Ebenen in Österreich spiele die KWR "eine wichtige Rolle", so der Erzbischof. Dies wisse er auch von seinen eigenen Besuchen in Österreich.

Weihbischof Krätzl sagte beim Festakt, es sei ihm ein besonderes Anliegen in der Bischofskonferenz, dass die Bedeutung der Aufgabe, die von der KWR geleistet wird, gesehen wird. Um die Aufgabe leisten zu können, seien auch Strukturen vonnöten.

Die Vorsitzende des Ökumenischen Rats der Kirchen in Österreich (ÖRKÖ), Oberin Gleixner, hob hervor, dass eine der wesentlichsten Aufgaben der KWR darin bestehe, vorgefasste Meinungen zu durchbrechen. Gleixner wies auch auf die unterschiedlichen Kontexte der katholischen Ortskirchen, orthodoxen Nationalkirchen und altorientalischen Patriarchate im Dialog mit den Weltreligionen hin. Während für die österreichische Kirche der Dialog mit dem Judentum wegen des Holocaust absoluten Vorrang habe, sei in Südosteuropa die historische Erfahrung das Osmanische Reich. Die koptische Kirche wiederum sei eine "Kirche mitten im Islam".

Der Bonner Religionstheologe Prof. Waldenfels verwies auf die Krisensymptome der Kirche wie Rückgang der Berufungen, Ausdünnung der Gebetsformen und des Glaubenswissens und Austritte. Schlimmer als dies sei jedoch, wenn in der Kirche die Aufmerksamkeit dafür fehle, dass der Glauben in einem neuen Kontext verkündet werden müsse. Das "Unterwegs-Sein" zur Wahrheit müsse stärker im Vordergrund stehen, gerade vor dem Hintergrund der Plurireligiosität der Großstädte.

Waldenfels wies in diesem Zusammenhang auf die Bedeutung Wiens hin. Hier habe es schon viel früher als anderswo Aufmerksamkeit für einen europäischen Islam gegeben, wobei Waldenfels den verstorbenen Wiener Bosniaken Prof. Smail Balic würdigte, der auch für die KWR gearbeitet hatte. Waldenfels erwähnte, dass in Deutschland eine der KWR vergleichbare Einrichtung und eine Zeitschrift wie "Religionen unterwegs" fehle.

"Lessing-Toleranz führt nicht weiter
Der deutsch-libanesische Religionstheologe Prof. Khoury betonte, im Dialog mit dem Islam gebe es seit dem 11. September 2001 auch viel Angst und neues Feindbild-Denken auf beiden Seiten. Dennoch stelle sich die Frage "Welche Alternative zum Dialog als gemeinsame Suche nach Frieden und Versöhnung gibt es denn?".

Der Ordinarius für Evangelische Systematische Theologie in Wien, Prof. Körtner, sagte, die Toleranz des Lessing-Theaterstücks "Nathan der Weise" führe "nicht weiter". Es handle sich nämlich um eine Toleranz, die gerade die entscheidende Frage nach der Wahrheit der jeweiligen Religion "nicht ernst nimmt".

Christliche Toleranz sei etwas anderes, so Körtner. Christen müssten von ihrer Wahrheit überzeugt sein, sei müssten aber auch andere Wahrheitsansprüche "erdulden". Dies sei gerade aus der Nachfolge Christi der eigentliche Auftrag.

Rektor Petrus Bsteh verwies auf die immer stärker werdende Diasporasituation jeder Glaubensgemeinschaft, auch der christlichen, in Europa. Dies zeige, dass der interreligiöse Dialog unumgänglich sei. Auch "Religionen unterwegs"-Chefredakteur Josef Mann betonte, die Befassung mit den Weltreligionen und ihren Festen habe auch eine faszinierende Seite.
     
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