Schönborn: "Solide spirituelle Fundamente für Weg in die Zukunft"   

erstellt am
12. 10. 04

Wiener Erzbischof weist in "Offen gesagt" angesichts der Kirchenkrise auf vorrangige Aufgabe hin, die Christen an die Quellen des Glaubens zu führen
Wien (stephanscom.at) - "Man kann nur in die Zukunft gehen, wenn man solide Fundamente hat": Kardinal Christoph Schönborn hat angesichts der Kirchenkrise rund um die Turbulenzen in der Diözese St. Pölten auf die vorrangige Aufgabe der Kirche verwiesen, die Christen an die Quellen des Glaubens zu führen. Werde dies verabsäumt, "sind wir vergeblich da", betonte Schönborn am Sonntagabend in der ORF-TV-Diskussionssendung "Offen gesagt". Mit dem jetzt beginnenden "Jahr der Eucharistie" werde ein zentrales Glaubensthema in den Mittelpunkt gestellt: "Wenn sich die Kirche nicht um Jesus sammelt, tut sie nicht ihren Dienst", so der Kardinal. Die Institutionen und Strukturen der Kirche müssten diesem Ziel untergeordnet sein.

Mit Schönborn diskutierten Nationalratspräsident Andreas Khol, der evangelisch-lutherische Bischof Herwig Sturm, der katholische Publizist Hubert Feichtlbauer und die Sprecherin der Plattform "Wir sind Kirche", Martha Heizer, über die Frage "Findet die Kirche Wege aus der Krise?". Die Krise in St. Pölten bezeichnete Schönborn als "eine sehr regionale Krise, eine sehr partikuläre Krise". Ab dem Moment, da die Missstände publik wurden, sei vom Vatikan sehr zügig gehandelt worden, sagte der Kardinal.

Kardinal Schönborn wies Darstellungen zurück, wonach der Rücktritt Krenns auf sein Betreiben zurückzuführen sei: "Das ist schlicht und einfach grotesk". Die Rücktrittsaufforderung des Papstes an Krenn sei eine Folge des Visitationberichts von Bischof Klaus Küng gewesen: "Das sind die Fakten. Alles andere ist schlicht und einfach eine Dolchstoßlegende".

"Sehr gute Priesterseminare in Österreich"
Bei der Priesterausbildung würden in Österreich - abgesehen von der jetzt beendeten Ausnahme in St. Pölten - strenge Anforderungskriterien angelegt, betonte der Vorsitzende der Bischofskonferenz. Bei einer im Auftrag des Vatikans durchgeführten Visitation aller Seminare in Österreich habe er sich persönlich davon überzeugen können, dass die Priesterausbildungsstätten sehr gut arbeiten.

Zur Frage der Aufwertung von Frauen in der Kirche wies der Wiener Erzbischof auf seine eigene Diözese hin, wo er versuche, Frauen "wo immer es möglich ist, intensiver einzusetzen": Sie leiteten wichtige Bereiche wie Schulamt, Finanzkammer und Kontrollstelle; 52 Prozent der gewählten Pfarrgemeinderäte seien Frauen.

Zum viel zitierten Interview des Innsbrucker Bischofs Manfred Scheuer über den Zölibat stellte der Kardinal klar, dass dies "überhaupt keine neue Position" sei: Denn Scheuer habe zugleich den Wert der zölibatären Lebensform unterstrichen und einen österreichischen Alleingang abseits der Weltkirche in dieser Frage ausgeschlossen. Schönborn verwehrte sich gegen den Ausdruck "Zwangszölibat": "Mich hat keiner gezwungen, ehelos zu leben". Dies sei gewiss nicht immer leicht, aber gleiches gelte für Verheiratete.

Schönborn widersprach auch vehement dem oft geäußerten Vorwurf, der Zölibat mache neurotisch. Er kenne sehr viele Priester, die ihre Ehelosigkeit glaubwürdig und "vorbildlich" leben. Die Bemerkung Bischof Sturms, ungelöste Dauerthemen wie der Zölibat seien "ein Klotz am Bein" der katholischen Kirche, wies Kardinal Schönborn entschlossen zurück. Diese Abwertung einer vom Evangelium hochgehaltenen Lebensform sei "nicht sehr brüderlich". Und das Thema Sexualität sei "uns allen gemeinsam".

Khol für Mitsprache bei Bischofsernennungen
Nationalratspräsident Khol stimmte der Einschätzung zu, bei St. Pölten handle es sich um ein lokales Kirchenproblem. Dennoch gelte es, Konsequenzen zu ziehen, um dem "Vertrauensverlust" zu begegnen: Die Abberufung Bischof Krenns habe "viel zu lange gedauert", dessen gesundheitliche Probleme seien seit Jahren bekannt gewesen. In einer Zeit so rascher Kommunikation müsste in einem Krisenfall auch rasch reagiert werden, so Khol. Der Nationalratspräsident sprach sich auch für mehr Mitsprache der Ortskirche bei Bischofsernennungen aus; beim nun vakanten Bischofsstuhl in Feldkirch müsse man dafür sorgen, "dass nicht jemand mit dem Fallschirm von irgendwoher abgeworfen wird". Für St. Pölten zeigte sich Khol zuversichtlich, dass Bischof Küng "mit Maß und großer Klugheit" die "sehr gespaltene Diözese" beruhige.

Bischof Sturm meinte, die evangelische Kirche sei "von ihren Strukturen her freier", ihrem Auftrag nachzukommen. Auch hier gebe es immer wieder Probleme, aber die Probleme der Sexualität, der Bischofsernennungen und der Einbindung des Kirchenvolkes hätten die Evangelischen in dieser Weise nicht. Die Evangelischen hätte auch keinerlei Mangel beim Pfarrernachwuchs. Sturm plädierte dafür, die Kräfte engagierter Christen zu bündeln, wie es zum Beispiel beim Ökumenischen Sozialwort geschehen sei. Es sei bedauerlich, "immer wieder um dieselben Themen zu kreisen, die die katholische Kirche lösen muss und die andere Kirchen schon organisiert haben".

Martha Heizer beklagte vor allem den immer noch vorhandenen "Reformstau". Tauche eine akute Krise auf, würden sich "alle darauf stürzen" und nach der Beilegung meinen, es gehe alles so weiter wie bisher.
     
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