Lissabon-Strategie hängt mit europäischem Wirtschafts- und Gesellschaftsmodell zusammen
- Modernisierung der EU zur Zielerreichung Notwendigkeit
Wien (pwk) - Den großen Stellenwert der Sozialpartnerschaft und die Bedeutung der sozialen
Marktwirtschaft als eine der Grundfesten des europäischen Wirtschafts- und Sozialmodells unterstrich Bundespräsident
Heinz Fischer in seiner Rede anlässlich des internationalen Kongresses der Europäischen Wirtschaftskammern
Eurochambres, der am Donnerstag (21. 10.) in Wien unter der Leitung von Eurochambres- und Wirtschaftskammer-Präsident
Christoph Leitl eröffnet wurde und der unter dem Generalthema "Wettbewerbsfähigkeit in einer globalisierten
Welt" steht.
Dass in Europa "Marktwirtschaft" in der Regel in einem Atemzug mit "sozial" genannt wird, sei
kein Zufall, sagte Fischer. "Der Grund dafür ist nicht nur ein Gefühl für das soziale Element
der Gesellschaft, sondern auch die Erkenntnis, dass eine wirtschaftliche Ordnung, in der die soziale Komponente
eine Rolle spielt, ein höheres Maß an Stabilität hat." Fischer strich zudem die Bedeutung
der Lissabonner Reformagenda für eine erfolgreiche Wirtschaftsentwicklung hervor. "Die Lissabon-Strategie
hängt eng mit dem europäischen Wirtschafts- und Gesellschaftsmodell zusammen. Länder, die die Bedeutung
dieser Ziele nicht erkennen, werden zurückfallen", warnte der Bundespräsident. Er mahnte insbesondere
im Bereich Forschung und Wissenschaft zusätzliche Anstrengungen ein und sagte zu, diesem Thema auch selbst
besondere Aufmerksamkeit zu widmen.
Eurochambres- und Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl dankte dem Bundespräsidenten für die
Möglichkeit, den Kongress der Europäischen Wirtschaftskammern in der Wiener Hofburg abhalten zu können.
Leitl wies in seinem Eröffnungsstatement auf die ernüchternde Bilanz hin, die zur Halbzeit der Lissabonner
Reformstrategie gezogen werden muss. "Das Wachstum der EU ist derzeit nur halb so hoch wie in den USA und
Japan, unseren wichtigsten Wirtschaftspartnern. Europa fehlt es an Managementkompetenz", so Leitl. Es gehe
aber nicht um Schuldzuweisungen, sondern um eine gemeinsame Kraftanstrengung, um die Zahl der Arbeitslosen in den
nächsten fünf Jahren zu halbieren. "Das neu gewählte Europaparlament und die Barroso-Kommission
müssen einen Neuanfang wagen. Leadership ist gefragt. Das vermissen wir derzeit schmerzlich in Europa."
Fritz Verzetnitsch, Präsident des Österreichischen Gewerkschaftsbundes (ÖGB) und Mitglied der Kok-Gruppe,
die kommende Woche eine Halbzeit-Bilanz zur Lissabon-Strategie vorlegen wird, sprach sich für "ein absolutes
Ja zum Lissabon-Ziel" aus, dem zufolge die EU bis 2010 zur wettbewerbsfähigsten wissensbasierten Region
in der Welt aufsteigen soll. Zugleich warnte er vor einer einseitigen Betrachtungsweise: "Wettbewerbsfähigkeit
darf nicht der einzige Maßstab für eine erfolgreiche Gesellschaft sein, es geht auch um den sozialen
Zusammenhalt. Das ist nicht eine Frage des "entweder oder" sondern des "sowohl als auch"",
sagte Verzetnitsch. Außerdem dürften sich jene Länder, die etwa die Lissabonner Beschäftigungsziele
schon erreicht hätten, nicht zurücklehnen, sondern müssten zusätzliche Anstrengungen unternehmen.
EU-Kommissar Siim Kallas, der in der Barroso-Kommission einer der Vizepräsidenten sein wird, stellte fest,
dass "in der erweiterten EU eine Modernisierung notwendig ist, um die Lissabon-Ziele zu erreichen." Er
unterstrich, dass die Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit eine der Prioritäten der nächsten Kommission
sein werde. |