Paris (esa) - Ein Team aus 250 Studenten von über ganz Europa verstreuten Universitäten hat in
Zusammenarbeit einen weltraumfähigen Satelliten gebaut, obwohl sich die Studenten nie persönlich getroffen
haben. Der SSETI Express wird derzeit für einen im Mai nächsten Jahres geplanten Start in einem ESA-Reinraum
integriert.
Die Zusammenarbeit zwischen dem paneuropäischen Netzwerk von Studenten, Universitäten und Experten, die
an der Weltraumausbildungs- und technologieinitiative für Studenten (Student Space Education and Technology
Initiative, SSETI) beteiligt sind, erfolgte über das Internet.
Jetzt, da die vollständigen Subsysteme an das European Space Technology Centre (ESTEC) der ESA in den Niederlanden
geliefert werden, verfolgen Teilnehmer aus der Ferne, von Italien bis Dänemark, gespannt den Integrationsprozess
durch tägliche Fotoaktualisierungen, das Integrationslogbuch und sogar eine Webcam.
Jörg Schäfer von der Universität Stuttgart hat eine Auszeit von seinem Promotionsstudium im Bereich
Satellitensystementwicklung genommen, um an den Integrationsarbeiten im ESTEC teilzunehmen: „Hier im Reinraum bauen
wir das endgültige Raumfahrzeug-Flugmodell zusammen. Nach all den Planungen und Vorbereitungen für die
Mission ist es aufregend zu sehen, wie es endlich Form annimmt, und fast täglich neue Teile geliefert werden.“
Wie bei einer russischen Puppe wird SSETI Express in seinem Inneren drei kleinere „CubeSats“ mitführen,
10 Zentimeter große Testsatelliten mit würfelförmiger Technik, die von Universitäten in Deutschland,
Japan und Norwegen gebaut wurden und für den Einsatz in der Umlaufbahn bestimmt sind. Der Hauptsatellit SSETI
Express wird dazu eingesetzt werden, ein Antriebssystem zu testen und zu charakterisieren, Bilder der Erde zurückzusenden
und als Transponder für Amateurfunkanwender zu dienen.
SSETI Express misst insgesamt lediglich 60 x 60 x 70 cm und ist damit klein genug, um im nächsten Jahr beim
Start des kommerziellen Cosmos DMC-3 von Plesetsk in Russland aus im Huckepack seinen Weg in die Umlaufbahn anzutreten.
„Bei SSETI Express haben wir es in einem Jahr von der Entwicklung bis zur Integration geschafft, ein sehr schneller
Zeitplan für ein Raumfahrzeug“, erläuterte Neil Melville, der ursprünglich ein Young Graduate Trainee
der ESA war und jetzt Projektmanager für SSETI Express und zudem Satellitensystemingenieur ist. „Die Studenten
führen die Arbeit mit der Unterstützung von ESTEC-Ingenieuren aus, die uns alle Arten von Tipps geben,
die wir sonst nicht kennen würden, beispielsweise das beste Verfahren zum Löten des Raumfahrzeugs - einige
Ingenieure wurden an die Heimuniversitäten der Studenten eingeladen, um Vorträge über ihr Fachwissen
zu halten!“
„Wir hoffen, das Flugmodell bis Ende November fertig gestellt zu haben, rechtzeitig, um es Weltraumeignungstests
zu unterziehen, die Vibrations- und Thermovakuumtests und die Sicherstellung der elektromagnetischen Kompatibilität
umfassen. Die wichtigste Frist, die wir im Auge haben, ist der Transport des Raumfahrzeugs nach Russland bis Ende
Februar nächsten Jahres für einen geplanten Start Mitte Mai. Dann werden nur vier oder fünf Mitglieder
unseres Teams beim Start dabei sein, die danach ausgewählt werden, wer die besten Fähigkeiten für
die Durchführung der Flugvorbereitungen und Tests besitzt, die wir zurzeit festlegen.“
ESEO
Der Flug eines Betriebssatelliten wäre eine beeindruckende Leistung, doch für SSETI wird dies
lediglich der Anfang sein. SSETI Express ist hinsichtlich Testumgebung und Technik ein Demonstrationssatellit für
eine andere größere Mission, den European Student Earth Orbiter (ESEO), der auf einer Ariane 5 gestartet
werden soll.
„ESEO ist ein komplexer, über 100 kg schwerer Mikrosatellit mit mehreren Instrumenten, der 2007 als Nutzlast
im Huckepack auf einer Ariane 5 in die geostationäre Umlaufbahn starten soll“, erläuterte Philippe Willekens
vom Education Department der ESA.
„Das Projekt schreitet kontinuierlich, aber langsam voran, und es sah so aus, als ob viele unserer Studenten ihren
Abschluss machen würden, bevor sie ihre Hardware fliegen sehen. Dementsprechend haben wir Express als Vorläufermission
entwickelt und dabei mehrere ESEO-Subsysteme eingesetzt, die baufertig waren und die die verantwortlichen Universitätsabteilungen
begierig fliegen sehen wollten.
Express dient als Motivationshilfe, technologische Testumgebung, logistischer Vorläufer und, was das Wichtigste
ist, als eine Demonstration von Fähigkeiten für SSETI und die Ausbildungsgemeinschaften, unser Unterstützungsnetzwerk
bei der ESA und die Raumfahrtgemeinschaft im Allgemeinen. Die Teilnehmer werden in allen Facetten der Missionsvorbereitung
ausgebildet, von der Entwicklung bis hin zu Start und Betrieb, einschließlich rechtlicher Aspekte und Aspekten
des Risikomanagements.“
Nuna
Express ist wie die darauf folgende ESEO-Mission ein wirkliches Projekt im europäischen Maßstab.
So stammen zum Beispiel die Solarpaneele aus dem von der ESA geförderten holländischen Solarauto Nuna
II, während die elektrische Anlage von einem italienischen Team aus Neapel gebaut wurde und Bordcomputer und
-kamera aus Aalborg in Dänemark kommen.
Das Kaltgas-Antriebssubsystem des Satelliten stammt aus Deutschland von der Universität Stuttgart, während
für die beiden Kommunikationssysteme - S-Band und UHF - englische und deutsche Amateurfunker verantwortlich
sind. Ein dänischer Student hat das auf magnetischer Basis funktionierende Fluglagenbestimmungs- und -steuerungssystem
hergestellt.
SSETI wurde im Jahre 2000 vom Education Department der ESA gegründet. Ziel ist es, Studenten zu ermutigen,
durch Entwicklung, Konstruktion und Start kleiner Satelliten Kenntnisse über den Weltraum zu erhalten. Der
Slogan lautet: „Lasst uns den Traum starten!“
Angesichts der Erkenntnis, dass es keine Universitätsabteilungen gibt, die eine solche Aufgabe vollständig
durchführen können, wurde bei SSETI ein Netzwerk von Einzelpersonen und akademischen Institutionen eingerichtet,
um die zahlreichen Aktivitäten zu verteilen, die zur Durchführung einer wirklichen Weltraummission erforderlich
sind.
SSETI workshop
Die Koordination zwischen den Gruppen erfolgt mit Hilfe eines dedizierten Nachrichtenservers und wöchentlicher
Internet Relay Chats (IRCs) sowie über die SSETI-Website. Persönliche Treffen sind eher die Ausnahme
als die Regel, wobei die Gruppenvertreter sich alle sechs Monate zu einem Workshop im ESTEC treffen.
Über Express und ESEO hinaus besteht die Hoffnung, dass SSETI zu einem echten Förderungsnetzwerk für
alle studentischen Weltraumaktivitäten wird, bei dem die Mitglieder detaillierte Machbarkeitsstudien für
einen europäischen Studenten-Mondorbiter (ESMO), einen europäischen Studenten-Mondrover (ESMR) und sogar
einen Marsorbiter durchführen.
„SSETI ist ein Rahmenprogramm, das jetzt von mehreren Studentengruppen verschiedener europäischer Universitäten
konkret organisiert wird“, so Willekens abschließend. „Die Gemeinschaft ist auch für andere Studentengruppen
offen. Diese einmalige Chance für Studenten ist auch eine einmalige Chance für die ESA zu sehen, dass
die junge Generation über ein weites Internet-Verbundsystem mit geringen Ressourcen, jedoch mit viel Enthusiasmus
und Energie arbeitet.“ |