Außenministerin spricht vor Europa-Forum der BA–CA über die großen Herausforderungen
für die erweiterte EU im nächsten Jahrzehnt
Wien (bmaa) - "Die europäische Verfassung ist das erste gemeinsame Projekt der erweiterten
Union und hat daher besondere Symbolkraft. Sie wird der Europäischen Union einen deutlichen Demokratieschub
bringen. Sie wird auch einen weiteren Schritt zur Stärkung des außenpolitischen Profils der EU in der
Welt bewirken", so Bundesministerin Benita Ferrero-Waldner bei ihrer Rede beim hochkarätig besetzten
Europa-Forum der Bank Austria-Creditanstalt in Wien am Dienstag (19. 10.). "Gerade aus Sicht meiner neuen
Tätigkeit als Außenkommissarin wäre es für mich wünschenswert gewesen, hier ein wenig
weiter zu gehen, vor allem im Hinblick auf den gemeinsamen Kampf gegen den Terrorismus und die organisierte Kriminalität,
der in den nächsten Jahren sicher eine der wichtigsten gemeinsamen Herausforderungen für die EU sein
wird. Aber immerhin stellt die europäische Verfassung einen Schritt in die richtige Richtung dar, und darauf
können wir aufbauen".
Neben der Europäischen Verfassung hob Ferrero-Waldner in ihren Ausführungen zum Thema "Die Zukunft
Europas: die großen Herausforderungen für die erweiterte EU im nächsten Jahrzehnt" fünf
weitere Prioritäten hervor:
Eine wichtige Priorität bestehe in der Verbesserung des Kontakts mit den Bürgern. "Ich habe mir
daher bereits vorgenommen, immer wieder nach Österreich zu kommen und europäische Entscheidungen in Österreich
verständlich zu machen".
Die dritte wesentliche Herausforderung sei die Umsetzung der sogenannten Lissabon-Strategie. Deren 5-Jahres-Bilanz
müsse wirklich schonungslos durchgeführt werden, vielleicht werde auch eine radikale Neubewertung der
Ziele und Methoden notwendig sein oder zumindest eine teilweise Verschiebung des Zieldatums 2010. "Wichtig
wird sein, dass man die Bürger besser als bisher von der Notwendigkeit der Reformen überzeugt - besonders
in den neuen Mitgliedstaaten, in denen die letzten Jahre ein Reformgalopp der besonderen Art waren, dessen positive
Auswirkungen vielleicht noch nicht überall sichtbar sind", meinte die designierte Außenkommissarin.
Eine vierte Priorität sieht Ferrero-Waldner in der Erweiterung der EU. Die jüngste Erweiterung sei hervorragend
verlaufen, aber noch nicht ganz abgeschlossen. Den neuen Mitgliedsstaaten stehe die volle Integration in die Währungsunion
und ins Schengen-System noch bevor, und auch sonst bestehe noch einiger Aufholbedarf. Neben dem vorgesehenen Beitritt
Rumäniens und Bulgariens im Jänner 2007 sei es aus österreichischer Sicht auch wünschenswert,
Anfang nächsten Jahres mit Kroatien Beitrittsverhandlungen zu beginnen. "Dies wäre auch für
die anderen Ländern Südosteuropas ein Ansporn zur Fortsetzung ihrer Reformen". Die Türkei sieht
Ferrero-Waldner als einen wichtigen Partner Europas in der Region, der in letzter Zeit wesentliche Reformen eingeleitet
hat. "Allerdings dürfen wir auch eines nicht vergessen: die EU hat erst vor wenigen Monaten die größte
Erweiterung in ihrer Geschichte hinter sich gebracht. Die in diesem Zusammenhang geschaffenen neuen Strukturen
müssen sich nun erst einmal bewähren. Die EU müsste ihrerseits erst in der Lage sein, ein derartig
großes Land wie die Türkei aufzunehmen. Es ist daher nicht unwahrscheinlich, dass sich der Europäische
Rat, sollte er sich für die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen aussprechen, wofür einiges spricht, dafür
entscheiden wird, Ergebnis und Ende der Verhandlungen offen zu lassen."
Als fünfte Herausforderung nannte die Außenministerin die Europäische Nachbarschaftspolitik, die
sich mit der Gestaltung der Beziehungen der EU zu ihren östlichen und südlichen Nachbarn befasst. Dieser
Bereich stelle einen Schwerpunkt ihrer künftigen Tätigkeit als EU-Kommissarin dar. "Konkret werden
mit jedem unserer Nachbarn Aktionspläne entwickelt, in denen die Schritte zu einer besseren Kooperation formuliert
werden. Die Vorlage der ersten Aktionspläne steht nun unmittelbar bevor". Es gehe darum, den Grenzen
das Trennende zu nehmen und den globalen Herausforderungen wie Umweltschutz, Drogen- und Terrorismusbekämpfung
oder Migration erfolgreich zu begegnen. Das österreichische Außenministerium habe hier bereits einen
wichtigen Beitrag geleistet hat, indem es gemeinsam mit dem ungarischen Außenministerium ein gemeinsames
Papier mit konkreten Ideen für den Aktionsplan EU-Ukraine ausgearbeitet habe, aus dem einige wichtige Anregungen
übernommen wurden.
Die sechste Priorität betreffe schließlich die internationalen Herausforderungen der EU. Die EU müsse
sich bemühen, ihre eigene innere Stabilität zu exportieren, wenn sie nicht Instabilität von außen
importieren wolle. "Entscheidend dafür wird sein, dass wir als EU außenpolitisch verstärkt
mit einer Stimme sprechen - das geht in letzter Konsequenz einmal bis zu einem EU-Sitz im Sicherheitsrat der Vereinten
Nationen. Ich werde als EU-Kommissarin alle Anstrengungen unternehmen, die EU auf diesem Weg deutlich voranzubringen".
"Die Rolle der EU wird auch weiterhin darin bestehen müssen, ein Bezugspunkt für andere zu sein
- in Fragen der Demokratie, der Stabilität, des Wohlstandes und der Menschenrechte. Dieser Rolle gerecht zu
werden ist eine Herausforderung für mehr als das nächste Jahrzehnt". |