Wien (fwf/prd) - Bohrungen in einem der jüngsten Meteoritenkrater der Erde - dem Bosumtwi-Krater in
Ghana - führen zu einer bisher noch rätselhaften Erkenntnis: Die durch die Hitze des Meteoriteneinschlags
geformte Gesteinsschicht ist nur halb so mächtig wie erwartet. Dies ist ein erstes Ergebnis eines großen
Bohrprojekts, das durch raffinierte Planung gleichzeitig neue Erkenntnisse sowohl für die Geo- als auch für
die Klimawissenschaften liefern wird. Die technisch sehr schwierigen Bohrungen wurden in den letzten Wochen von
einem multinationalen Team unter österreichischem Management im Rahmen des International Continental Drilling
Program (ICDP) durchgeführt. Bereits jetzt liefert dieses vom Wissenschaftsfonds FWF geförderte Projekt
mit 2200 Metern Bohrkern eine reiche Ausbeute an Probenmaterial.
Der Bosumtwi-Krater im westafrikanischen Ghana ist in vielerlei Hinsicht interessant. Erstens ist er mit einer
Million Jahren einer der jüngsten Einschlagskrater auf der Erde und bestens erhalten. Zweitens weist er, gemeinsam
mit nur drei anderen der insgesamt 170 bekannten Einschlagskratern auf der Erde, eine geologische Besonderheit
auf - die obersten Gesteinsschichten wurden während des Einschlags in Glas (so genannte Tektite) verwandelt
und in bis zu 1000 Kilometer Entfernung verstreut.
Klimaarchiv unter Wasser
Es ist aber ein dritter Punkt, der den Bosumtwi-Krater besonders interessant macht: Ein acht Kilometer
großer See füllt den elf Kilometer umfassenden Krater. "In diesem See haben sich seit einer Million
Jahren Sedimente abgelagert. Je nach Jahreszeit wurden Einträge durch den atlantischen Monsun oder von der
Sahelzone abgelagert. Damit bietet diese Sedimentschicht ein vollständiges Archiv der Klimavorgänge der
letzten Million Jahre in Westafrika", erläutert der österreichische Projektleiter Prof. Christian
Köberl vom Institut für Geologische Wissenschaften der Universität Wien die Bedeutung dieser Besonderheit
des Bosumtwi-Kraters.
Auf dem Grund der Tatsachen
Diese Sedimentschicht liegt nun direkt über jener Gesteinsschicht, die durch den Meteoriteneinschlag
geformt wurde und damit den eigentlichen Krater ausmacht. Mit Bohrungen in den Untergrund des bis zu 80 Meter tiefen
Sees können also gleichzeitig Informationen über Klimavorgänge in Westafrika als auch über
den Ablauf eines Meteoriteneinschlags gesammelt werden. Genau dies tat das ForscherInnen-Team aus sieben Nationen
seit Juni dieses Jahres. Unter Leitung eines Kollegen aus den USA wurden zunächst Bohrkerne aus dem Sediment
geborgen. Sechs dafür ausgewählte Stellen lieferten insgesamt 1850 Meter Bohrkerne, die sich ideal ergänzen,
sodass nun ein komplettes Probenmaterial über den Aufbau der Sedimentschicht vorliegt.
Die wegen der abgeschiedenen Lage des Kraters logistisch sehr aufwändigen Bohrungen in das Kratergestein begannen
Ende August unter der Leitung von Prof. Köberl. Dazu dieser: "Um allen Anforderungen des Projekts gerecht
zu werden, umfasste unser Team bis zu zehn Bohrtechniker, zehn GeophysikerInnen und allein elf Personen für
die wissenschaftliche Auswertung vor Ort. Zusätzlich stellt in einem so entlegenen Gebiet wie dem Bosumtwi-Krater
die effiziente Koordination eines technisch so anspruchsvollen Projekts eine wissenschaftliche Herausforderung
der besonderen Art dar. So mussten wir zur Versorgung unserer schwimmenden Bohrplattform zunächst erst eine
Straße fertig stellen und einen Betonpier bauen."
Doch der Aufwand lohnte sich: Innerhalb nur weniger Wochen gelang es dem Team, zwei Bohrungen bis zur Tiefe von
540 bzw. 452 Metern in das unter dem Sediment liegende und durch den Einschlag entstandene Gestein durchzuführen.
Dabei wurden zusätzliche 350 Meter an Bohrkernen gezogen. Schon die ersten Auswertungen dieses umfangreichen
Probenmaterials ergaben eine große Überraschung: Jene Schicht, die durch die physikalischen Vorgänge
während des Meteoriteneinschlags gebildet wurde, ist bei weitem nicht so mächtig, wie alle vorangegangenen
Analysen und Messungen vermuten ließen. Aber erst die Auswertung der derzeit in 122 Kisten nach Europa verschifften
Proben wird die Antwort auf jene Frage liefern, die nun alle ProjektteilnehmerInnen bewegt und die am Anfang jeder
Grundlagenforschung steht: Warum? |