Meteoritenkrater liefert umfangreiche Daten - und ein Rätsel  

erstellt am
19. 10. 04

Wien (fwf/prd) - Bohrungen in einem der jüngsten Meteoritenkrater der Erde - dem Bosumtwi-Krater in Ghana - führen zu einer bisher noch rätselhaften Erkenntnis: Die durch die Hitze des Meteoriteneinschlags geformte Gesteinsschicht ist nur halb so mächtig wie erwartet. Dies ist ein erstes Ergebnis eines großen Bohrprojekts, das durch raffinierte Planung gleichzeitig neue Erkenntnisse sowohl für die Geo- als auch für die Klimawissenschaften liefern wird. Die technisch sehr schwierigen Bohrungen wurden in den letzten Wochen von einem multinationalen Team unter österreichischem Management im Rahmen des International Continental Drilling Program (ICDP) durchgeführt. Bereits jetzt liefert dieses vom Wissenschaftsfonds FWF geförderte Projekt mit 2200 Metern Bohrkern eine reiche Ausbeute an Probenmaterial.

Der Bosumtwi-Krater im westafrikanischen Ghana ist in vielerlei Hinsicht interessant. Erstens ist er mit einer Million Jahren einer der jüngsten Einschlagskrater auf der Erde und bestens erhalten. Zweitens weist er, gemeinsam mit nur drei anderen der insgesamt 170 bekannten Einschlagskratern auf der Erde, eine geologische Besonderheit auf - die obersten Gesteinsschichten wurden während des Einschlags in Glas (so genannte Tektite) verwandelt und in bis zu 1000 Kilometer Entfernung verstreut.

Klimaarchiv unter Wasser
Es ist aber ein dritter Punkt, der den Bosumtwi-Krater besonders interessant macht: Ein acht Kilometer großer See füllt den elf Kilometer umfassenden Krater. "In diesem See haben sich seit einer Million Jahren Sedimente abgelagert. Je nach Jahreszeit wurden Einträge durch den atlantischen Monsun oder von der Sahelzone abgelagert. Damit bietet diese Sedimentschicht ein vollständiges Archiv der Klimavorgänge der letzten Million Jahre in Westafrika", erläutert der österreichische Projektleiter Prof. Christian Köberl vom Institut für Geologische Wissenschaften der Universität Wien die Bedeutung dieser Besonderheit des Bosumtwi-Kraters.

Auf dem Grund der Tatsachen
Diese Sedimentschicht liegt nun direkt über jener Gesteinsschicht, die durch den Meteoriteneinschlag geformt wurde und damit den eigentlichen Krater ausmacht. Mit Bohrungen in den Untergrund des bis zu 80 Meter tiefen Sees können also gleichzeitig Informationen über Klimavorgänge in Westafrika als auch über den Ablauf eines Meteoriteneinschlags gesammelt werden. Genau dies tat das ForscherInnen-Team aus sieben Nationen seit Juni dieses Jahres. Unter Leitung eines Kollegen aus den USA wurden zunächst Bohrkerne aus dem Sediment geborgen. Sechs dafür ausgewählte Stellen lieferten insgesamt 1850 Meter Bohrkerne, die sich ideal ergänzen, sodass nun ein komplettes Probenmaterial über den Aufbau der Sedimentschicht vorliegt.

Die wegen der abgeschiedenen Lage des Kraters logistisch sehr aufwändigen Bohrungen in das Kratergestein begannen Ende August unter der Leitung von Prof. Köberl. Dazu dieser: "Um allen Anforderungen des Projekts gerecht zu werden, umfasste unser Team bis zu zehn Bohrtechniker, zehn GeophysikerInnen und allein elf Personen für die wissenschaftliche Auswertung vor Ort. Zusätzlich stellt in einem so entlegenen Gebiet wie dem Bosumtwi-Krater die effiziente Koordination eines technisch so anspruchsvollen Projekts eine wissenschaftliche Herausforderung der besonderen Art dar. So mussten wir zur Versorgung unserer schwimmenden Bohrplattform zunächst erst eine Straße fertig stellen und einen Betonpier bauen."

Doch der Aufwand lohnte sich: Innerhalb nur weniger Wochen gelang es dem Team, zwei Bohrungen bis zur Tiefe von 540 bzw. 452 Metern in das unter dem Sediment liegende und durch den Einschlag entstandene Gestein durchzuführen. Dabei wurden zusätzliche 350 Meter an Bohrkernen gezogen. Schon die ersten Auswertungen dieses umfangreichen Probenmaterials ergaben eine große Überraschung: Jene Schicht, die durch die physikalischen Vorgänge während des Meteoriteneinschlags gebildet wurde, ist bei weitem nicht so mächtig, wie alle vorangegangenen Analysen und Messungen vermuten ließen. Aber erst die Auswertung der derzeit in 122 Kisten nach Europa verschifften Proben wird die Antwort auf jene Frage liefern, die nun alle ProjektteilnehmerInnen bewegt und die am Anfang jeder Grundlagenforschung steht: Warum?
     
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