Das Thema "Wirtschaftskriminalität" war einer der beiden Schwerpunkte bei den "Österreichischen
Sicherheitstagen 2004" in Leogang.
Wien (bmi) - "Wirtschaftsstraftaten gelten noch immer als Kavaliersdelikte", sagte Kommerzialrat
Peter Leißing, Präsident der KSÖ-Landesgruppe Salzburg, im Eröffnungsvortrag zu den "Österreichischen
Sicherheitstagen 2004", die vom 20. bis 22. Oktober im Krallerhof im Salzburger Fremdenverkehrsort Leogang
stattgefunden haben. "Wenn ein Manager seine Intelligenz nicht dem Unternehmen zur Verfügung stellt,
sondern für kriminelle Taten verwendet, dann bringt das nicht nur seine Firma in ein schiefes Licht, sondern
das ganze Unternehmertum", betonte Leißing. Große Wirtschaftskriminalitätsfälle können
Wirtschaftskrisen auslösen. Wirtschaftskriminalität einzudämmen, bringe "dem Staat und dem
Einzelnen sehr viel."
Dr. Maximilian Burger-Scheidlin, Geschäftsführer der internationalen Handelskammer (ICC Austria) formulierte
es ähnlich drastisch: "Die Wirtschaftskriminalität ruiniert unsere Volkswirtschaft. Wir bekämpfen
nur die Symptome, nicht die Ursachen." Die Polizei gehe sehr stark repressiv vor. Das sei langfristig nur
teilweise die Lösung. "Wir müssen in die Prävention gehen", forderte Burger-Scheidlin.
In jedem Betrieb gebe es Wirtschaftskriminalität. Das beginne bei firmeninternen Betrügereien wie das
Mitgehenlassen von Büromaterial oder Waren. Hier entstehe in Österreich ein Schaden von drei bis vier
Milliarden Euro pro Jahr. Jährlich drei Milliarden Euro Schaden entstünden durch Korruption, erläuterte
Burger-Scheidlin.
Durch Vorauszahlungsbetrug würden Unternehmen mit einer Milliarde pro Jahr geschädigt. Betrüger
versprechen billige Kredite oder günstige Projektfinanzierungen und verlangen dafür "Gebühren"
und "Versicherungsprämien". Wird die Forderung erfüllt, verschwinden die Gauner. Einem Betrüger
ist es sogar gelungen, Vorstandsmitglied einer österreichischen Projektfinanzierungsfirma zu werden. Durch
Kapitalanlagebetrug entsteht ein Schaden von drei Milliarden Euro pro Jahr, 80 Prozent davon sind Schwarzgeld.
"Deshalb geht kaum jemand zur Polizei. Wer Schwarzgeld eingesetzt hat, ist erpressbar", sagte Burger-Scheidlin.
In Österreich sind gefälschte Markenprodukte im "Wert" von sieben Milliarden Euro auf dem Markt.
Zigarettenschmuggel ist ein einträgliches Geschäftsfeld; der Gewinn pro Container beträgt 250.000
Euro.
"Handelsbarrieren helfen mit, Gauner zu finanzieren", betonte Burger-Scheidlin. "Überregulierung
und hohe Steuern bieten einen fantastischen Nährboden für die organisierte Kriminalität." Kriminelle
Organisationen verdienten bei Produktionsförderungen, Exportsubventionen und durch Import-Quoten. Deshalb
müssten Zölle reduziert und Exporthindernisse abgeschafft werden. Bürokratische Auswüchse hemmten
ebenfalls die Wirtschaft: "Ein Maronibrater auf der Freyung braucht jedes Jahr 17 Genehmigungen. Wir bauen
eine riesige Bürokratie auf und haben dadurch eine höhere Steuerbelastung. Das veranlasst viele, steuerschonend
zu agieren." Der Anteil des "Pfuschs" in Österreich betrage zehn Prozent des Bruttoinlandsprodukts.
Gefährlicher Frust
Gefahr für ein Unternehmen drohe auch durch frustrierte Mitarbeiter. Firmenangehörige, die "innerlich
gekündigt" haben, kosten der Volkswirtschaft über sechs Milliarden Euro. Frustrierte Mitarbeiter
neigen dazu, korrupt zu werden, Sabotagakte zu verüben oder Firmengeheimnisse zu verraten.
Verbrechensorganisationen teilen sich die Märkte und versuchen, Wirtschafts- und Finanzstrukturen zu unterwandern.
Die Folgen können den Fortbestand einer Firma gefährden, wenn Führungskräfte erpresst werden
oder ein Unternehmen von innen "ausgeblutet" wird. Kriminell erlangtes Vermögen wird in die legale
Wirtschaft investiert. Burger-Scheidlin: "Man schätzt, dass 30 bis 40 Prozent der Staatsanleihen in Italien
von der Mafia gezeichnet worden sind." Der Umsatz bei Geldwäsche liegt pro Jahr weltweit zwischen 600
und 1.500 Milliarden Euro, das entspricht zwei bis fünf Prozent des Welthandels.
Gegenstrategien liegen in einer Entbürokratisierung, in der "Abschaffung unnötiger Gesetze"
und in einfachen und attraktiven Rahmenbedingungen für die Wirtschaft, referierte Burger-Scheidlin: "Bleiben
Sie der organisierten Kriminalität fern, auch wenn die besten Geschäfte auf Sie warten."
Wettbewerbsspionage und Informationsschutz
"Wissen und Know-how sind der Schlüssel für Erfolg in der globalen Wirtschaft. Es herrscht Krieg
um die Information. Wir müssen Wissen schützen", erläuterte Ing. Hannes Dopler, Sicherheitsmanager
bei "T-Mobile". Alle Geschäfte würden über Banken, Telefon und das Internet abgewickelt.
"Wenn man diese kontrolliert, kann man alle Geschäfte beeinflussen", betonte Dopler. Die Folgen
bei einem Informationsverlust seien vielfältig: "Der Vorsprung bei Forschung und Entwicklung ist weg.
Marktanteile und Umsätze werden eingebüßt, Geschäfte platzen, Arbeitsplätze gehen verloren
und der Wert des Unternehmens sinkt."
Klassische Methoden der Wettbewerbsspionage sind das Abschöpfen von Wissen, etwa bei Messen und Konferenzen,
das Abwerben und das Korrumpieren. Kriminelle Organisationen schleusen Arbeitskräfte in Unternehmen ein, hören
Telefone ab, hacken sich in Firmennetze ein oder kommen durch Einbruchsdiebstähle zu wichtigen Informationen.
Die Ziele werden ausgesucht nach technologischer Wettbewerbsfähigkeit, finanzieller Potenz und nach dem Mitbewerberstatus,
ebenso nach Leichtigkeit des Zugriffs. Gauner suchen ihre Opfer gezielt aus und recherchieren ihre Hobbys und Schwächen.
Schützen kann sich gegen solche Angriffe mit organisatorischen Maßnahmen wie das "Need-to-know-Prinzip"
(Muss ich jedem alles sagen?), der "Clean-Desk-Policy" sowie Sicherheitsdienstanweisungen und Schulungen
der Mitarbeiter. Dazu kommen Zutrittskontrollen, IT-Sicherheit, Firewalls und die Videoüberwachung sensibler
Zonen.
Krisenprävention
"Unternehmen, die sich auf Krisen vorbereiten und in deren Abwehr investieren, sind erfolgreicher
und deutlich weniger krisenanfällig", sagte Wolfgang Bachler, Chef eines Sicherheitsberatungsunternehmens
("bachler & partners"). Das sei zwar vielen Verantwortlichen bewusst, aber nur wenige hielten sich
daran. "89 Prozent der Manager von führenden Unternehmen glauben, dass sie auf Krisen treffen werden,
aber nur sieben Prozent bereiten sich darauf vor", betonte Bachler, der bis Ende 2003 das "Einsatzkommando
Cobra" leitete. Die Wirtschaft werde immer dynamischer, "der Schnellere gewinnt an Marktanteilen, nicht
der Größere". Es gebe immer mehr kriminelle Angriffe auf Wissen und Daten.
In vielen Unternehmen fehle das Sicherheitsbewusstsein: "Wenn in einem Unternehmen die Frage gestellt wird,
wie kann man sich besser schützen, dann gibt es immer jemanden, der fragt: Was kostet das und wann kommt der
Return on Investment?", bedauerte Bachler: "Es zahlt sich jedenfalls aus, in die Prävention zu investieren."
Auf Krisen vorbereitete Unternehmen haben eine geringere Eintrittswahrscheinlichkeit von Schadensereignissen, schnellere
Reaktionszeiten, eine kürzere Zeitdauer eines kritischen Ereignisses und sie kommen deutlich schneller wieder
zum Normalzustand zurück.
Zu den "traditionellen Krisenfamilien" zählt Bachler Natur- und Elementarereignisse, Unfälle
sowie böswillige Attacken. "Auf die ersten beiden Bereiche sind die Firmen schon gut gerüstet. Diese
Konzepte kennt man", erläutert Bachler. Was böswillige Attacken betrifft, werde zu wenig getan.
Der Unternehmenswert werde durch umfassendes Management von Geschäftsrisiken "deutlich positiv beeinflusst",
betont der ehemalige Cobra-Kommandant: "Krisenfeste Unternehmen leben länger und haben eine höhere
Kapitalrendite. In vielen Ländern ist Risikomanagement eine gesetzliche Verpflichtung für Vorstände
von Unternehmen." Ein Restrisiko werde es aber immer geben.
Die stärkste Waffe gegen Angriffe von außen sei die Prävention – mit dem Problem, dass man Prävention
nicht messen könne. Noch wichtiger als die technische Komponente sei die Mitarbeiterkomponente. Man müsse
auch geeignete organisatorische Vorbereitungen treffen. Bachler: "Sicherheit ist kein Zustand, sondern ein
Verhalten."
"Sicherheit sollte Chefsache sein", forderte Sicherheitsberater Michael Zoratti ("SecureLine").
In den Unternehmen in den USA ist der CSO (Chief Security Officer) in der Vorstandsebene angesiedelt, in Österreich
nur in Ausnahmefällen. Durch Schaffung einer akademischen Ausbildung im Sicherheitsbereich werde das Interesse
in den Vorständen geweckt, betonte Zoratti und wies auf den ersten postgradualen Lehrgang zum "Master
of Science for Security and Safety-Management" hin, der im Oktober 2004 an der Donau-Universität Krems
begonnen hat.
Zoratti: "Was fast überall fehlt, ist auch das Wissen, wie man Delikte gegen das eigene Unternehmen im
Vorfeld verhindern kann, und zwar schon bevor noch eine polizeiliche oder strafrechtliche Relevanz gegeben ist.
Es bedarf dazu eines gehobenen Informationsstandes - der nun in einer akademischen Ausbildung erworben werden kann.
Wissen ist nicht nur Macht, sondern auch Sicherheit."
"Österreichische Sicherheitstage"
Die jährlich im Oktober im "Krallerhof" in Leogang, Salzburg, abgehaltenen "Österreichischen
Sicherheitstage" verstehen sich als Plattform für Experten des Innenressorts, der Wirtschaft, Wissenschaft
und der Medien zur Diskussion aktueller Fragen der inneren Sicherheit. Schwerpunkte der diesjährigen Tagung
vom 19. bis 22. Oktober waren "Wirtschaft und Kriminalität" sowie "Polizeireformen in Europa".
Hervorgegangen sind die Sicherheitstage, die heuer zum fünften Mal in Leogang stattgefunden haben, aus dem
jährlichen "Forum Sicheres Österreich" des "Kuratoriums Sicheres Österreich"
(KSÖ). |