Drei Jahre im All: Proba, der "intelligente", autonome Satellit  

erstellt am
27. 10. 04

Paris (esa) - Proba hat Geburtstag! Der erste Kleinsatellit der ESA vollendet sein drittes Erfolgsjahr im All. Dieser Satellit, der kaum größer ist als ein Fernsehgerät, wurde seinerzeit ins All geschossen, um neue Technologien für die zukünftige europäische Raumfahrt zu demonstrieren, liefert aber ununterbrochen fantastische Bilder von der Erde.

„Es ist schon erstaunlich, was wir mit Proba, unserem ersten Kleinsatelliten, alles erreicht haben“, meint Frederic Teston, der Leiter des Proba-Projekts bei der ESA. „Neben neuen Strategien für Konstruktion und Einsatz von Raumfahrzeugen stellte die Mission mit großem Erfolg eine Reihe hoch entwickelter Technologien vor.“

„Proba ist seinem vollen Namen (Project for On-Board Autonomy – Projekt für Bordautonomie) in allen Belangen gerecht geworden, denn der Satellit hat an jedem Tag in den letzten drei Jahren Aufgaben wie Fluglageregelung, Zielerkennung im Vorbeiflug und Bilderfassung selbständig ausgeführt.“ Dies sind alles Aufgaben, die bei größeren Raumfahrzeugen vom Boden aus gesteuert werden müssen.

„Wir geben lediglich den Breitengrad, den Längengrad und die Höhe eines Zielgebiets vor, den Rest erledigt Proba selbständig. Der Bordcomputer bringt den Satelliten in die korrekte Lage, neigt ihn entsprechend, macht das Bild und funkt es zur Erde.“

Der Leitgedanke des Proba-Projekts ist, dass klar umgrenzte Missionen innerhalb eines kurzen, für wissenschaftliche Zwecke geeigneten Zeitraums durchgeführt werden können – sofern die Zeit von der ursprünglichen Konzeption bis zum Start und zum Einsatz beträchtlich verringert werden kann.

Um die Konstruktion zu vereinfachen – und die Kosten zu reduzieren – wurde Proba weitestgehend aus vorhandenen Komponenten „von der Stange“ gebaut, und es wurde auf speziell für den Einsatz im Weltraum gehärtete Teile verzichtet, die üblicherweise für Satelliten verwendet werden. Erfreulicherweise hat sich herausgesellt, dass diese Systeme während der gesamten 1.096 Tage, die Proba inzwischen im All ist, einwandfrei funktioniert haben.

Im Polarorbit 600 Kilometer über der Erde nimmt Proba jeden Monat ungefähr 300 Bilder von rund 60 verschiedenen Gebieten auf. Bis zum heutigen Tag hat der Satellit mit seinen beiden abbildenden Systemen CHRIS (Compact High Resolution Imaging Spectrometer) und der Schwarzweiß-HRC (High Resolution Camera) über 10.000 Bilder geliefert.

CHRIS ist ein kompaktes Hyperspektral-Bildsystem, das detaillierte Daten von der Erdoberfläche zur Erde sendet. Die räumliche Auflösung beträgt 18 Meter, wobei eine Kombination aus jeweils 19 von insgesamt 62 Spektralbändern verwendet wird, sodass das System zusätzlich auch Umweltdaten liefert. Ferner kann ein und derselbe Bildausschnitt aus verschiedenen Winkeln sichtbar gemacht werden, weil die Manövrierbarkeit von Proba gesteuerte Neigungs- und Rollbewegungen erlaubt.

Die Fähigkeit, sowohl Hyperspektral- als auch Mehrwinkeldaten erfassen zu können, ist besonders für die Untersuchung von Vegetationsdecken von Nutzen. Ferner hilft sie bei der Erforschung der Atmosphäre und von Wasserflächen. Etwa 60 Wissenschaftler-Teams nutzen inzwischen die mit CHRIS gewonnenen Daten.

Durch ihre hohe räumliche Auflösung füllen die Daten besonders gut die Lücke zwischen den Ergebnissen satellitengestützter Instrumente wie des auf dem Umweltsatelliten Envisat eingesetzten MERIS (Medium Resolution Imaging Spectrometer) und einfachen Luftbildern aus.

Mit den CHRIS-Daten kann die Genauigkeit der Überwachung von Feuchtgebieten im Rahmen des ESA-Projekts Globwetland erhöht werden, indem zur Unterstützung der Ramsar-Feuchtgebietekonvention Informationen über die Umweltbedingungen in diesen besonders artenreichen Gebieten zur Verfügung gestellt werden.

Von CHRIS gelieferte Bilder werden im Rahmen von Projekten für das von der ESA und China gemeinsam durchgeführte Dragon-Programm verwendet. Es beinhaltet auch die Untersuchung von Gebieten mit erhöhtem Überschwemmungsrisiko. Mithilfe dieser Daten werden Referenzkarten generiert und mit Daten von Krisengebieten verglichen, sodass permanente Wasserflächen von Überschwemmungsbereichen unterschieden werden können. Chinesische Forscher haben Interesse bekundet, das Hyperspektral-Bildsystem auch in weiteren Anwendungsbereichen einzusetzen, z. B. bei der Suche nach Bodenschätzen.

Die von CHRIS erfassten Daten werden mit denen des deutschen Satelliten BIRD (Bi-Spectral Infrared Detection) koordiniert, der zur Entdeckung von Waldbränden dient. Mit CHRIS wurden zuvor von BIRD entdeckte Waldbrandgebiete neu erfasst, um das Ausmaß der verbrannten Flächen sowie das Nachwachsen der Vegetation zu ermitteln. Auf diese Weise können die langfristigen Auswirkungen solcher Feuersbrünste untersucht werden.

Eng damit verwandt ist die Erfassung von Bilddaten durch CHRIS im Rahmen der internationalen Charta für Weltraum und Naturkatastrophen, einer internationalen Vereinbarung zur Bereitstellung von Ressourcen aus dem Weltraum zur Unterstützung von Zivilschutzbehörden beim Kampf gegen Naturkatastrophen.

Im kommenden Jahr sind weitere wissenschaftliche Anwendungen der CHRIS-Daten geplant, wie z. B. Präzisionslandwirtschaftsforschung in Deutschland, Untersuchungen zum spektralen Reflexionsgrad von Ernterückständen und Böden in Frankreich, Überwachung der Artenvielfalt in Afrika, Vermessung von Küstenbereichen im Süden Chiles und archäologische Projekte in Spanien.

Proba bietet noch mehr!
Das andere Bildsystem an Bord von Proba ist die Kompaktkamera HRC, deren räumliche Auflösung mit 5 Metern noch größer ist und die monochrome Bilder von Gebieten mit einer Größe von 25 Quadratkilometern liefert. Der Satellit dient nicht nur zur Erforschung der Erde, sondern liefert auch Bilder aus seiner eigenen, unmittelbaren Umgebung. An Bord befindet sich auch der Strahlungsdetektor SREM (Standard Radiation Environment Monitor) zur Untersuchung der Energiepartikel, die das Polarlicht verursachen. Damit konnte in den letzten drei Jahren das Strahlungsumfeld der Erde besser abgebildet werden.

Proba transportiert ferner das Messinstrument DEBIE (Debris In-orbit Evaluator), mit dem die Einschläge von winzigen Mikrometeoriten oder Weltraumpartikeln mit einem Durchmesser zwischen einem Zentimeter und weniger als einem Millimeter untersucht werden können.

“Steckbrief“ von Proba
Proba ist ein im Rahmen des allgemeinen Forschungs- und Technologieprogramms GSTP der ESA entwickelter Kleinsatellit, der von einem Industriekonsortium unter der Führung des belgischen Unternehmens Verhaert gebaut und am 22. Oktober 2001 vom indischen Weltraumbahnhof Sriharikota ins All geschossen wurde. Er wird vom ESA-Kontrollzentrum im belgischen Redu gesteuert. Das vom British National Space Centre (BNSC) finanzierte Bildsystem CHRIS wurde vom britischen Unternehmen SIRA Space gebaut.

Für Proba war ursprünglich eine einjährige Mission zur Demonstration neuer Technologien geplant, seine Lebenszeit wurde jedoch verlängert, sodass er heute als Erdbeobachtungssatellit dient.

Seine einzigartigen Leistungsmerkmale machen Proba auch zu einer wertvollen Ressource bei der Entwicklung der von der ESA vorgeschlagenen Mission SPECTRA (Surface Processes and Ecosystem Changes Through Response Analysis), bei der ein Satellit aus dem Earth Explorer-Programm die terrestrische Vegetation der biologischen Kerngemeinschaften auf der Welt, der so genannten ‚Biome’, untersuchen soll. Wenn SPECTRA zur Entwicklung freigegeben wird, könnte der Start etwa im Jahr 2012 erfolgen.

Die ESA plant, gegen Ende des Jahres 2007 ein Nachfolgemodell mit dem Namen Proba-2 ins All zu schicken. Wie sein Vorgänger soll auch dieser Satellit die Tauglichkeit neuer Technologien und neuer Produkte im Weltraum beweisen.

Das im Rahmen dieser Entwicklungen geplante System soll eine Mission als Sonnenobservatorium und Station zur Plasmamessung erfüllen. Ein neuer Typ von Sonnenspektrometer in Verbindung mit einem leistungsfähigen Flugkörper wird zum ersten Mal Bilder mit hoher Datendichte von der Sonne liefern.
     
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