Studie bringt neue Erkenntnisse zu Ursachen und Auswirkungen des Hochwassers
Wien (bmlfuw) - Die katastrophalen Hochwässer des August 2002 verursachten in Österreich
Schäden in einer Größenordnung von rund drei Milliarden Euro und forderten insgesamt neun Menschenleben.
Unmittelbar nach Ablauf der Ereignisse haben daher das Lebensministerium und das BMVIT gemeinsam eine Studie in
Auftrag gegeben, deren wesentliches Ziel eine umfassende Analyse sowohl der Ursachen des Hochwassers als auch der
Mechanismen der Schadenentstehung ist. Politisches Ziel ist es, die gewonnenen Erkenntnisse als Grundlage für
künftige Verbesserungen (‚Lessons Learned‘) und entsprechende Umsetzungsstrategien heranzuziehen. Im Vorfeld
eines zweitägigen Fachsymposiums am 24. und 25. November 2004 präsentierten Umweltminister Josef Pröll,
Verkehrsstaatssekretär Helmut Kukacka gemeinsam mit dem Studienautor Univ. Prof. DI Dr. Helmut Habersack sowie
dem Schweizerischer Botschafter Dr. Johann Bucher am Mittwoch (03. 11.) in Wien die wesentlichsten Ergebnisse
der Studie der Öffentlichkeit.
Die nunmehr fertig gestellte Studie basiert – in dieser umfassenden Form erstmalig – auf der Zusammenarbeit von
Expertinnen und Experten aus relevanten Bereichen: Meteorologie, Hydrologie, Geomorphologie, Naturgefahren, Schadensbilanzierung,
Recht, Raumordnung und Katastrophenschutz. Zu den Gesamtkosten der Studie von etwa 1,3 Mio. € trug die Schweizerische
Eidgenossenschaft vertreten durch die Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA) mit einem Betrag
von 500.000 SFR (etwa 350.000 €) bei. Koordiniert wurde das Projekt vom Umweltbundesamt Wien. Österreichische
Fachbehörden sowie Expertinnen und Experten aller relevanten Fachgebiete arbeiteten dabei auch eng mit dem
Bundesamt für Wasser und Geologie der Schweiz zusammen.
Zentrale Erkenntnis der Studie ist, dass ein umfassender und vollkommener Hochwasserschutz nicht verwirklicht werden
kann, da der Studie zufolge, die hauptsächliche Ursache der enormen Schäden des Hochwassers 2002 in einer
außergewöhnlichen Kombination von großer räumlicher Ausdehnung und extremer Entfaltung des
Wettergeschehens liegt. Es gilt vor diesem Hintergrund also vorrangig, konkrete Schutzziele eines umfassenden Hochwassermanagements
zu definieren. Diese sind sehr wesentlich der Schutz des menschlichen Lebens, der Schutz der Lebens- und Wirtschaftsgrundlagen,
aber auch der Schutz der Gewässer. Darüber hinaus sind die erforderliche Minderung der Sachschäden,
eine Sicherung des Wiederaufbaus und die Nachhaltigkeit der Maßnahmen bei der Strategieentwicklung ebenfalls
zu berücksichtigen.
Basierend auf den detaillierten Erkenntnissen der Studie formuliert Pröll sieben Schlussfolgerungen, die aus
seiner Sicht für das Umweltministerium in der weiteren Planung und Optimierung des Hochwasserschutzes in Österreich
relevant sein werden:
Angepasste Nutzung durch Raumplanung sicherstellen
- Es muss vorrangig die Nutzung den Eigenschaften des Standortes
angepasst werden und nicht der Standort den Nutzungen.
- Primär sollten Überflutungsflächen der Retention zur Verfügung
stehen, womit häufig auch eine Verbesserung der ökologischen
Situation der Flusslandschaft einhergeht.
Technische Schutzmaßnahmen wo nötig
- Auch wenn Hochwasserschutz vorrangig durch raumwirksame
Maßnahmen (z.B. Sicherung der Überflutungsräume) sichergestellt
werden sollte, wird es auch weiterhin notwendig sein, Leben- und
Wirtschaftsraum durch technische Maßnahmen zu sichern.
- Anhand einiger Beispiele - vor allem dort, wo das
Bemessungsereignis (gerade) nicht überschritten wurde - werden in
nachfolgender Tabelle die Kosten der Herstellung dem im Jahr
2002 verhinderten Schaden gegenüber gestellt:
Gemeinde…
Kosten
Hochwasserschutz
verhinderter Schaden
Pflach (T)
~ 3 Mio. €
~ 9 Mio. €
Kirchdorf (T)
~ 1,8 Mio. €
~ 45 Mio. €
Oberndorf (S)
~ 1,17 Mio. €
~ 13,15 Mio. €
Teichstätt (OÖ)
~ 8,34 Mio. €
~ 5,85 Mio. €
Aspach (OÖ)
~ 2,03 Mio. €
~ 1,46 Mio. €
St. Pölten (NÖ)
~ 29,4 Mio. €
~ 37 Mio. €
Gefahrenkenntnis und Gefahrenbewusstsein fördern
- Gefahrenbewusstsein heißt die Gefahr kennen und dieses Wissen
aktiv bei allen Handlungen angemessen zu berücksichtigen.
- Ebenso sind Extremereignisse oder das mögliche Versagen von
Hochwasserschutzanlagen („Restrisiko“) in die Betrachtungen mit
einzubeziehen.
Anreizsysteme zur Eigenvorsorge fördern
- Mit guter Information und allenfalls geeigneten Anreizen
(Förderung des „hochwassersicheren“ Einbaus von Öltanks, von
hochwasserdichten Kellertüren und -fenstern,
Kanalrückschlagklappen etc.) kann hier vieles erreicht werden.
- Denn nur wer die Gefahr kennt, kann ihr entsprechend begegnen
und mit sinnvollen Maßnahmen dazu beitragen, die möglichen vom
Hochwasser hervorgerufenen Schäden und Gefahren zu vermeiden
oder zumindest zu verringern.
Notfallplanung und Katastrophenschutzmassnahmen ausbauen
- So wie der Brandschutz nicht die Feuerwehr ersetzt, so können
Schutzbauten die Notfallplanung nicht ersetzen.
- Auch umfangreiche Hochwasserschutzmaßnahmen können niemals
eine absolute Sicherheit gewährleisten.
- Es wird stets erforderlich sein, deren Wirkung durch eine
Notfallplanung und Katastrophenschutzmaßnahmen zu ergänzen.
Abstimmung aller Planungen der öffentlichen Hand
- Interessenskonflikte können durch eine Abstimmung sämtlicher
relevanter Planungen vermieden werden.
Finanzielle Vorsorge sicherstellen
- Durch entsprechende Vorsorge ist den Betroffenen der
Wiederbeginn nach einem Ereignis sicherzustellen.
Für das Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie, als das für die Donau zuständiges
Ressort, unterstrich Staatsekretär Mag. Helmut Kukacka, dass sich das BMVIT seiner Aufgaben zum Schutze der
Bevölkerung vor Donauhochwässern und zur Erhaltung bzw. Rückgewinnung von Hochwasserabflussräume
sowie zur Erforschung von Fragen des Schwebstoffmanagements, der Sohlmorphologie, der Hydrologie und schließlich
auch zur Umsetzung operativer Maßnahmen stets bewusst war und ist.
Mit dem Projekt FLOOD RISK ist es nun aber erstmals gelungen im Rahmen einer interdisziplinären, kompetenz-
und fachübergreifenden Zusammenarbeit einen Meilenstein zur Umsetzung eines zukünftigen gesamtheitlichen
Hochwassermanagements sowie auch eines naturverträglichen, nachhaltigen Wasserbau- und Abflussgebietsmanagements
zu setzen.
Gerade diese Erkenntnisse werden nicht nur auf die schutzwasserbaulichen Maßnahmen sondern auf sämtliche
Projekte des BMVIT im Bereich der Bundeswasserstraßenverwaltung wesentlich Einfluss nehmen.
Im Bereich des Schutzwasserbaues hat das BMVIT mit ihrer Bundeswasserstraßenverwaltung im Zusammenwirken
mit den zuständigen Ländern und Gemeinden, aber seit jeher für die Bevölkerung bedeutsame Schutzprojekte
verwirklicht. Seit dem Jahrhunderthochwasser 2002 erfolgten durch das BMVIT Förderungszusagen für Projekte
in rund 23 Gemeinden in Ober – und Niederösterreich. Insgesamt sieht das Förderprogramm des BMVIT 2002
– 2007 einen Finanzrahmen von rund 104 Millionen € für Hochwasserschutzmassnahmen vor.
Als Aktive Hochwasserschutzmaßnahmen wurden und werden weiträumige Dammsysteme samt Überströmstrecken
sowie lokale stationäre Schutzbauten (Mauern und Dämme) für örtliche Gemeinden errichtet. Als
besonders innovative Maßnahmen im Sinne des Landschafts- und Städtebildschutzes sollen hier auch noch
die mobilen Schutzanlagen, wie in Krems bereits errichtet und in Linz geplant, hervorgehoben werden.
Förderungen des BMVIT - Aktiver Hochwasserschutz
Für die Jahre 2002 bis 2007 steht ein Finanzrahmen von rund 46 Millionen Euro für den aktiven
Hochwasserschutz zur Verfügung.
Als passive Hochwasserschutzmaßnahmen wurden bereits in den 70-iger und 80-iger Jahren des vorigen Jahrhunderts,
Dutzende landwirtschaftliche Gehöfte und Wohnhäuser (Schätzwert rd. 3 Mio €) aus dem niederösterreichischen
„Machland Süd“ abgesiedelt.
Förderungen des BMVIT - Passiver Hochwasserschutz
Für den passiven Hochwasserschutz hat das BMVIT rund 58,3 Mio € zur Verfügung gestellt. Projekte
werden in rund 20 Gemeinden umgesetzt. Beispiele sind:
Absiedelung Machland Nord (OÖ) (Gemeinden Baumgarten, Berg, Saxen,
St. Nikola,Grein, Mitterkirchen) rd. € 48,700.000
Absiedelung Strengberg Wallsee, Ardagger (NÖ) rd. € 9,600.000
Derzeit laufen weitere umfangreiche Absiedelungsaktionen im Zuge deren Umsetzung auch wesentliche
- raumordnerische Zielsetzungen wie Aussiedlungsgebietsfeststellungen, Bauverbote, Flächenwidmungen einvernehmlich
zwischen Betroffenen, Gemeinden, Bürgermeistern, Ländern und BMVIT
- Schadenspotentialminimierungen (keine Bauschäden nach Absiedlung),
- hydrologische Abflussoptimierungen (Vergrößerung der Abfluss und Retentionsflächen),
- ökologische Optimierungen (Renaturierungen ursprünglicher Aulandschaften)
in folgenden Absiedelungsbereichen verwirklicht werden konnten:
- „Strengberg, Wallsee und Ardagger“ mit über 100 Absiedelungsobjekten (Schätzwert rd. 40 Mio €) wobei
den Eigentümern 80% des Zeitwertes ihrer Objekte aus Bundesmitteln (50%) und Landesmitteln (30%) nach den
Bestimmungen des Wasserbautenförderungsgesetzes abgelöst werden.
- Das Aussiedelungsprojekt „Machland Nord“ in den Gemeinden Naarn, Baumgartenberg, Mitterkirchen, Saxen, Grein
und St. Nikola mit über 230 Absiedlungsobjekten (Schätzwert rd. 110 Mio.€ ) stellt das derzeit größte
laufende Absiedelungsvorhaben dar wobei den Eigentümern ebenfalls 80% des Wertes ihrer Objekte abgelöst
werden. Im Zuge dieses Vorhabens soll nachfolgend noch das innovative Muster- und Pilotprojekt „Agrarisches Dorfprojekt
Eizenau “ vorgestellt werden.
Agrarmusterdorf Eizenau
Vier bäuerliche Familien aus Eizendorf und Froschau, Gemeinde Saxen planen und bauen derzeit an ihrem
gemeinsamen landwirtschaftlichen Aussiedlerdorf „Eizenau“: mit dem Ziel mögliche Synergien gemeinsam bestmöglich
zu nutzen. Durch die Bildung von Gemeinschaftsprojekten in Form von Kooperationen sollen Kosten gespart, aber auch
die Lebensqualität der bäuerlichen Familien erhöht werden.
Mit der ausschließlich pflanzlich beschickten gemeinsamen Biogasanlage zur Erzeugung von Ökostrom und
Wärme soll die Beheizung der Wohnhäuser, die Heutrocknung, und der Betrieb eines gemeinsamen Glashauses
erfolgen. Durch eine gemeinsame Maschineneinstellhalle mit Nebenräumen und die dazugehörige Manipulationsfläche
soll eine Minimierung der Kosten und eine optimale Nutzung der Bebauungsfläche erfolgen.
Durch eine gemeinsame Infrastruktur, wie gemeinsame Dorf- und Wirtschaftswege, einem gemeinsamen Nutzwasserbrunnen,
etc., können Investitionskosten gespart, der Arbeitsaufwand optimiert und die jeweilige Familie insgesamt
entlastet werden. Im Süden des neuen Dorfes, soll ein gemeinsames „Dorfhaus“ entstehen. Dieses Haus soll im
Wesentlichen aus Materialien – vor allem Holz - der ehemaligen Häuser und hoher Eigenleistung errichtet werden,
um den Schritt vom alten zum neuen Standort in der Dorfgemeinschaft zu dokumentieren. Die Nutzung des Hauses dient
für Familienfeiern und Feste und kann in Form von Direktvermarktung erweitert werden.
Abschließend darf betont werden, dass das Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie
die im Rahmen des Flood Risk - Projektes initiierte kompetenz- und fachübergreifende Zusammenarbeit begrüßt
und auch in Zukunft weitergehende Initiativen zur Realisierung eines integrierten Hochwassermanagements im Rahmen
seiner Möglichkeiten unterstützen wird.
Die Broschüre ist im Internet unter: http://www.lebensministerium.at/publikationen
im Bereich Wasser bereits verfügbar.
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