Industrie:
"Wirtschaftswachstum braucht Versorgungssicherheit"
IWI-Studie untersuchte Auswirkungen nicht getätigter Investitionen bei ungenügender
Stromversorgung: volkswirtschaftlicher Schaden wäre beträchtlich
Wien (pdi) - Um die Zusammenhänge von volkswirtschaftlicher Entwicklung und Energie- versorgung zu
erheben, hat die Industriellenvereinigung (IV) beim Industriewissenschaftlichen Institut (IWI) eine Studie in Auftrag
gegeben, die Dienstag (02. 11.) in Wien präsentiert wurde.
IV-Generalsekretär Mag. Markus Beyrer verwies bei der Präsentation der ersten Ergebnisse erneut auf die
im September präsentierte IV-Energiecharta: „In unserer IV-Energiecharta ist das Thema Versorgungssicherheit
einer der Hauptpunkte. Damit wollen wir die Diskussionen der vergangenen Monate, die über Einzelthemen wie
Ökostrom, Ölpreis, Netztarife etc. liefen, auf eine breitere Basis stellen.“
Die gesicherte Stromversorgung werde in den nächsten Jahren für die Wachstums-Chancen von Wirtschaftsregionen
bestimmend sein. „Verfügbare Energie-Infrastruktur ist ein neuralgischer Faktor in der Energiepolitik. Haushalt,
Gewerbe und insbesondere die Industrie sind auf eine hohe Versorgungssicherheit und -qualität angewiesen“,
erklärte Beyrer.
Mangelnde Stromversorgung als Investitionsbremse
Anhand des fiktiven Beispiels einer wegen unsicherer Stromversorgung nicht getätigten Investition von 500
Mio. € (Papiermaschine) im Süden Österreichs wurden die Auswirkungen auf Produktion, Wertschöpfung
und Beschäftigung beleuchtet. „Der tatsächliche ,Schaden’ in Form von Opportunitätskosten übersteigt
signifikant das ursprüngliche Investitionsvolumen, weil eine moderne Volkswirtschaft im höchsten Grad
arbeitsteilig produziert“, erklärte Univ-Prof. Dr. Mikulaš Luptác(ik, Wissenschaftlicher Leiter des
IWI. „Diese Investition generiert in der gesamten Wirtschaft eine Bruttoproduktion im Ausmaß von insgesamt
(direkt und indirekt)
776 Mio. €, wobei die Auswirkungen auf den Dienstleistungssektor und den produzierenden Sektor am stärksten
wären.“
Luptacik befürchtet, „dass Strom in Zukunft zu einem strukturbestimmenden Element in der Österreichischen
Volkswirtschaft wird, in dem unter anderem das Wachstum energieintensiver Wirtschaftszweige gebremst wird, die
sich in einer langfristigen Betrachtung als überdurchschnittlich produktiv erweisen.“
In der sehr umfassenden volkswirtschaftlichen Betrachtung - bei zusätzlicher Berücksichtigung so genannter
konsuminduzierter Effekte - lassen sich bei einem realisierten Investitionsvolumen von 500 Mio. € über die
gesamte Volkswirtschaft bis zu 9.500 Arbeitsplätze generieren.
Stromversorgung als Wachstumshindernis der Zukunft?
Das IWI hat auch ein Szenario konstruiert, in dem aufgrund einer Kapazitätsbeschränkung im Stromsektor
ein gleichmäßiger Anstieg des inländischen Konsums, der Investitionen sowie der Exporte im Ausmaß
von 1% nicht mehr bedient werden kann. Die simulierte Überlastung des vorhandenen Stromleitungssystems führt
zu einem Produktionsentgang für die gesamte Volkswirtschaft, der mit einer nicht realisierten Wertschöpfung
sowie Beschäftigung einhergeht. Diese Strommenge wäre prinzipiell verfügbar, kann bei gegebener
Stromversorgungsinfrastruktur (hier insbes. Hochspannungsleitungsnetz) aber nicht vor allem überregional zum
Verbraucher transportiert werden.
Die österreichische Volkswirtschaft könnte 3,4 Mrd. € an Bruttoproduktion verlieren, die mit einem Wertschöpfungsverlust
von 1,7 Mrd. € verbunden ist. Der Beschäftigungsentgang beläuft sich in dem Szenario auf 38.532 Beschäftigungs-verhältnisse
beziehungsweise 32.408 Vollzeitäquivalente. Besonders stark getroffen werden die Sachgütererzeugung,
das Bauwesen sowie die industrienahen Dienstleistungen.
Die Gefährdung des Wirtschaftswachstums ist in jenen Regionen am eklatantesten, in denen es keine „Energiepolster“
gibt. Sehr stark davon betroffen ist beispielsweise die Steiermark. Mit einem durchschnittlichen nominellen Wirtschaftswachstum
in den vergangenen Jahren von rund 3,7%.
Beyrer erklärte dazu: „Große Schwachstellen sehen wir im Stromnetz in Österreich im fehlenden Lückenschluss
beim 380 kV-Leitungsring in der Steiermark und in Salzburg/Oberösterreich. Wir brauchen eine Versachlichung
der Diskussion über die 380 kV-Leitung im Interesse aller.“
Ing. Mag. Peter Koren, stv. Generalsekretär der IV, erläuterte: „Ein Genehmigungs-verfahren, das wie
bei der 380 kV-Leitung in der Steiermark schon 20 Jahre dauert, ist für einen liberalisierten Markt zu lange
und führt zu steigender Unsicherheit bei den produzierenden Unternehmen im Süden Österreichs.“
Die vom IWI dargestellten Dominoeffekte bei nicht getätigten Investitionen aufgrund einer unsicheren Stromversorgung
sind ein deutliches Warnsignal. Die Engpassmanagementkosten (Kosten für Strom aus teuren Kraftwerken, die
eingeschaltet werden müssen, um den Netzzusammenbruch im Süden Österreichs zu verhindern) betrugen
im Jahr 2003 in der Steiermark 8,9 Mio. €.
Für das Jahr 2004 werden 14 Mio. € und für das Jahr 2005 rund 25 Mio. € geschätzt.„Diese Kosten
müssen derzeit alle Stromkonsumenten zwischen Salzburg und dem Burgenland wegen des fehlenden Leitungsstückes
in der Steiermark berappen“, stellte Koren fest.
Blackout - volkswirtschaftlicher Schaden trifft produzierenden Sektor am stärksten
Bei diesem Szenario wurde untersucht, welche Auswirkungen eine Stunde Totalausfall in der „Regelzone Ost“
auf die Produktion, die Wertschöpfung und die Beschäftigung hat.
In Summe können in der gesamten österreichischen Volkswirtschaft aufgrund des nicht ausgeschöpften
Wertschöpfungspotenzials von 21,4 Mio. € insgesamt
41,4 Mio. € an Produktion nicht generiert werden. Dabei ist die Sachgütererzeugung mit knapp einem Viertel
(23,2%) am stärksten betroffen. Durch einen Ausfall in der Steiermark könnten auch andere Teile des österreichischen
Netzes, die dann die betreffende Versorgung übernehmen sollten und so selbst über der Belastungsgrenze
operieren, wegbrechen.
Steiermark: 380 kV-Leitung bis Ende 2006 erforderlich!
Koren betonte dazu: „Die Steiermark hat in den letzten Jahren enorm wirtschaftlich aufgeholt, diese Erfolgsstory
muss nun abgesichert werden. Deshalb muss in der Steiermark wirklich dringend der Netzausbau erfolgen“. Der Lückenschluss
der 380 kV-Leitung muss spätestens bis zur Schließung des Kohlekraftwerks Voitsberg Ende 2006 fertiggestellt
sein.
Die jetzt gelegentlich diskutierte Erdverlegung der Leitung ist in der Steiermark keine Lösung. „Diese Variante
wäre 8 bis 10 mal teurer und führt zu erheblichen nachteiligen Umweltauswirkungen. Die Forderung nach
einer Erdverlegung kommt klar von Gegnern der Leitung, die deren Errichtung noch weiter hinauszögern wollen“,
erklärt Koren angesichts von Aussagen einiger Herren in der steirischen Landespolitik.
Energie-Generalplan für Österreich schaffen - Energiepolitik aus einer Hand nötig!
IV-Generalsekretär Beyrer erklärte abschließend: „Österreich braucht eine breite Diskussion,
denn die Versorgung mit Energie ist für unsere Chancen als Produktionsstandort in der Zukunft entscheidend.
Unser Land braucht einen Energie-Generalplan, der als Konzept für eine österreichische Energiezukunft
dient. Für eine zukunftsorientierte, sichere und leistbare Versorgung sind die Kompetenzen des Energieministers
zu stärken“. Im Zusammenhang mit Infrastrukturprojekten (Strassen, Schienen, Stromnetze, Kraftwerke etc.)
sieht die IV insbesondere die Notwendigkeit für eine übergeordnete Raumordnungs-Kompetenz. |
Moser: Energiepolitik Bartensteins bricht in sich zusammen
IV-Studie bestätigt SPÖ-Kritik an Versäumnissen am Energiesektor
Wien (sk) - Erfreut zeigte sich SPÖ-Wirtschaftssprecher Johann Moser, dass nun auch die Industriellenvereinigung,
so wie die SPÖ die Notwendigkeit eines Generalinvestitionsplanes für den Energiesektor erkennt. In einer
Studie habe die IV die Kritik der SPÖ bestätigt, dass die Versorgungssicherheit bei Strom im Süden
Österreichs aufgrund fehlender Leitungen nicht vorhanden sei und dass sich diese Fehlentwicklung auf den Standort
Österreich auswirkt, da sich die mangelhafte Versorgung als Investitionsbremse und damit als Wachstumsbremse
auswirken werde.
"Seit 18 Jahren sind ÖVP-Wirtschaftsminister nicht imstande die fehlenden Leitungskapazitäten in
der Steiermark und in Salzburg zu errichten. In beiden Bundesländern waren noch dazu ÖVP-Landeshauptleute
am Ruder und trotzdem ist nichts weiter gegangen", so Moser am Dienstag (02. 11.) gegenüber dem
SPÖ-Pressedienst. Er wies darauf hin, dass die Stromliberalisierung gescheitert sei und die Energiepolitik
von Wirtschaftsminister Bartenstein wie ein "Kartenhaus" in sich zusammenbreche.
"Wir haben jetzt nach der sogenannten Liberalisierung höhere Strompreise, eine geringere Versorgungssicherheit
weniger Investition im Energiesektor und müssen sogar Strom importieren", kritisierte Moser. Bartenstein
und die steirische Landeshauptfrau Klasnic seien nicht imstande die Versorgungssicherheit in der Steiermark herzustellen.
Die Auswirkungen werden mittelfristig sehr nachteilig für das Bundesland und letztlich für ganz Österreich
sein, so Moser. Trotz dieser äußerst nachteiligen Situation sei nicht sichtbar, dass diese unhaltbaren
Zustände am Energiesektor rasch beseitigt werden sollen. |
Glawischnig: Bei Ökostromgesetz muss es ein Zurück an den Start geben
Umweltpolitikerinnen üben heftig Kritik an Energie- und Klimaschutzpolitik der Regierung
Wien (grüne) - Anlässlich eines gestern und heute (01. und 02. 11.) stattfindenden
Treffens der UmweltpolitikerInnen der Grünen aus dem Bund und den Bundesländern, üben diese heftige
Kritik an der Energie- und Klimaschutzpolitik der Regierung. Ein besonderer Dorn im Auge ist den Grünen die
Regierungsvorlage zum Ökostromgesetz. "Diese Ökostromnovelle bedeutet eine massive Verschlechterung
der Rahmenbedingungen für Ökoenergie, sie ist ein schwerer Rückschlag für Klimaschutz und eine
Schwächung des Öko-Wirtschaftsstandortes Österreich", so die GrünpolitikerInnen Eva Glawischnig,
(stv. Bundessprecherin), Christoph Chorherr (Wien), Georg Willi (Tirol) Johannes Rauch (Vorarlberg), Martin Fasan
(Niederösterreich) und Heidi Reiter (Salzburg) unisono. Es sei völlig unverständlich, dass Umweltminister
Pröll dieses Gesetz nicht beeinsprucht habe. "Sollten die Grünen eine Regierungsbeteiligung erreichen,
dann soll dieses schlechte Gesetz rückgängig gemacht werden", verspricht Glawischnig.
Gerade angesichts der weitergehenden Ölpreissteigerungen, die fix zu erwarten seien, sei es notwendig über
Alternativen zum Erdöl nachzudenken. Dazu komme, dass durch die Ratifizierung von Russland das in Kyoto ausgehandelte
Klimaschutzprotokoll in Kraft trete. "Umso unverständlicher ist der Kurs der Bundesregierung, mit der
das Kyoto-Ziel für Österreich sicher nicht erreicht werden kann. Für das Ökostromgesetz kann
es nur eine Lösung geben: Zurück zum Start", so Glawischnig.
Diskutiert werden bei diesem Treffen auch über internationale Vorzeigebeispiele. In Deutschland etwa seien
im Bereich Erneuerbarer Energie mehr Arbeitsplätze geschaffen worden als in der Atomwirtschaft. Zudem seien
gewaltige Expolterfolge eingefahren worden, berichtete Glawischnig. - Den Abschluss des Treffens bildet die Besichtigung
von mehreren Vorzeigeprojekten in Niederösterreich, wie etwa eines Passivhauses in der Nähe von St. Pölten.
|