Wirtschaftspolitik / Energie  

erstellt am
03. 11. 04

Industrie: "Wirtschaftswachstum braucht Versorgungssicherheit"
IWI-Studie untersuchte Auswirkungen nicht getätigter Investitionen bei ungenügender Stromversorgung: volkswirtschaftlicher Schaden wäre beträchtlich
Wien (pdi) - Um die Zusammenhänge von volkswirtschaftlicher Entwicklung und Energie- versorgung zu erheben, hat die Industriellenvereinigung (IV) beim Industriewissenschaftlichen Institut (IWI) eine Studie in Auftrag gegeben, die Dienstag (02. 11.) in Wien präsentiert wurde.

IV-Generalsekretär Mag. Markus Beyrer verwies bei der Präsentation der ersten Ergebnisse erneut auf die im September präsentierte IV-Energiecharta: „In unserer IV-Energiecharta ist das Thema Versorgungssicherheit einer der Hauptpunkte. Damit wollen wir die Diskussionen der vergangenen Monate, die über Einzelthemen wie Ökostrom, Ölpreis, Netztarife etc. liefen, auf eine breitere Basis stellen.“

Die gesicherte Stromversorgung werde in den nächsten Jahren für die Wachstums-Chancen von Wirtschaftsregionen bestimmend sein. „Verfügbare Energie-Infrastruktur ist ein neuralgischer Faktor in der Energiepolitik. Haushalt, Gewerbe und insbesondere die Industrie sind auf eine hohe Versorgungssicherheit und -qualität angewiesen“, erklärte Beyrer.

Mangelnde Stromversorgung als Investitionsbremse
Anhand des fiktiven Beispiels einer wegen unsicherer Stromversorgung nicht getätigten Investition von 500 Mio. € (Papiermaschine) im Süden Österreichs wurden die Auswirkungen auf Produktion, Wertschöpfung und Beschäftigung beleuchtet. „Der tatsächliche ,Schaden’ in Form von Opportunitätskosten übersteigt signifikant das ursprüngliche Investitionsvolumen, weil eine moderne Volkswirtschaft im höchsten Grad arbeitsteilig produziert“, erklärte Univ-Prof. Dr. Mikulaš Luptác(ik, Wissenschaftlicher Leiter des IWI. „Diese Investition generiert in der gesamten Wirtschaft eine Bruttoproduktion im Ausmaß von insgesamt (direkt und indirekt)
776 Mio. €, wobei die Auswirkungen auf den Dienstleistungssektor und den produzierenden Sektor am stärksten wären.“

Luptacik befürchtet, „dass Strom in Zukunft zu einem strukturbestimmenden Element in der Österreichischen Volkswirtschaft wird, in dem unter anderem das Wachstum energieintensiver Wirtschaftszweige gebremst wird, die sich in einer langfristigen Betrachtung als überdurchschnittlich produktiv erweisen.“

In der sehr umfassenden volkswirtschaftlichen Betrachtung - bei zusätzlicher Berücksichtigung so genannter konsuminduzierter Effekte - lassen sich bei einem realisierten Investitionsvolumen von 500 Mio. € über die gesamte Volkswirtschaft bis zu 9.500 Arbeitsplätze generieren.

Stromversorgung als Wachstumshindernis der Zukunft?
Das IWI hat auch ein Szenario konstruiert, in dem aufgrund einer Kapazitätsbeschränkung im Stromsektor ein gleichmäßiger Anstieg des inländischen Konsums, der Investitionen sowie der Exporte im Ausmaß von 1% nicht mehr bedient werden kann. Die simulierte Überlastung des vorhandenen Stromleitungssystems führt zu einem Produktionsentgang für die gesamte Volkswirtschaft, der mit einer nicht realisierten Wertschöpfung sowie Beschäftigung einhergeht. Diese Strommenge wäre prinzipiell verfügbar, kann bei gegebener Stromversorgungsinfrastruktur (hier insbes. Hochspannungsleitungsnetz) aber nicht vor allem überregional zum Verbraucher transportiert werden.

Die österreichische Volkswirtschaft könnte 3,4 Mrd. € an Bruttoproduktion verlieren, die mit einem Wertschöpfungsverlust von 1,7 Mrd. € verbunden ist. Der Beschäftigungsentgang beläuft sich in dem Szenario auf 38.532 Beschäftigungs-verhältnisse beziehungsweise 32.408 Vollzeitäquivalente. Besonders stark getroffen werden die Sachgütererzeugung, das Bauwesen sowie die industrienahen Dienstleistungen.

Die Gefährdung des Wirtschaftswachstums ist in jenen Regionen am eklatantesten, in denen es keine „Energiepolster“ gibt. Sehr stark davon betroffen ist beispielsweise die Steiermark. Mit einem durchschnittlichen nominellen Wirtschaftswachstum in den vergangenen Jahren von rund 3,7%.

Beyrer erklärte dazu: „Große Schwachstellen sehen wir im Stromnetz in Österreich im fehlenden Lückenschluss beim 380 kV-Leitungsring in der Steiermark und in Salzburg/Oberösterreich. Wir brauchen eine Versachlichung der Diskussion über die 380 kV-Leitung im Interesse aller.“

Ing. Mag. Peter Koren, stv. Generalsekretär der IV, erläuterte: „Ein Genehmigungs-verfahren, das wie bei der 380 kV-Leitung in der Steiermark schon 20 Jahre dauert, ist für einen liberalisierten Markt zu lange und führt zu steigender Unsicherheit bei den produzierenden Unternehmen im Süden Österreichs.“

Die vom IWI dargestellten Dominoeffekte bei nicht getätigten Investitionen aufgrund einer unsicheren Stromversorgung sind ein deutliches Warnsignal. Die Engpassmanagementkosten (Kosten für Strom aus teuren Kraftwerken, die eingeschaltet werden müssen, um den Netzzusammenbruch im Süden Österreichs zu verhindern) betrugen im Jahr 2003 in der Steiermark 8,9 Mio. €.

Für das Jahr 2004 werden 14 Mio. € und für das Jahr 2005 rund 25 Mio. € geschätzt.„Diese Kosten müssen derzeit alle Stromkonsumenten zwischen Salzburg und dem Burgenland wegen des fehlenden Leitungsstückes in der Steiermark berappen“, stellte Koren fest.

Blackout - volkswirtschaftlicher Schaden trifft produzierenden Sektor am stärksten
Bei diesem Szenario wurde untersucht, welche Auswirkungen eine Stunde Totalausfall in der „Regelzone Ost“ auf die Produktion, die Wertschöpfung und die Beschäftigung hat.

In Summe können in der gesamten österreichischen Volkswirtschaft aufgrund des nicht ausgeschöpften Wertschöpfungspotenzials von 21,4 Mio. € insgesamt
41,4 Mio. € an Produktion nicht generiert werden. Dabei ist die Sachgütererzeugung mit knapp einem Viertel (23,2%) am stärksten betroffen. Durch einen Ausfall in der Steiermark könnten auch andere Teile des österreichischen Netzes, die dann die betreffende Versorgung übernehmen sollten und so selbst über der Belastungsgrenze operieren, wegbrechen.

Steiermark: 380 kV-Leitung bis Ende 2006 erforderlich!
Koren betonte dazu: „Die Steiermark hat in den letzten Jahren enorm wirtschaftlich aufgeholt, diese Erfolgsstory muss nun abgesichert werden. Deshalb muss in der Steiermark wirklich dringend der Netzausbau erfolgen“. Der Lückenschluss der 380 kV-Leitung muss spätestens bis zur Schließung des Kohlekraftwerks Voitsberg Ende 2006 fertiggestellt sein.

Die jetzt gelegentlich diskutierte Erdverlegung der Leitung ist in der Steiermark keine Lösung. „Diese Variante wäre 8 bis 10 mal teurer und führt zu erheblichen nachteiligen Umweltauswirkungen. Die Forderung nach einer Erdverlegung kommt klar von Gegnern der Leitung, die deren Errichtung noch weiter hinauszögern wollen“, erklärt Koren angesichts von Aussagen einiger Herren in der steirischen Landespolitik.

Energie-Generalplan für Österreich schaffen - Energiepolitik aus einer Hand nötig!
IV-Generalsekretär Beyrer erklärte abschließend: „Österreich braucht eine breite Diskussion, denn die Versorgung mit Energie ist für unsere Chancen als Produktionsstandort in der Zukunft entscheidend. Unser Land braucht einen Energie-Generalplan, der als Konzept für eine österreichische Energiezukunft dient. Für eine zukunftsorientierte, sichere und leistbare Versorgung sind die Kompetenzen des Energieministers zu stärken“. Im Zusammenhang mit Infrastrukturprojekten (Strassen, Schienen, Stromnetze, Kraftwerke etc.) sieht die IV insbesondere die Notwendigkeit für eine übergeordnete Raumordnungs-Kompetenz.

 

 Moser: Energiepolitik Bartensteins bricht in sich zusammen
IV-Studie bestätigt SPÖ-Kritik an Versäumnissen am Energiesektor
Wien (sk) - Erfreut zeigte sich SPÖ-Wirtschaftssprecher Johann Moser, dass nun auch die Industriellenvereinigung, so wie die SPÖ die Notwendigkeit eines Generalinvestitionsplanes für den Energiesektor erkennt. In einer Studie habe die IV die Kritik der SPÖ bestätigt, dass die Versorgungssicherheit bei Strom im Süden Österreichs aufgrund fehlender Leitungen nicht vorhanden sei und dass sich diese Fehlentwicklung auf den Standort Österreich auswirkt, da sich die mangelhafte Versorgung als Investitionsbremse und damit als Wachstumsbremse auswirken werde.

"Seit 18 Jahren sind ÖVP-Wirtschaftsminister nicht imstande die fehlenden Leitungskapazitäten in der Steiermark und in Salzburg zu errichten. In beiden Bundesländern waren noch dazu ÖVP-Landeshauptleute am Ruder und trotzdem ist nichts weiter gegangen", so Moser am Dienstag (02. 11.) gegenüber dem SPÖ-Pressedienst. Er wies darauf hin, dass die Stromliberalisierung gescheitert sei und die Energiepolitik von Wirtschaftsminister Bartenstein wie ein "Kartenhaus" in sich zusammenbreche.

"Wir haben jetzt nach der sogenannten Liberalisierung höhere Strompreise, eine geringere Versorgungssicherheit weniger Investition im Energiesektor und müssen sogar Strom importieren", kritisierte Moser. Bartenstein und die steirische Landeshauptfrau Klasnic seien nicht imstande die Versorgungssicherheit in der Steiermark herzustellen. Die Auswirkungen werden mittelfristig sehr nachteilig für das Bundesland und letztlich für ganz Österreich sein, so Moser. Trotz dieser äußerst nachteiligen Situation sei nicht sichtbar, dass diese unhaltbaren Zustände am Energiesektor rasch beseitigt werden sollen. 

 

 Kopf: SPÖ fehlt es an energiepolitischem Basiswissen
Österreich bei Versorgungssicherheit im EU-Spitzenfeld
Wien (övp-pk) - Als "erneuten Hinweis auf das fehlende energiepolitische Basiswissen bei der SPÖ" bezeichnete ÖVP-Energiesprecher Karlheinz Kopf am Dienstag (02. 11.) die jüngsten Aussagen von SPÖ-Wirtschaftssprecher Moser zur Energiepolitik. Moser arbeite mit Argumenten aus den 70er Jahren und verstehe offensichtlich nichts von Marktliberalisierung. "Von einem 'Zusammenbrechen' der heimischen Energiepolitik kann wohl nicht die Rede sein. Die Aussagen Mosers sind daher zurückzuweisen", so Kopf. Vielmehr gehöre Österreich in Sachen Versorgungszuverlässigkeit in Europa zu den Besten. Dies sei das Ergebnis einer umsichtigen Energiepolitik und vorausschauenden Planung in den letzten Jahrzehnten, so Kopf.

Die Dauer der Stromunterbrechungen pro Kunden/Jahr sei laut e- Control im Jahr 2003 bei 51,22 Minuten gelegen. "Damit sind wir im europäischen Vergleich im absoluten Spitzenfeld. Diese hohe Versorgungszuverlässigkeit ist für den Wirtschaftsstandort Österreich und seine weitere Entwicklung enorm wichtig und eine Zukunftsfrage." Zur Frage der Versorgungs- sicherheit bei Strom im Süden Österreichs sagte der ÖVP-Energiesprecher, eine 380KV- Leitung werde diese weiter erhöhen. Die entsprechende Umweltverträglichkeitsprüfung in der Steiermark sei auf gutem Weg, so der ÖVP-Energiesprecher abschließend.

 

 Glawischnig: Bei Ökostromgesetz muss es ein Zurück an den Start geben
Umweltpolitikerinnen üben heftig Kritik an Energie- und Klimaschutzpolitik der Regierung
Wien (grüne) - Anlässlich eines gestern und heute (01. und 02. 11.) stattfindenden Treffens der UmweltpolitikerInnen der Grünen aus dem Bund und den Bundesländern, üben diese heftige Kritik an der Energie- und Klimaschutzpolitik der Regierung. Ein besonderer Dorn im Auge ist den Grünen die Regierungsvorlage zum Ökostromgesetz. "Diese Ökostromnovelle bedeutet eine massive Verschlechterung der Rahmenbedingungen für Ökoenergie, sie ist ein schwerer Rückschlag für Klimaschutz und eine Schwächung des Öko-Wirtschaftsstandortes Österreich", so die GrünpolitikerInnen Eva Glawischnig, (stv. Bundessprecherin), Christoph Chorherr (Wien), Georg Willi (Tirol) Johannes Rauch (Vorarlberg), Martin Fasan (Niederösterreich) und Heidi Reiter (Salzburg) unisono. Es sei völlig unverständlich, dass Umweltminister Pröll dieses Gesetz nicht beeinsprucht habe. "Sollten die Grünen eine Regierungsbeteiligung erreichen, dann soll dieses schlechte Gesetz rückgängig gemacht werden", verspricht Glawischnig.

Gerade angesichts der weitergehenden Ölpreissteigerungen, die fix zu erwarten seien, sei es notwendig über Alternativen zum Erdöl nachzudenken. Dazu komme, dass durch die Ratifizierung von Russland das in Kyoto ausgehandelte Klimaschutzprotokoll in Kraft trete. "Umso unverständlicher ist der Kurs der Bundesregierung, mit der das Kyoto-Ziel für Österreich sicher nicht erreicht werden kann. Für das Ökostromgesetz kann es nur eine Lösung geben: Zurück zum Start", so Glawischnig.

Diskutiert werden bei diesem Treffen auch über internationale Vorzeigebeispiele. In Deutschland etwa seien im Bereich Erneuerbarer Energie mehr Arbeitsplätze geschaffen worden als in der Atomwirtschaft. Zudem seien gewaltige Expolterfolge eingefahren worden, berichtete Glawischnig. - Den Abschluss des Treffens bildet die Besichtigung von mehreren Vorzeigeprojekten in Niederösterreich, wie etwa eines Passivhauses in der Nähe von St. Pölten.
     
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