Totalwerbeverbot für Tabakwaren bedroht heimische Wirtschaft  

erstellt am
03. 11. 04

Werbewirtschaft und Handel gegen geplante überfallsartige und rigorose Umsetzung von EU-Bestimmungen in nationales Recht durch Novelle des Tabakgesetzes
Wien (pwk) - "Mit allen zu Gebote stehenden Mitteln" will sich die Wirtschaft gegen eine Novelle des österreichischen Tabakgesetzes zur Wehr setzen, sollte diese in der Form, wie sie in einem jüngst ausgeschickten Entwurf des Gesundheitsministeriums festgeschrieben steht, umgesetzt werden. "Kommt die Novelle in der vorgesehenen Form, würde das ein totales Kommunikations- und Werbeverbot in Sachen Tabakwaren bedeuten", so Thomas Gams, stellvertretender Obmann des Fachverbandes Werbung + Marktkommunikation der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ) am Dienstag (02. 11.) vor Journalisten. Ziel der Gesetzesnovelle ist die Umsetzung von EU-Bestimmungen in nationales Recht.

Bei der Umsetzung presche Österreich mit seinem Entwurf aber in mehreren Punkten vor, wie Gams und Konrad Maric, der Beauftragte des Fachverbandes Werbung für internationale Kontakte, ausführten:

  • Österreich lege ohne ersichtliche Notwendigkeit eine unverhältnismäßige, überschießende Strenge an den Tag: Natürlich, so Maric, anerkenne die Werbewirtschaft den Schutz für Konsumenten, vor allem für Kinder und Jugendliche, aber: "Verbote bringen in diesem Zusammenhang nichts!"
  • Weiters werde überstürzt gehandelt: Denn eine europaweit einheitliche Definition von Werbung bzw. Sponsoring sei auf EU-Ebene zwar in Ausarbeitung, das Ergebnis stehe aber noch aus. Aus Sicht der Werbewirtschaft wäre es besser, das Ergebnis abzuwarten und sich in Österreich daran zu orientieren.
  • Fehlende Übergangsfristen: Die österreichische Regelung soll am 1. Jänner 2005 in Kraft treten. Das sei um ein halbes Jahr schneller als von der EU mit 1.7.2005 vorgeschrieben. Michael Nitsche, als CEO der Agentur Saatchi & Saatchi in Österreich, formulierte es im Bezug auf die Planung für das kommende Jahr pointiert: "Man wird es kaum glauben, aber wir fangen nicht erst am 23. Dezember an zu überlegen, was wir im ersten Halbjahr 2005 machen werden."

Vor diesem Hintergrund richtet die heimische (Werbe-)Wirtschaft folgende Forderungen an die österreichische Bundesregierung:

  • Verschiebung der Umsetzung der EU-Regulative so lange, bis der Europäische Gerichtshof (EuGH) bezüglich einer einheitlichen Definition entschieden hat.
  • Festlegung realistischer Übergangsfristen im Ausmaß von 2 Jahren
  • Werbung am Point of Sale muss weiterhin zuverlässig sein

Weiters beklagten die Werber im Zusammenhang mit der Gesetzesnovelle das Vorgehen des Gesetzgebers: Nur knapp eine Woche habe man Zeit gehabt, zum Inhalt der Gesetzesnovelle Stellung zu nehmen. "Überfallsartig" nannten das Gams, Maric und Nitsche unisono.

Gerhard Strejcek, ao. Universitätsprofessor am Institut für Staats- und Verwaltungsrecht der Universität Wien, sieht bei einer Umsetzung der EU-Richtlinie die Möglichkeit, dass der Europäische Gerichtshof (EuGH) die österreichische Lösung zu Fall bringt. Er zeigte angesichts der Relevanz des Themas kein Verständnis dafür, warum der Gesetzgeber mit der Kommunikationsbranche nicht den Weg der Selbstregulierung beschritten habe, der ja mit der Gastronomie funktioniere: "Gleich die Gesamtkommunikation für Tabakwaren zu verbieten, ist absurd." Der Gesetzgeber wäre, so der Verwaltungsrechtler, daher gut beraten, die überschießenden Regelungen bereits jetzt zu überarbeiten.

Rolf Gleißner, Geschäftsführer des Bundesgremiums der Tabaktrafikanten der WKÖ, vermisst im Entwurf zur Gesetzesnovelle das sensible Vorgehen im Bezug darauf, dass Tabakfachgeschäfte in Österreich überwiegend von Menschen mit Behinderung betrieben werden. Und er gab zu bedenken, dass gerade die Tabakindustrie viel in neue Produkte mit geringeren Inhaltsstoffen investiere: "Diese Innovationen sollen dann am Point of Sale, vor und in der Trafik, nicht mehr beworben werden dürfen?" Das gefährde die Lebensgrundlage von etwa 8000 Tabaktrafikanten, darunter eben vieler behinderter Menschen. Daher überlegen auch die Trafikanten, so Gleißner, für den Fall, dass die Gesetzesnovelle wie vorgesehen kommen sollte, intensive Aktivitäten zur Information ihrer Kunden.

Auch Werber Nitsche beklagte die Bereitschaft, mit einem Totalkommunikationsverbot Arbeitsplätze zu vernichten. Außerdem sehe das geplante Gesetz die Konsumenten als "reduziert, verdümmlicht und unmündig an - "und das ist das, was mich am meisten stört". Sein Blick in die Zukunft fiel eher pessimistisch aus: "Wenn das so weitergeht, werden wir bald nur mehr Dinge tun, die verboten sind."

Dennoch gebe man die Hoffnung nicht auf und setze auf Gespräche mit dem Gesundheitsministerium - wozu dort bereits Bereitschaft signalisiert wurde, so der Fachverbandsobmann-Stellvertreter Gams abschließend.

     
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