"Vertriebenes Lachen"  

erstellt am
15. 11. 04

Deutschsprachige Filmkomödien vor und nach 1933 – 19. November bis 2. Dezember 2004 im Metro Kino
Wien (filmarchiv) - Der Aufstieg des Schauspielers Hans Moser stand zweifellos auch im Zusammenhang mit dem Exodus jüdischer Komiker. Nach 1933 hatte der Wiener praktisch keine direkte Konkurrenz mehr. Wirtschaftsdepression, politische Unsicherheit und Zukunftspessimismus, das waren die gesellschaftlichen Koordinaten, welche in der Weimarer Republik, aber auch in Österreich die Produktion durchaus exzeptioneller Filmkomödien begünstigten. Die Machtübernahme der Nationalsozialisten in Deutschland bedeutete für das Genre einen radikalen Einschnitt. Großartige Komiker wie Sigi Arno, Curt Bois, Felix Bressart, Fritz Grünbaum, Kurt Lilien oder Paul Morgan mussten emigrieren. Viele starben später in den Vernichtungslagern der Nationalsozialisten. Der von ihnen geprägte jüdische Witz und Humor prägte aber weiterhin die deutschsprachigen Filmkomödien und Tonfilmoperetten. In Kooperation mit Cinegraph Hamburg zeigt das Filmarchiv Austria im Rahmen des auch in Hamburg, Berlin und Zürich veranstalteten Festivals CINEFEST wesentliche Beispiele herausragender Filmkomödien vor und nach 1933.

"Vertriebenes Lachen" zeigt rare, bemerkenswerte Genrearbeiten vor 1933 wie "Keine Feier ohne Meyer" (D 1931, R.: Carl Boese, u.a. mit Sigi Arno, Maly Delschaft, Dina Gralla und Adele Sandrock), "Die schwebende Jungfrau" (D 1931, R.: Carl Boese, u.a. mit Szöke Szakall, Dina Gralla, Fritz Schulz, Adele Sandrock, Kurt Lilien und Max Ehrlich), "Ich bin bei Tag und du bei Nacht" (D 1932, R.: Ludwig Berger, u.a. mit Käthe von Nagy, Willy Fritsch, Ida Wüst, Kurt Lilien und den Comedian Harmonists), "Die vom Rummelplatz" (D 1930, R.: Carl Lamac, u.a. mit Sigi Arno, Anny Ondra, Max Ehrlich, Kurt Gerron und Paul Morgan) oder auch "Lachende Erben" (D 1933, u.a. mit Heinz Rühmann, Max Adalbert, Ida Wüst, Lizzi Waldmüller und Julius Falkenstein), die letzte Regie-Arbeit von Max Ophüls vor der Emigration.

Die wenigen gelungenen Filmkomödien nach der NS-Machtübernahme entsprachen nicht ganz dem neuen „Reinheitsprinzip“ des Propagandaministeriums, wenngleich ihnen die Initialen der neuen Machthaber schon deutlich eingeschrieben waren. "Glückskinder" (D 1936, R: Paul Martin) etwa ist von der Gestaltung den amerikanischen Filmkomödien der 30er Jahre nachempfunden. Ein New Yorker Journalist (Willy Fritsch) ehelicht in einer übereilten Blitzheirat eine Stadtstreicherin (Lilian Harvey), die ihm beruflich und privat das große Glück bringt. "Napoleon ist an allem schuld" (D 1938, R: Curt Goetz), ein Musikfilm im Stil der frühen deutschen Tonfilmjahre, entsprach wiederum nicht der von den NS-Stellen gewünschten anti-britischen Tendenz. Ironische Seitenhiebe gegen den britischen „Way of life“ wurden von einer deutlichen Sympathiekundgebung für englische Fairness und Individualismus begleitet. Die anti-militaristischen Tendenzen des Films nahm das Propagandaministerium besonders negativ auf. Selbst das antisemitische Biedermeier-Filmmusical "Robert und Betram" (D 1939, R: Hans Heinz Zerlett) bekam Schwierigkeiten mit der Zensur: das anti-autoritäre Verhalten des Titelhelden Robert geriet so überzeugend, dass es neutralisiert werden musste.

"Vertriebenes Lachen" zeigt in kritischer Gegenüberstellung zur derzeit ebenfalls im Metro Kino laufenden Retrospektive "Hans Moser-Weltschmerzkomik" Beispiele elaborierter Filmkomödien bis 1933. Die Retrospektive macht mit der Präsentation von Filmkomödien aus der NS-Zeit gleichzeitig die Bruchlinien deutlich, welche sich mit der politische Zäsur der NS-Machtübernahme auch in diesem Genre direkt oder indirekt abgebildet haben.

Informationen: http://www.filmarchiv.at
     
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