Paris (esa) - Am 15. Oktober 1997 begann eine der spektakulärsten sowie anspruchsvollsten Planetenmissionen
in der Geschichte der Raumfahrt zur Erkundung des Ringplaneten Saturn und seiner Monde. Nach fast siebenjährigem
Flug erreichte das Raumsondentandem Cassini/Huygens am 1. Juli 2004 sein Ziel, den zweitgrößten Planeten
unseres Sonnensystems.
Während die NASA-Raumsonde Cassini nunmehr auf einer mindestens vierjährigen Orbit-Tour den Saturn 75-mal
umfliegen soll, wird die ESA-Partnersonde Huygens im Januar 2005 in die Atmosphäre des geheimnisvollen Mondes
Titan eintauchen sowie – so das Hauptziel der Mission – Aufbau und Zusammensetzung der Atmosphäre detailliert
erkunden. Die Titanatmosphäre könnte nämlich der der Ur-Erde vor 4 Milliarden Jahren ähneln,
also vor der Entstehung des Lebens auf unserem Heimatplaneten. Nach Absolvierung des Atmosphärenprogramms
wird Huygens einen Landeversuch auf Titan unternehmen.
Ein einmaliges Weltraumereignis steht bevor: Eine Zeitreise, die uns zu den Anfängen der biologischen Evolution
auf dem Planeten Erde führen soll. Diese Situation jedenfalls hoffen die Europäer auf dem Saturnmond
Titan vorzufinden, wenn ihre an eine fliegende Untertasse erinnernde Raumsonde namens Huygens im Januar 2005 dort
niedergehen wird.
Ob Huygens das Titanrätsel vom Bild der irdischen Uratmosphäre lösen wird, bleibt abzuwarten. Huygens
ist auf jeden Fall Europas erste Raumsonde, die in das äußere Sonnensystem fliegt. Seit dem Start im
Jahre 1997 hat sie 3,5 Milliarden Kilometer zurückgelegt. Das sind sieben Jahre Flug unter extremen kosmischen
Bedingungen hinsichtlich Druck, Temperatur, Strahlung und Teilchenbeschuss.
Robot-Späher: Die neuen Helden der Planetenforscher
Die Idee zu dieser außergewöhnlichen Mission wurde Ende der 70er/Anfang der 80er Jahre geboren.
Es war eine Zeit, die in der Wahrnehmung der Öffentlichkeit das goldene Zeitalter der Erforschung des äußeren
Sonnensystems einleitete.
Erinnern wir uns: Die spektakuläre bemannte Raumfahrt, deren sensationelle Erstleistungen uns bis zum Mond
führten, ist „zur Normalität“ in den erdnahen Raum zurückgekehrt. Nach den Helden aus Fleisch und
Blut sollten nun spinnenbeinige Roboter mit intelligenten Sensoren, scharfen Fernsehaugen und leistungsfähigen
Computergehirnen immer tiefer in das Universum vordringen. Diese hatten bereits in wenigen Jahren mehr Erkenntnisse
über die Planeten und ihre Trabanten zusammengetragen, als Astronomen es in mühevoller Jahrhunderte langer
Arbeit zuvor geschafft hatten.
Jetzt galt es, die weißen Flecken im äußeren Sonnensystem zu tilgen. Priorität hatten nun
die Planeten Jupiter, Saturn, Uranus, Neptun und Pluto. Ihre günstige Stellung zueinander ließ raffinierte
Flugrouten entstehen, bei der mit einer Mission mehrere Himmelskörper hintereinander erforscht werden könnten.
Die Wissenschaftler träumten von einer „Grand Tour“, einer planetarischen Expeditionsreise bis an die Grenzen
unseres Sonnensystems. Doch bereits Anfang der 80er-Jahre mussten sie die schmerzliche Erkenntnis gewinnen, dass
zur Realisierung ihrer Visionen nicht unbegrenzt Mittel zur Verfügung stehen. Eine Tatsache übrigens,
die keinesfalls als singuläre Aussage auf nur ein Land zutraf, sondern die Wissenschaftscommunity des Blauen
Planeten gleichermaßen vereinte. Der Ausweg lag nahe: kreative Kooperationen.
Umfangreiche Zusammenarbeit zwischen Europa und Amerika
So kamen NASA und ESA überein, ihre Ressourcen zu bündeln. 1982 und 1983 entwarfen Spezialisten beider
Raumfahrtagenturen gemeinsame Projekte zur Erkundung des Sonnensystems. In einem Punkt war man sich schnell einig.
Ein Orbiter sollte Saturns Atmosphäre und Magnetosphäre, seine Ringe sowie seine Monde erforschen. Gerungen
wurde um das Absetzen von Landesonden in die Atmosphäre des Gasplaneten sowie seines größten Mondes,
Titan. Nicht zuletzt die faszinierenden Entdeckungen der Voyager-Sonden ließen das Pendel der Projektplaner
zugunsten von Titan ausschlagen.
Damit stand 1983 fest: Europa und Amerika starten mit einer anspruchsvollen planetaren Tandemmission einen konzentrierten
kosmischen „Lauschangriff“ auf das Saturnsystem. Der fast 7 Meter hohe NASA-Orbiter Cassini wurde vom Jet Propulsion
Laboratory in Pasadena entwickelt und gebaut. Die ESA steuerte die Eintauchsonde Huygens für den Titan bei.
Als dritter Kooperationspartner stieg die Italienische Raumfahrtbehörde ASI ein. Sie liefert das für
beide Raumflugkörper benötigte aufwendige Kommunikationssystem, einschließlich einer mächtigen
Hochleistungsantenne.
Allen Beteiligten war aber auch klar: Trotz Beschränkung auf nur einen Lander (genauer: "Descent and
Landing Probe") wird das Projekt in jeder Hinsicht den Rahmen des bislang Gewohntem sprengen. Eine derart
gigantische, komplexe Planetenmission war zuvor weder geplant noch realisiert worden. Es ist Spitzentechnologie
wie in den Träumen jedes Luft- und Raumfahrtingenieurs. Drei Raumfahrtorganisationen – NASA, ESA sowie ASI
– investieren fortan fast 15 Jahre Vorbereitungszeit und 3,4 Milliarden Dollar (etwa 2,8 Milliarden Euro) in das
Großprojekt, wovon etwa 25 Prozent auf Europa entfallen. Cassini/Huygens wird zum Symbol für die erfolgreiche
internationale Zusammenarbeit zwischen der Alten und der Neuen Welt. |