Supraleitung - Elektronen im Gänsemarsch liefern neue Erkenntnisse
Innsbruck (universität) - Ein Team der Universität Innsbruck hat es geschafft, Elektronen
in Metallen zu geordneten Bewegungen entlang vorgegebener Bahnen zu zwingen. Dieses in Metallen erstmals beobachtete
Verhalten liefert wichtige Erkenntnisse über die Wechselbeziehungen von Elektronen - und darüber, wie
es zu dem als Supraleitung bezeichneten Phänomen des Stromflusses ohne Verlust kommen kann. Damit verbindet
dieses vom Wissenschaftsfonds FWF geförderte Projekt Grundlagenforschung im besten Sinne mit möglichen
Anwendungen in der Zukunft.
Hochtemperatur-Supraleiter sind keramische Materialien, die unterhalb einer bestimmten Temperatur den elektrischen
Strom ohne Widerstand - und damit ohne Verlust - leiten. Bei höheren Temperaturen ändert sich das Verhalten
aber sprunghaft und der Stromfluss erfährt Widerstand. Solche sprunghaften Veränderungen auf Grund äußerer
Einflüsse sind charakteristisch für so genannte "smart materials". Deren "Sprunghaftigkeit"
ist eng verknüpft mit einer gegenseitigen Abhängigkeit räumlich eingeschränkter Elektronen,
die zu einem gemeinsam abgestimmten Bewegungsmuster führt. Bis jetzt war diese als Korrelation bezeichnete
Abhängigkeit nur bei Nicht-Metallen beobachtet worden.
Elektronen in Reih und Glied ...
Nun ist es einem Team um Prof. Erminald Bertel, Institut für Physikalische Chemie, Universität
Innsbruck, erstmals gelungen, Elektronen auch in Metallen in eine solche gegenseitige Abhängigkeit zu zwingen.
Dazu haben die ForscherInnen zunächst Nanostrukturen auf der Oberfläche von Metall-Einkristallen, also
Kristallen mit einheitlicher Gitterstruktur, erzeugt.
Der Projektleiter Prof. Bertel erläutert: "Normalerweise breiten sich Elektronen in Metallen in alle
drei Raumrichtungen aus. Wenn aber das Metall als Einkristall vorliegt, gibt es Elektronen, die sich nur an der
Oberfläche, also in zwei Dimensionen, ausbreiten können. Nanostrukturen können dann die Bewegungsfreiheit
dieser Elektronen weiter einschränken. Zur Herstellung solcher Strukturen können z. B. Oberflächen
von Kupfer-Kristallen so oxidiert werden, dass freie Kupferkanäle von 3 Nanometer Breite zwischen Erhebungen
von Kupferoxid liegen. In diesen Kanälen können sich Elektronen nur noch eindimensional bewegen. Auch
auf Platin-Kristallen können Atomketten in Abständen von ca. 0,8 Nanometer angeordnet werden. Die Ausbreitung
bestimmter Elektronen kann dann nur entlang dieser Ketten erfolgen."
Waren die Elektronen erstmal zu einer geordneten Bewegung entlang der Kanäle oder Ketten gezwungen, konnte
das Team um Prof. Bertel etwas Faszinierendes beobachten: Je nach Versuchsbedingungen bewegen sich die Elektronen
völlig unabhängig voneinander - inkohärent - in den einzelnen Kanälen, oder sie stimmen quer
über alle Kanäle ihre Bewegungen aufeinander ab. Bei einem solchen als kohärent bezeichneten Bewegungszustand
lassen sich die Elektronen nicht mehr einzelnen Kanälen zuordnen, sie sind "delokalisiert".
... wenn die Temperatur passt
Zur näheren Analyse der Elektronen-Zustände verwendeten die Innsbrucker ForscherInnen auch die
Photoelektronenspektroskopie. Bei dieser Methode wird die energetische Verteilung von Elektronen gemessen, die
durch Licht (Photonen) aus der Oberfläche herausgeschlagen werden. Interessanterweise zeigten die Spektren,
dass die Elektronen oberhalb einer kritischen Temperatur aus dem kohärenten in einen inkohärenten Zustand
übergehen.
Eine ganz gleichartige Temperaturabhängigkeit von Photoelektronenspektren ist jedoch auch schon von Supraleitern
bekannt - wurde aber bisher unterschiedlich erklärt. Jetzt legen die Beobachtungen des Innsbrucker Teams nahe,
dass die Supraleitung in keramischen Supraleitern mit einem Übergang von Elektronen aus einem inkohärenten
in einen kohärenten Zustand verknüpft ist.
Dazu Prof. Bertel: "Die Stromleitung ohne Verlust durch elektrischen Widerstand könnte einen signifikanten
Beitrag zur Energieeinsparung und zur Lösung einiger Umweltprobleme leisten. Aber derzeit erlaubt unser Verständnis
der Supraleitung noch nicht, supraleitende Materialien zu synthetisieren, die einen großtechnischen Einsatz
unter wirtschaftlichen Bedingungen gestatten. Unserem Team ist es gelungen, einen kleinen Mosaikstein in das Bild
einzufügen, was uns solchen Anwendungen ein wenig näher bringt." |