Erklärung von José Manuel Durão BARROSO, nächster Präsident der Kommission
Straßburg (europarl) - Der gewählte Präsident der nächsten Kommission,
José Manuel Durão BARROSO, erklärte, der Prozess der Annahme der Kommission zeige, dass die
Demokratie in Europa funktioniere. Die Kommission brauche die Unterstützung und die Partnerschaft des EP.
Er habe das EP angehört und daraufhin Änderungen vorgeschlagen, ohne das gesamte Team umzustoßen.
Eine geteilte Verantwortung sei zu berücksichtigen gewesen, da das Team nur im Einverständnis mit den
Regierungen aufgestellt werden konnte.
Er werde eine Gruppe schaffen, die sich mit den Grundrechten befasse, und wolle Verfahren einrichten, um Interessenkonflikte
insbesondere in der Wettbewerbspolitik zu vermeiden. Er bitte das Parlament, die Kommission bei der morgigen Abstimmung
"anhand unserer Fähigkeiten als Kollegium" zu bewerten. Das Rahmenabkommen werde erneuert werden.
Er lud alle ein, "eine Partnerschaft für Europa zu bilden". Wenn man zusammenstehe, erreiche man
mehr, als wenn man alleine vorgehe. Die Kommission werde mit Hilfe des EP eine Führungsrolle übernehmen.
Eine "positive Agenda des Wandels" sei anzusteuern.
Vertreter der Fraktionen:
Seine Fraktion habe die Nominierung Barrosos begrüßt, und tue dies auch heute noch, so Hans-Gert
POETTERING (EVP-ED, DE). Barrosos Entscheidung, die Kommission im Oktober nicht zur Abstimmung zu stellen,
habe man begrüßt. Die EVP-ED-Fraktion werde der Kommission mit sehr großer Mehrheit das Vertrauen
aussprechen.
Er dankte Buttiglione für seine Entscheidung, hierdurch habe er den Weg für die italienische Regierung
frei gemacht, einen neuen Kandidaten vorzuschlagen. Die neuen Kandidaten Frattini und Piebalgs hätten sich
gut eingeführt. Viele in seiner Fraktion hätten es allerdings begrüßt, wenn auch die ungarische
Regierung ihren Kandidaten ausgewechselt hätte.
"Wir müssen uns auf unsere grundlegenden Werte besinnen", alle Menschen hätten Anspruch auf
Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit. "Niemand in der EU … darf diskriminiert werden … auch nicht wegen
seiner religiösen Überzeugung." "Wir wollen eine starke Kommission und ein starkes EP."
Seine Fraktion erwarte von Barroso, dass er "und seine Kollegen dem EP zur Verfügung stehen, wenn das
EP das fordert". Im Dezember solle eine Debatte im EP geführt werden über die Prioritäten des
EP bis 2009. Rat und Regierungen müssen dem Kommissionspräsidenten bei der Berufung der Kommissare und
für die Einteilung der Ressorts mehr Spielraum geben.
Martin SCHULZ (SPE, DE) sagte, es habe Veränderungen in eine gute Richtung gegeben. An die niederländische
Ratspräsidentschaft gewandt, erklärte er, die Kommission hätte noch besser sein können, wenn
ein Fall durch Zutun der niederländischen Regierung gelöst hätte werden können.
"Wenn das Europäische Parlament gestärkt worden ist, dann hat meine Fraktion einen großen
Anteil daran," fuhr er fort. Zwei Punkte seien nun noch zu klären: Barroso habe erklärt, dass er
die Vereinbarung, die das EP mit der Prodi-Kommission getroffen habe, fortführen werde. Dies müsse er
präzisieren. Er müsse sich verpflichten, dass Kommissare auf sein Verlangen aus der Kommission austreten.
Man erwarte, dass er auch zu diesem Mittel greifen werde, wenn das EP dies fordere.
Barroso habe vor zwei Wochen erfolglos versucht, gegen die sozialdemokratische Fraktion zu handeln. Eine breite
Mehrheit könne er jedoch nur mit der sozialdemokratischen Fraktion erhalten. Schulz rief Barroso auf, die
Unterstützung seiner Fraktion zu suchen. Dies sei besser, als auf die Unterstützung der extremen Rechten
angewiesen zu sein.
Das legislative Programm der Kommission werde an seinen Inhalten gemessen werden. Die sozialen Errungenschaften
dürften nicht abgebaut werden. Man sei zu einer konstruktiven Zusammenarbeit bereit. In allen drei Institutionen
sei das sozialdemokratische Element ein sehr wichtiges.
Laut Graham R. WATSON (ALDE/ADLE, UK) sind die Liberalen mehr oder weniger mit der Umstellung der Kommission
einverstanden. Kovàcs und Piebalgs hätten einen positiven Eindruck gemacht, nur Frattini müsse
sich vielleicht etwas von Rom lösen. Buttiglione sei das schwächste Glied in der Kette gewesen.
Der Vertrag gebe dem Parlament nur eine grobe Waffe, nur die Möglichkeit, "die Stadt zu zerstören,
um sie zu retten". Es gebe keinen Mittelweg zwischen Krise und Kompromiss. Wenn das EP den Rücktritt
eines Kommissars verlange, müsse Barroso sich dem EP stellen oder diesen Kommissar entlassen; dies habe er
versprochen. Es reiche nicht, wenn er die Möglichkeit eines Rücktritts nur berücksichtige.
Für Monica FRASSONI (GRÜNE/EFA, IT) ist es wichtig, sich zur Wehr zu setzen bei der Aufstellung
der Kommission. Man müsse "die Stimme des Parlaments laut werden lassen". Sie sieht die Ablehnung
der Kommission im Oktober nicht als Krise oder Apokalypse, sondern als eine banale Aufforderung, die Kommission
umzugestalten. Ihre Fraktion habe einstimmig beschlossen, Barrosos neue Kommission nicht zu unterstützen.
Zwar sei es eine bessere Mannschaft, aber sie hätte gerne eine noch bessere gesehen.
In Europa schreite die "Berlusconisierung" voran, gerade in den Niederlanden. Neelie Kroes sei "eine
große Gefahr für die Kommission", da es 35 Fälle gebe, in denen man sie anklagen müsse.
In drei Fällen werde gegen sie ermittelt. Gerade der Bereich des Wettbewerbs sei aber einer der Glaubwürdigkeitsfaktoren,
nach denen die Kommission gemessen werde. Daher müsse dieser Bereich "blütenweiß" und
nicht durch Interessenkonflikte beeinträchtigt sein.
Francis WURTZ (KVEL/NGL, FR) erklärte, er habe die erste Aufstellung der Kommission grundsätzlich
kritisiert; das Profil sei nicht akzeptabel gewesen. Er müsse aber auch jetzt feststellen, dass Barroso nur
eine homöopathische Behandlung vorgenommen habe, statt eines chirurgischen Eingriffs. Dies sei kein Diagnosefehler,
sondern eine bewusste Entscheidung, was eine "doppelte Provokation" darstelle.
Neelie Kroes und Franco Frattini seien als Kommissare inakzeptabel. Barroso gehe die Gefahr einer "Fabrik
für Interessenkonflikte" ein. Wurtz betonte nochmals, dass es sich bei der Aufstellung der Kommission
nicht um einen "Castingfehler" handle, sondern um eine bewusste Entscheidung. Die Einsetzung der Kommission
müsse daher "ohne unseren Segen" erfolgen.
Jens-Peter BONDE (IND/DEM, DK) sagte, seine Fraktion werde mit "Nein, danke" gegen die Kommission
stimmen. Sie sei nicht transparent; 3.000 Arbeitsgruppen der Kommission könnten nicht vom EP kontrolliert
werden. Die Kommission müsse für Recht und Ordnung sorgen, aber dafür sei auch mehr Kontrolle nötig,
um Betrügereien zu vermeiden oder aufzudecken. Er bemängele sehr, dass das Parlament die Kommissare nicht
ernennen oder kontrollieren kann.
Roberta ANGELILLI (UEN, IT) setzt viele Erwartungen in die Kommission. Ihre Fraktion werde für die
Kommission stimmen, aber sie verlange auch, dass "konkrete Werke geschaffen werden". Zwar sei vieles
im Gange, aber es müsse noch vieles gemacht werden, beispielsweise in Bezug auf den Stabilitätspakt,
die illegale Einwanderung und die Bekämpfung der Armut. Europa müsse sich zum Vorkämpfer in der
Welt machen, dürfe nicht nur in der Warteschleife stehen, sondern müsse aktiv werden.
Angelilli kritisierte zudem Martin Schulz, der eine "erpresserische Haltung" einnehme, indem er ausschließlich
seiner eigenen Fraktion Unterstützung zusage, statt konstruktiv als Teil des Ganzen zu handeln.
Weitere deutschsprachige Abgeordnete:
Hannes SWOBODA (SPE, AT) sagte, Barroso habe nicht zuletzt durch Mithilfe der SPE-Fraktion eine
bessere Kommission erhalten. Auch die Wählerinnen und Wähler hätten gewonnen. Sie hätten gemerkt,
dass es einen Unterschied mache, ob man zur Europawahl gehe und wie man bei der Wahl abstimme. Letztendlich hätten
alle gewonnen.
Es seien viele Mythen gesponnen worden in Bezug auf Buttiglione. Es sei nicht um seine Religionszugehörigkeit
gegangen, sondern um seine Fähigkeiten. Er kritisierte die momentanen Vorwürfe um Kovacs. Er hoffe, dass
diese Art des Miteinanderumgehens mit dem morgigen Tag beendet werde.
Die Kommission müsse alles tun, um mehr Arbeitsplätze zu schaffen und soziale Sicherheitssysteme dauerhaft
zu gestalten. Wettbewerb dürfe nicht durch Verschlechterung der sozialen Leistungen erkauft werden.
Die Zusammenarbeit mit den USA sei sehr wichtig. Man müsse selbstbewusst mit Amerika zusammenzuarbeiten und
die USA kritisieren, wenn dies nötig sei.
Laut Silvana KOCH-MEHRIN (ALDE/ADLE, DE) muss man Demokratie tagtäglich erkämpfen. Für diesen
Kampf warte man nicht auf Erlaubnis; die Liberalen würden ein kritischer Partner der Kommission sein. Man
fördere eine Wirtschaftspolitik, die sich an den Grundsätzen der Marktwirtschaft ausrichte. Man brauche
eine Politik, die notwendige Reformen angehe.
Man müsse sich gemeinsam dafür einsetzen, mehr Demokratie nach Europa zu bringen. Barroso müsse
das EP nicht nur in Extremsituationen respektieren.
Hans-Peter MARTIN (FL, AT) kritisierte das Vorgehen der vergangenen Wochen. So könne es nicht laufen,
eine Chance werde vertan. Es fehle am Transparenz. Die Kommission sei neoliberal. Es sei schade, dass das EP der
Mut verlassen habe. Dies sei bitter für Europa, welches an einem Konstruktionsfehler leide. Die Demokratie
werde gestärkt, wenn man weiterhin gegen derartige Praktiken eintrete, nicht dadurch, dass die Kommission
unterstützt werde.
Markus FERBER (EVP-ED, DE) fragte, ob die neue Kommission sowohl die Aufgaben der Zukunft als auch die Erwartungen
der Menschen erfüllen könne und stark genug sei, die EU zu führen. Seiner Meinung nach könne
sie das und habe das Vertrauen der Menschen verdient.
Er hoffe, dass die enge Zusammenarbeit zwischen Kommission und EP der letzten Wochen keine "Eintagsfliege"
sei und forderte die Kommission auf, die Kooperation mit allen Fraktionen beizubehalten.
Milan HORACEK (GRÜNE/EFA, DE) sagte, er sei enttäuscht über die neue Kommission und lehne
sie ab. Die Fraktionsvorsitzenden hätten "wie Hähne geschrieen", es sei aber nur "ein
kleines Ei herausgekommen". Er bemängelte deren Konsequenz.
Jo LEINEN (SPE, DE) meinte, "jede Krise hat auch das Potenzial der Verbesserung". Er begrüßte
Barrosos Ernennung einer Vizepräsidentin für Kommunikationspolitik. Dies sei eine gute Innovation und
eine Entscheidung, die Unterstützung verdiene. Die Politik aus Brüssel sei lange Zeit nicht kommuniziert
worden, wodurch die Menschen verunsichert worden seien; dies müsse korrigiert werden.
Die Ratifizierung der Verfassung sei eine einmalige Chance, diese zu kommunizieren und zu verteidigen. Er forderte
die neue Kommission auf, alles zu tun, um dieses historische Projekt zum Erfolg zu führen.
Evelyne GEBHARDT (SPE, DE) sagte, es blieben dunkle Flecken auf der Kommission, der man morgen zustimmen
solle. Ihre Fraktion werde die erste sein, Versager zu entlarven. Die 25 Völker der Union könnten wohlwollend
auf das Parlament und seine Arbeit schauen; sie hoffe, auch auf die Kommission.
Für Elmar BROK (EVP-ED, DE) ist das "Spiel nun aus, das EP hat Punkte gesammelt", jetzt müsse
man aber zur Tat schreiten und praktische Aufgabenstellungen bearbeiten. Die Handlungsfähigkeit der Kommission
müsse gewährleistet werden. Man habe großes Vertrauen in die neue Kommission, aber großes
Vertrauen bedeute auch starke Kontrolle und enge Zusammenarbeit. Man solle "den Kleinkrieg aufgeben und mit
der Arbeit beginnen".
Maria BERGER (SPE, AT) erklärte, das EP habe Europa zu einer besseren Kommission verholfen. Dies gelte
insbesondere für das Ressort Justiz und Inneres. Man traue Frattini zu, seine Vergangenheit als Minister der
Regierung Berlusconis hinter sich zu lassen. Wie habe es aber sein können, dass er so lange Minister unter
Berlusconi war, einer Regierung die viele umstrittene Gesetze in diesem Bereich angenommen habe. Man müsse
wohl zu seinen Gunsten annehmen, dass er immer im Ausland gewesen sei, wenn derartige Gesetze angenommen wurden.
Für Othmar KARAS (EVP-ED, AT) ist die Barroso-Kommission gestärkt. Kommission und EP benötigten
einander. Man benötige eine starke Kommission und ein starkes Parlament. Man brauche eine Europapolitik auf
dem Boden der Verfassung nach innen und in der Welt statt nationaler parteipolitischer Politiken.
Der Lissabon- und Barcelona-Prozess müsse vorangebracht werden, ebenso wie die GASP, der Stabilitäts-
und Wachstumspakt dürfe nicht geschwächt werden und der Mehrwert europäischer Regelungen müsse
begründet werden. Ein europäisches Bewusstsein sei zu schaffen. |