Raumordnung darf nicht verhindern, aber muss lenken  

erstellt am
18. 11. 04

Fachtagung "Einkaufszentren und Handelsgroßbetriebe: Was kann die Raumordnung regeln?" im Heffterhof
Salzburg (lk) - „In der Raumordnung geht es darum, einen Weg zu finden, der nicht verhindert, aber sehr wohl lenkt. Einen Wettbewerbs- und Standortvor- oder -nachteil wird es immer geben. Es darf aber kein größerer Schaden entstehen“, betonte Raumordnungsreferent Landesrat Sepp Eisl in seinem Resümee zur Tagung „Einkaufszentren und Handelsgroß- betriebe: Was kann die Raumordnung regeln?“ am Mittwoch (17. 11.) im Heffterhof in Salzburg. Als weitere Schwerpunkte einer verantwortungsvollen Raumordnungspolitik nannte Eisl Rechtssicherheit, den sparsamen Umgang mit Grund und Boden sowie Nachhaltigkeit.

Gleichzeitig betonte der Raumordnungsreferent, dass die anstehenden Entscheidungen auf der Basis von objektiven Grundlagen sowie einer gesicherten und konsensualen Datengrundlage erfolgen werden. Es gehe dabei nämlich um mehr als nur ein „Kaufmannsproblem“, nämlich um die Struktur des Landes und wie sich diese weiterentwickeln werde. Zur Erhebung dieser Datengrundlagen habe sich das Land an der länderübergreifenden Untersuchung SABE-V, die die Strukturen und Einzelhandelsverflechtungen in Salzburg und in den benachbarten Landkreisen Traunstein und Berchtesgadener Land untersucht. Die Ergebnisse werden im Mai 2005 vorliegen.

Bei dieser Studie handle es sich um eine bundeslandweite und grenzüberschreitende Abbildung der gegenwärtigen Situation des Einzelhandels sowie um eine Darstellung standortverträglicher, regionsspezifischer künftiger Entwicklungsszenarien, führte Mag. Roland Murauer von CIMA Österreich, jener Firma, die die Studie erstellt, aus. Untersucht werden 188 Gemeinden in Salzburg und Bayern sowie auch Auswirkungen auf die angrenzenden Konkurrenzräume Tirol, Oberösterreich, Steiermark und Kärnten. Die Studie beinhaltet eine Struktur- und Branchenmixanalyse, eine Kaufkraftstromanalyse für einzelne Warengruppen, eine Analyse des geschlechtsspezifischen Einkaufsverhaltens von Single-Haushalten sowie eine handelswissenschaftliche Abgrenzung der Stadt- und Ortskerne samt Empfehlungskatalog.

Keine größeren Ansiedlungspotenziale mehr vorhanden
Auf der Basis der vorliegenden Zwischendaten der SABE-V-Studie formulierte Studienautor Murauer folgende Trends für das Land Salzburg: Aus der natürlichen Kaufkraftentwicklung sind zumindest in den alpinen Bezirken keine größeren Ansiedlungspotenziale mehr vorhanden. Es herrschen massive Verflechtungen in puncto Kaufkraft zwischen den alpinen Bezirken und dem Zentralraum. Derzeit ist der Tourismus eine wichtige Umsatzstütze des lokalen Einzelhandels. Im nationalen Vergleich besitzen vor allem Bezirkshauptstädte und größere Städte eine relativ hohe Verkaufsflächenausstattung; dies trifft auch für den Landkreis Traunstein zu.

Ein ähnliches Bild zeichnete auch Dipl.-Ing. Wolfgang Richter von REGIOPLAN Wien, der über die zukünftigen Entwicklungen im Einzelhandel referierte. Bei der Shoppingcenter-Fläche pro Einwohner liegt Salzburg nach Niederösterreich und Wien an dritter Stelle österreichweit. Österreich wiederum liegt deutlich über dem Europadurchschnitt und noch vor Deutschland. Der Marktforscher erwartet sich für die nächste Zeit weniger Neueröffnungen von Einkaufszentren, sondern mehr Optimierungen sowie noch mehr kleinere Fachmarktzentren am Rande größerer Gemeinden. Zurückzuführen sei diese Entwicklung auf die Bedürfnisse der Konsumenten, die immer selektiver werden und die für ihre Einkaufsentscheidung vor allem die Kriterien Angebot/Auswahl, Atmosphäre, Erreichbarkeit und Parkplätze heranziehen.

Gesamtvolumen des Einzelhandels bleibt gleich
Es sei nicht zu erwarten, dass das Gesamtvolumen des Einzelhandels mittel- bis langfristig steigen wird. Die Konsumenten stellen aber höhere Ansprüche, denen die gewachsenen Handelsstrukturen vielfach nicht entsprechen, so Richter weiter. Auf der anderen Seite entstehen ständig neue Standorttypen, die dem Kundenbedürfnis entsprechen. Diese „synthetischen“ Einkaufszonen – Einkaufszentren und Fachmarktzentren – bilden österreichweit derzeit rund 32 Prozent des gesamten Handelsvolumens. Dieser Anteil wird bis 2010 auf rund 43 Prozent steigen. Generell gesehen werde im nächsten Jahr die Zahl der Handelsstandorte und auch der Einkaufszonen insgesamt sinken, so die Prognose. Die verbleibenden werden aber im Sinne der Kundenerwartungen „besser“ und damit erfolgreicher werden. Können Innenstädte die Kundenbedürfnisse erfüllen, so werden auch diese zu den Gewinnern zählen, führte Richter aus.

Mutige politische Entscheidungen notwendig
Basierend auf einer Studie zur „Beschäftigung und Arbeitslosigkeit im Salzburger Einzelhandel“ formulierte Univ.-Prof. Dr. Alfred Kyrer von TIGRA Salzburg einige Denkanstöße für eine künftige Raumordnungspolitik. Vor allem seien mutige politische Entscheidungen notwendig, die die bestehenden Regeln und Instrumente optimal nutzen. Erforderlich seien neue Regelungen im Finanzausgleich, welche die Verantwortlichkeiten klar definieren und einen interkommunalen Disparitätenausgleich möglich machen. Es müsse Schluss sein mit Schuldzuweisungen und der Verteufelung der Einkaufszentren, viel mehr seien die Wünsche der Konsumenten zu berücksichtigen, so Kyrer. Notwendig seien auch eine bessere regionale politische Steuerung auf der Grundlage von Zielorientierung, Kosten, Effizienz und Nachhaltigkeit sowie eine gemeinsame Strategieentwicklung, bei der die öffentliche Hand und die privaten Unternehmer zusammenarbeiten.

Strikte Regelungen für großflächigen Einzelhandel in Bayern
Einen Blick über die Landesgrenzen ins benachbarte Bayern ermöglichte Ministerialrat Gerhard Herderich vom bayerischen Ministerium für Wirtschaft, Infrastruktur, Verkehr und Technologie. Bayern besitzt seit August 2003 eine strikte Raumordnungsregelung für den großflächigen Einzelhandel, die für Betriebe mit einer Geschoßfläche von mehr als 1.200 Quadratmetern (rund 900 Quadratmeter Verkaufsfläche) gilt. Bayern sehe die Entwicklung auf Salzburger Seite mit großer Skepsis, weil es auf deutscher Seite klare Richtlinien gebe, die solche Entwicklungen an bestimmten Standorten nicht zulässt, führte Herderich aus, der gleichzeitig für eine intensivere Abstimmung der Raumordnungsangelegenheiten in Grenzräumen plädierte. Eckpunkte der bayerischen Regelung sind die Gleichbehandlung aller Formen des Großflächen-Einzelhandels, die Betonung des Schutzgutes Innenstadt mit seiner Handelsvielfalt, die Steuerung der Standortewahl u. a. aufgrund städtebaulicher Kriterien sowie die Begrenzung der Verkaufsflächen durch die Festlegung zulässiger Verkaufsflächen über Kaufkraftabschöpfungsquoten.

Langfristig haltbare Rahmenbedingungen schaffen
In Salzburg gibt es Raumordnungsinstrumente zur Steuerung des großflächigen Einzelhandels seit dem Jahr 1975. Durch zahlreiche Novellen des aktuellen Raumordnungsgesetzes wurde immer wieder der Versuch unternommen, neuen Entwicklungen entgegenzuwirken, erläuterte Dipl.-Ing. Dr. Christoph Braumann von der Raumplanungsabteilung des Landes. Seit Juli 1999 gelten eigene „Standorteverordnungen für Handelsgroßbetriebe“ als Voraussetzung für jede Ausweisung einer solchen Widmung. Seit diesem Zeitpunkt wurden 64 Anregungen eingebracht, davon wurde bisher 46 entsprochen. Die bisher durch Standorteverordnungen als zulässig erklärte Gesamtverkaufsfläche beträgt rund 122.000 Quadratmeter. Diese Standortever-ordnungen seien vielfach für die Lösung regionaler Fragen nicht ausreichend. Ziel sollte es sein, langfristig haltbare Rahmenbedingungen, die auf einem tragfähigen Grundkonsens basieren, auszuarbeiten, so Braumann.
     
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