Abtreibung: Wiener Pastoralrat nimmt Politiker in die Pflicht  

erstellt am
16. 11. 04

"Fristenregelung darf nicht bewirken, dass die Frau in ihren Problemen allein gelassen wird"
Wien (stephanscom.at) - Der Pastoralrat der Erzdiözese Wien hat im Hinblick auf den bevorstehenden 30. Jahrestag des Inkrafttretens der Fristenregelung die Verwirklichung der damals versprochenen flankierenden Maßnahmen gefordert. In einer einstimmig beschlossenen Resolution appelliert der Pastoralrat an die Politikerinnen und Politiker: "Die Fristenregelung darf nicht bewirken, dass die Frau in ihren Problemen allein gelassen wird. 30 Jahre nach Einführung der Straffreiheit müssen endlich Maßnahmen getroffen werden, durch die die Politik ihre gesellschaftliche Verantwortung für die Probleme der betroffenen Frauen und ihrer Kinder wahrnimmt". Die Resolution wurde von Generalvikar Franz Schuster als stellvertretendem Vorsitzenden des Pastoralrats und Stephanie Heine-Geldern als Pastoralrats-Referentin für Fragen des Lebensschutzes an Bundespräsident Heinz Fischer, Bundeskanzler Wolfgang Schüssel, alle österreichischen Parlamentarier, sowie an die Landeshauptleute Michael Häupl (Wien) und Erwin Pröll (Niederösterreich) übermittelt.

In der Resolution wird daran erinnert, dass jedes Kind von der Zeugung an die uneinschränkbare Menschenwürde hat. In keiner Phase des Lebens stehe diese menschliche Würde für eine Güterabwägung zur Verfügung. Die Tötung ungeborener Kinder reiße eine Wunde in die Gesellschaft. Die von der Mutter oft in großer Verzweiflung getroffene Entscheidung zeige, dass es den Menschen aus ihrer Umgebung nicht gelungen ist, "ihr mit Liebe und Hilfsbereitschaft das Weiterleben ihres Kindes zu ermöglichen". Dieser Vorwurf treffe auch die Katholiken und die Kirche als Institution. Daher müsse die Botschaft der Nächstenliebe immer besser gelebt und vermittelt werden. Dabei gehe es nicht darum, zu richten, sondern zu helfen. Wörtlich heißt es in der Resolution weiter: "Wir wollen uns daher erneut und vertieft anstrengen, zu einem Klima beizutragen, in dem eine Mutter immer einen lebensbejahenden Weg für ihr Kind findet".

An konkreten "flankierenden Maßnahmen" fordert der Pastoralrat der Erzdiözese Wien u.a. den flächendeckenden Ausbau von Familienberatungsstellen mit Schwerpunkt Schwangerschaftsberatung, die persönliche und räumliche Trennung von beratendem und abtreibendem Arzt, die verpflichtende Information über Beratungsstellen und Hilfsangebote für Schwangere und die Streichung der Spätabtreibung auf Grund eugenischer Indikation, "damit die Gleichbehandlung Behinderter kein reines Lippenbekenntnis bleibt". Als Grundvoraussetzung für "sinnvolle Hilfe" wird eine regelmäßige Analyse der Situation mit statistischen Angaben auch über die Motive von Abtreibungen urgiert. Außerdem nennt der Pastoralrat auch die Erweiterung des Beratungsangebots auf Partnerschaftskonflikte und Spätfolgen von Abtreibungen und die Einführung der psychosozialen Beratung vor, während und nach der pränatalen Diagnose, "damit Frauen bewusst entscheiden können, wie sie mit Untersuchungsergebnissen umgehen wollen".

Abschließend werden in der Resolution Kardinal Franz König und der frühere Bundeskanzler Bruno Kreisky zitiert. Kardinal König sagte im Februar 1973 in seiner Aufsehen erregenden Rede vor dem Bundesvorstand des ÖGB: "Nicht strafen, helfen muss man hier. Aber nicht allein mit Worten, nicht mit frommen Sprüchen, nicht mit unverbindlichen Hinweisen. Helfen kann man nur durch die Tat". Kreisky meinte im November 1973 im Nationalrat: "Man muss alles tun, um im Bereich der Politik diesen ganzen Paragrafen so obsolet zu machen, wie dies mit den Mitteln der Politik, Psychologie und auch der Moral nur geht, um die Frau zu veranlassen, dass sie dann, wenn sie empfangen hat, das Kind behält".

Der Pastoralrat der Erzdiözese Wien hat sich in den letzten 35 Jahren immer wieder mit der Abtreibungsproblematik auseinander gesetzt. 1973 wurde auf Initiative des Pastoralrats der Wiener Diözesanfonds für Schwangere in Not geschaffen, der seither nahezu 20.000 Frauen schnell und unbürokratisch geholfen hat.
     
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