Bildungspolitik / PISA-Studie  

erstellt am
29. 11. 04

 Bures: Gehrer mit ihrer Bildungspolitik gescheitert
SPÖ fordert Rücktritt – ÖVP plant radikalen Umbau
Wien (sk) - "Jemand, der die Zukunft unserer Kinder und Jugendlichen verspielt, hat in dieser Regierung nichts verloren." SPÖ-Bundesgeschäftsführerin Doris Bures fordert Bildungsministerin Gehrer am Freitag (26. 11.) in einer Pressekonferenz auf, die Konsequenz aus ihrer "katastrophalen Bildungspolitik" zu ziehen und zurückzutreten, bzw. sollte Bundeskanzler Schüssel aktiv werden und Gehrer von ihrer Funktion entheben. Jüngstes Beispiel für Gehrers Scheitern sei neben dem Chaos an den Unis die Pisa-Studie, wo Österreich massiv abgestürzt sei. Die Reaktion Gehrers - man sollte nicht in nationale Depression verfallen - sei unerträglich, reihe sich aber nahtlos in frühere Aussagen der ÖVP ein, die von der "deplatzierten Selbstzufriedenheit der ÖVP und ihrer Amtsträger zeugen". Kanzler Schüssel hatte die hohe Jugendarbeitslosigkeit als "Schönheitsfehler" bezeichnet, und die ÖVP-Abgeordnete Fuhrmann habe die Pensionskürzungen mit dem Wert von drei Wurstsemmeln verglichen.

Die Gelassenheit Gehrers, wenn es um die Zukunftschancen der Jugend geht, sei völlig unverständlich. "Wenn Gehrer so gelassen ist, wird es am Bundeskanzler liegen, sie aus ihrer Funktion zu entlassen", sagte Bures.

Scharfe Kritik übte Bures auch am politischen Stil der ÖVP: Generalsekretär Lopatka sei offensichtlich darauf abgestellt, und in den USA dahingehend ausgebildet worden, das Arsenal des dirty campaigning einzuführen. In den vergangenen Wahlkämpfen habe die ÖVP nicht davor zurückgescheut, Briefe und Zitate zu fälschen, Personen zu verleumden und Angstszenarien zu entwerfen - alles im Wissen des Bundeskanzlers. Diesen "beschämenden Stil" lehne die SPÖ entschieden ab. "Aber nicht nur den Stil, auch viele inhaltliche Bereiche lehnen wir ab", kritisierte Bures den "radikalen Umbau" durch die ÖVP und den Weg in eine neoliberale Konfliktdemokratie. Der autoritäre Führungsstil Schüssels sei durch Dialogunfähigkeit geprägt, sein Umgang mit dem Hauptverband, der ÖH und der Arbeiterkammer sei von Demokratieabbau geprägt; es werde nicht versucht, Wahlergebnisse zu ändern, sondern umzuformen.

Außerdem führe die ÖVP eine Wertedebatte, die dem letzten Jahrhundert zuzuordnen sei. Die ÖVP sei verantwortlich dafür, dass es wieder diesen "Hauch von verzopftem Denken" gebe. Als Beispiele nannte Bures die Debatte um die Fristenlösung, die Frage der Gleichstellung von Frauen und die Frage der Gleichstellung von gleichgeschlechtlichen Partnerschaften. 

 

  Brinek: Haltlose Rücktrittsforderung von Bures
Exakte Ergebnisse und Analysen abwarten und nicht vorschnell urteilen
Wien (pövp-pd) - Völlig haltlos sei die nicht nachvollziehbare Forderung von Doris Bures nach einem Rücktritt von Bildungsministerin Gehrer, so ÖVP-Wissenschaftssprecherin Abg.z.NR Dr. Gertrude Brinek am Freitag (26. 11.). Gäbe es eine "RAUNZ-Studie", dann würde die SPÖ unangefochten den ersten Platz einnehmen.

"Hören Sie auf, das österreichische Bildungssystem immer schlecht zu reden", so Brinek, die in diesem Zusammenhang auf die sehr guten österreichischen Vergleichswerte bei der Jugendarbeitslosigkeit hinwies. Während Österreich mit 9,8 Prozent absolut gut dastehe und damit den drittniedrigsten Wert in der EU verzeichne, habe Finnland, das in der PISA-Studie besser abschneide, eine Jugendarbeitslosigkeit von 20,7 Prozent. "Dieser Vergleich zeigt sehr deutlich, dass die jungen Menschen in den österreichischen Schulen sehr gut aufs spätere Leben vorbereitet werden. Das ist auch Sinn und Zweck von Bildung", so die ÖVP- Wissenschaftssprecherin.

Abermals betonte Brinek, dass man nicht vorschnell mit kolportierten Zahlen agieren solle. Es komme bei der PISA-Studie nicht auf den Platz, sondern auf die Anzahl der erreichten Punkte an. Eine kleine Verschiebung der Punkte könne nämlich schon zu einer großen Verschiebung der Plätze führen. "Auch Frau Bures würde es nicht schaden, die populistische Parteibrille abzulegen und die exakten Ergebnisse und Analysen abzuwarten, bevor sie vorschnell urteilt", so Brinek abschließend.

 

Rossmann: Nagelprobe für SPÖ
Ergebnisse der Zukunftskommission rasch umsetzen
Wien (fpd) - FPÖ-Bildungssprecherin Mares Rossmann forderte am Freitag (26. 11.) im Zusammenhang mit der PISA-Studie eine rasche Umsetzung der Ergebnisse der Zukunfts- kommission. Dies werde auch die Nagelprobe für die SPÖ. Dann werde sich nämlich zeigen, ob die Sozialdemokraten es mit ihrer Kritik ernst meinten oder ob es sich wieder einmal um eine reine Oppositionsshow handle.

Für eine Umsetzung sei eine Zweidrittelmehrheit nötig, führte Rossmann weiter aus. Die SPÖ habe nämlich seinerzeit die Schulgesetze in den Verfassungsrang erhoben. Daher benötige man sogar für einfache Angelegenheiten wie etwa die Umbenennung von "Leibesübungen" in "Sport und Bewegung" eine Verfassungsmehrheit. "Der Ball liegt jetzt bei der SPÖ", sagte die freiheitliche Bildungssprecherin.  

 

 Trendumkehr im Bildungswesen nötig
Brosz: Volle Umsetzung der Vorschläge der Zukunftskommission, Ende der Zwei-Drittel-Erfordernis im Schulwesen, Änderungen beim Finanzausgleich
Wien (apa) - Eine "Trendumkehr" im Bildungswesen fordern die Grünen. Man könne zwar diskutieren, wie seriös es sei, zur noch nicht vorliegenden neuen PISA-Studie Stellung zu nehmen, betonte Bildungssprecher Dieter Brosz bei einer Pressekonferenz am Freitag (26. 11.). Was man allerdings habe, sei die PISA-Studie 2000, die dem österreichischen Schulsystem eine "dramatische soziale Schieflage" attestiert habe. Als Konsequenz forderte Brosz die Abschaffung der Zwei-Drittel-Erfordernis für Schulgesetze, Änderungen beim Finanzausgleich sowie die volle Umsetzung der Vorschläge der Zukunftskommission für die Schule - ohne ein "Herausklauben der ideologisch sympathischen Punkte".

Der kolportierte Absturz bei PISA 2003 wäre "nicht verwunderlich", meinte Brosz. Die Verantwortlichen im Bildungsministerium hätten gewusst, dass durch die Untergewichtung der traditionell schlechter lesenden BerufsschülerInnen im Jahr 2000 ein methodischer Fehler gemacht worden sei. Außerdem habe PISA 2000 schon deutlich gemacht, dass es in Österreich wie in kaum einem anderen vergleichbaren Land drastische Leistungsunterschiede zwischen den einzelnen Schulen gegeben habe. Bei allen vor Österreich liegenden Staaten wären hingegen die Unterschiede innerhalb der Schulen zu finden gewesen - weil auf eine frühzeitige Segregation der Kinder (in AHS-Unterstufe und Hauptschule, Anm.) verzichtet werde.

Folge: "Österreich und Deutschland sind Länder, in denen vom durchschnittlichen wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Status der Schulen ein erheblicher Einfluss auf die Schülerleistungen ausgeht", heißt es in der PISA-Studie 2000. Aus diesem Ergebnis seien von Bildungsministerin Elisabeth Gehrer (V) keine Konsequenzen gezogen, so Brosz. Stattdessen habe man in Plakaten das Ergebnis bejubelt: "In Europa zu den ersten fünf zu gehören und weltweit zum obersten Drittel, zeigt, dass die österreichische Bildungspolitik Rahmenbedingungen geschaffen hat, die gute schulische Leistungen fördern", hieß es darauf. "Wer sich so vermarktet, muss sich auch Kritik gefallen lassen, wenn's einmal nicht so gut läuft", so Brosz.

Die Ende Jänner erwarteten Vorschläge der Zukunftskommission müssten als Gesamtkonzept umgesetzt werden, forderte Brosz. Ansonsten passiere Ähnliches wie bei den isoliert eingeführten Bildungsstandards: "Das ist so, wie wenn man eine neue Vorsorgeuntersuchung einführt und dann feststellt, dass es viele Erkrankungen gibt. Aber statt Medikamenten kriegt man einen Zettel, wo draufsteht 'Sie sind krank'". Eliminiert gehöre das Zwei-Drittel-Erfordernis bei den Schulgesetzen - auch wenn dann Maßnahmen gesetzt würden, die den Grünen nicht passen. Das sei besser als die derzeitige Reformblockade.

Insgesamt gehe es ihm nicht um mehr Geld, so Brosz: Mit den vorhandenen Mitteln könne man durchaus auskommen. Allerdings müsse man im Finanzausgleich weg von der vereinbarten SchülerInnen-LehrerInne-Verhältniszahl. Stattdessen könnte auf Grund des zu erwartenden SchülerInnenrückgangs mit einer Stabilisierung der Personalkosten eine Qualitätsverbesserung erreicht werden.

Inhaltlich fordern die Grünen eine starke individuelle Förderung von Kindern in heterogenen Gruppen, den Ausbau des Förderunterrichts in den Pflichtschulen, wie in Finnland eigene Förderlehrer an allen Volksschulen sowie eine Verbesserung des Angebots an Ganztagsschulen, die allerdings kein Allheilmittel seien. Auf jeden Fall überwunden werden müsse die im internationalen Vergleich extrem frühe Selektion mit zehn Jahren.
      
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