Gouverneur Liebscher warnt – auch mit Blick auf die künftigen Mitglieder der Währungsunion
– eindringlich vor einer Schwächung des Stabilitäts- und Wachstumspakts
Wien (oenb) - „Der europäische Integrationsprozess ist eine Erfolgsgeschichte“ betonte Dr. Klaus
Liebscher, Gouverneur der Oesterreichischen Nationalbank und EZB-Ratsmitglied, am Freitag (26. 11.)
im Rahmen der Conference on European Economic Integration der Oesterreichischen Nationalbank. Trotz der bisherigen
Erfolge dürften die europäischen Staaten in ihren Anstrengungen zur Vertiefung und Erweiterung der Europäischen
Union nicht nachlassen und müssten den neuen Herauforderungen verstärkt entgegentreten. Dies gelte sowohl
für die 25 EU-Mitglieder als auch jener Staaten Europas, die den Beitritt zur EU anstreben.
Eine essenzielle Herausforderung sieht der Gouverneur in der Einhaltung der Regeln des Stabilitäts- und Wachstumspakts.
„Für die Stabilität des Euro und die Glaubwürdigkeit der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion
ist es unverzichtbar, die Fiskalregeln des Stabilitäts- und Wachstumspakts einzuhalten, die ein klares, transparentes
und einfaches Rahmenwerk bieten“, unterstrich der Nationalbank-Gouverneur. „Der Stabilitäts- und Wachstumspakt
funktioniert, so wie er ist. Das Problem liegt bei seiner Implementierung“.
Gouverneur Liebscher sprach sich klar gegen Vorschläge einer Flexibilisierung des Paktes aus, die in Richtung
eines ausgeweiteten Ermessensspielraums bei Korrekturmaßnahmen im Falle übermäßiger Defizite
gehen. In diesem Zusammenhang warnte er davor, das Regelwerk des Pakts zu überfrachten. „Zu komplexe Regelungen
mit zu vielen Ausnahmeregelungen würden nicht nur die Umsetzung des Paktes erschweren, sondern auch seine
Glaubwürdigkeit schwächen“, so der Gouverneur.
Nach ihrem Beitritt in die EU streben die neuen EU-Mitgliedsstaaten nun die Einführung des Euro an. Voraussetzung
für den Beitritt in den Euroraum ist die nachhaltige Erfüllung der Maastricht-Konvergenzkriterien. In
diesem Zusammenhang würde eine Schwächung des Stabilitäts- und Wachstumspakts zweifellos ein falsches
Signal an die neuen EU-Mitgliedsländer senden, hob Gouverneur Liebscher hervor.
Er sei überzeugt, dass sich die Erfolgsgeschichte der gesamteuropäischen Integration zukünftig auch
in Südosteuropa fortsetzen werde. Nach der diesjährigen Erweiterungsrunde habe sich das Zentrum des Integrationsprozesses
deutlich nach Süd-Ost-Europa verlagert. Bulgarien, Kroatien und Rumänien sind bereits Beitrittsländer.
Alle anderen südosteuropäischen Länder haben eine Perspektive für die EU-Mitgliedschaft.
Die Conference on European Economic Integration widmet sich unter dem Titel „South Eastern European Challenges
and Prospects“ speziell dieser Region. Seit Beginn der 90er Jahre hat sich die OeNB zu einem Kompetenzzentrum für
die Analyse der mittel- und osteuropäischen Staaten entwickelt. Dieser Osteuropaschwerpunkt wurde nun um die
Länder Süd-Ost-Europas erweitert, führte der Gouverneur aus. Diese strategische Neuausrichtung der
OeNB trage somit der voranschreitenden EU-Integration sowie der großen Bedeutung dieses benachbarten Wirtschaftsraumes
für Österreich Rechnung.
Diese Konferenz ist einer der ersten konkreten Beiträge der OeNB in Richtung Süd-Ost-Europa-Analyse.
Sie beleuchtet vor allem Bereiche, die aus Sicht einer Notenbank von besonderer Bedeutung sind – die Geld- und
Wechselkurspolitik sowie den Bankensektor in Südosteuropa, wo die österreichischen Banken ein herausragendes
Engagement aufweisen. Weitere Themenschwerpunkte sind ausländische Direktinvestitionen, ein wichtiger Hoffnungsträger
dieser Region, aber auch das institutionelle und ökonomische Umfeld, das Problem der Armut, der Arbeitslosigkeit
und der Migration. |