Die europäische Integration ist eine Erfolgsgeschichte  

erstellt am
29. 11. 04

Gouverneur Liebscher warnt – auch mit Blick auf die künftigen Mitglieder der Währungsunion – eindringlich vor einer Schwächung des Stabilitäts- und Wachstumspakts
Wien (oenb) - „Der europäische Integrationsprozess ist eine Erfolgsgeschichte“ betonte Dr. Klaus Liebscher, Gouverneur der Oesterreichischen Nationalbank und EZB-Ratsmitglied, am Freitag (26. 11.)  im Rahmen der Conference on European Economic Integration der Oesterreichischen Nationalbank. Trotz der bisherigen Erfolge dürften die europäischen Staaten in ihren Anstrengungen zur Vertiefung und Erweiterung der Europäischen Union nicht nachlassen und müssten den neuen Herauforderungen verstärkt entgegentreten. Dies gelte sowohl für die 25 EU-Mitglieder als auch jener Staaten Europas, die den Beitritt zur EU anstreben.

Eine essenzielle Herausforderung sieht der Gouverneur in der Einhaltung der Regeln des Stabilitäts- und Wachstumspakts. „Für die Stabilität des Euro und die Glaubwürdigkeit der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion ist es unverzichtbar, die Fiskalregeln des Stabilitäts- und Wachstumspakts einzuhalten, die ein klares, transparentes und einfaches Rahmenwerk bieten“, unterstrich der Nationalbank-Gouverneur. „Der Stabilitäts- und Wachstumspakt funktioniert, so wie er ist. Das Problem liegt bei seiner Implementierung“.

Gouverneur Liebscher sprach sich klar gegen Vorschläge einer Flexibilisierung des Paktes aus, die in Richtung eines ausgeweiteten Ermessensspielraums bei Korrekturmaßnahmen im Falle übermäßiger Defizite gehen. In diesem Zusammenhang warnte er davor, das Regelwerk des Pakts zu überfrachten. „Zu komplexe Regelungen mit zu vielen Ausnahmeregelungen würden nicht nur die Umsetzung des Paktes erschweren, sondern auch seine Glaubwürdigkeit schwächen“, so der Gouverneur.

Nach ihrem Beitritt in die EU streben die neuen EU-Mitgliedsstaaten nun die Einführung des Euro an. Voraussetzung für den Beitritt in den Euroraum ist die nachhaltige Erfüllung der Maastricht-Konvergenzkriterien. In diesem Zusammenhang würde eine Schwächung des Stabilitäts- und Wachstumspakts zweifellos ein falsches Signal an die neuen EU-Mitgliedsländer senden, hob Gouverneur Liebscher hervor.

Er sei überzeugt, dass sich die Erfolgsgeschichte der gesamteuropäischen Integration zukünftig auch in Südosteuropa fortsetzen werde. Nach der diesjährigen Erweiterungsrunde habe sich das Zentrum des Integrationsprozesses deutlich nach Süd-Ost-Europa verlagert. Bulgarien, Kroatien und Rumänien sind bereits Beitrittsländer. Alle anderen südosteuropäischen Länder haben eine Perspektive für die EU-Mitgliedschaft.

Die Conference on European Economic Integration widmet sich unter dem Titel „South Eastern European Challenges and Prospects“ speziell dieser Region. Seit Beginn der 90er Jahre hat sich die OeNB zu einem Kompetenzzentrum für die Analyse der mittel- und osteuropäischen Staaten entwickelt. Dieser Osteuropaschwerpunkt wurde nun um die Länder Süd-Ost-Europas erweitert, führte der Gouverneur aus. Diese strategische Neuausrichtung der OeNB trage somit der voranschreitenden EU-Integration sowie der großen Bedeutung dieses benachbarten Wirtschaftsraumes für Österreich Rechnung.

Diese Konferenz ist einer der ersten konkreten Beiträge der OeNB in Richtung Süd-Ost-Europa-Analyse. Sie beleuchtet vor allem Bereiche, die aus Sicht einer Notenbank von besonderer Bedeutung sind – die Geld- und Wechselkurspolitik sowie den Bankensektor in Südosteuropa, wo die österreichischen Banken ein herausragendes Engagement aufweisen. Weitere Themenschwerpunkte sind ausländische Direktinvestitionen, ein wichtiger Hoffnungsträger dieser Region, aber auch das institutionelle und ökonomische Umfeld, das Problem der Armut, der Arbeitslosigkeit und der Migration.
     
zurück